Clairette de Die, Crémant de Die, Coteaux de Die, Châtillon en Diois

Flüssige Schätze aus Die

Fotos: Juan Robert, freevectormaps.com

Das Tal der Rhone ist eine einzige, natürliche Schatzkammer. Weinmässig gibt es hier nichts, was es nicht gibt. Sogar Schaumwein wird in dieser weiten Region gekeltert. Nicht irgendein Schaumwein, sondern der älteste Schaumwein der Welt.

Schon Plinius der Ältere sprach von einem süssen, prickelnden Rebensaft, der Herz und Gaumen der damaligen Ureinwohner in einer von den Göttern und der Natur verwöhnten Ecke des mittleren Rhonetals erfreute. Zum Schaum kam der Wein, weil die vorchristlichen Winzer gut verschlossene Tonkrüge ihres Weins in einem kühlen Fluss überwintern liessen. Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte der nun «Clairette de Die» genannte Sprudler aus der am Fluss Drôme und im Departement gleichen Namens gelegenen Region zu den ersten Weinen Frankreichs, die als «nach traditionellen Regeln hergestelltes, historisches Terroirprodukt» anerkannt wurden. 1942 erhielt die «Clairette de Die» die kontrollierte Ursprungsbezeichnung AOC zugesprochen. Die, eine 5000 Seelen zählende Gemeinde im Herzen der Appellation, liegt rund 70 Kilometer von Valence und damit der Rhone entfernt. Die umliegende Gegend am Fusse des Vercors-Massivs, etwas zungenbrecherisch «Diois» genannt, zählt rund 1650 Hektar Reben, verteilt auf 30 Gemeinden und vier unterschiedliche Herkunftsgebiete: Die bereits erwähnte Clairette de Die, ein nach einem uralten Rezept hergestellter Schaumwein mit leichter, natürlicher Restsüsse, ist die älteste, grösste und bekannteste davon. Der Crémant de Die AOC gehört zur Familie der Schaumweine, die im Verfahren der so genannten «Méthode Traditionelle» hergestellt werden. Die AOC Coteaux de Die steht seit 1993 für einen trockenen Stillwein aus der Sorte Clairette. Châtillon en Diois ist seit 1975 AOC für Weisswein aus den Burgunder Sorten Aligoté und Chardonnay sowie für Rotwein und Rosé aus Gamay, Pinot Noir und Syrah. Die Rebberge von Die gehören zu den höchstgelegenen Rebgärten Frankreichs. Sie beginnen auf etwa 200 Meter Höhe und reichen bis auf 700 Meter über Meer. Die Parzellen liegen ideal und frostgeschützt auf den Ausläufern der Vercors-Berge. Im Sommer profitieren sie voll und ganz von der provenzalischen Sonne und den milden und mitunter heissen Tagestemperaturen, die für optimale Traubenreife sorgen, aber auch den kühlen Nächten, die den Reifeprozess verzögern und damit die Aromenentwicklung fördern. Hervorragende Böden aus Lehm und Kalk garantieren ferner die optimale Regulierung des Wasserhaushalts und machen Die endgültig zum hochwertigen Anbaugebiet für besonders frische und fruchtige Weine.

Diesen idealen natürlichen Bedingungen ist ebenfalls zu verdanken, dass immer wichtiger werdende Begriffe wie nachhaltige Entwicklung oder naturnaher Rebbau in Die keine Fremdwörter geblieben sind. Über 20 Prozent des Diois werden bereits heute zertifiziert biologisch bestellt. Doch auch die Zertifizierung HVE (Haute Valeur Environnementale, hoher Umweltnutzen) stösst auf grosses Interesse und findet mehr und mehr Anhänger unter den ortsansässigen Weinbauern. Die Winzer der Region engagieren sich ebenfalls nachhaltig und ganz konkret für den Schutz der Natur und die wiedererwachende Biodiversität. In gut besuchten Kursen lernen sie etwa, Hecken und Haine anzulegen und zu unterhalten. Sie werden dazu angehalten, regionalen Baumsorten und Sträuchern den Vorzug zu geben. Sie sind zu wahren Meistern im Zimmern von Brutkästen für Meisen und andere Vogelarten geworden, die sie an geeigneten Stellen anbringen und wie ihren Augapfel hüten, und sie sorgen tatkräftig dafür, dass wichtige Nützlinge wie Fledermäuse oder Florfliegen geeignete Unterschlüpfe finden. Die Natur dankt es ihnen und unterstützt sie fleissig im Kampf gegen Insekten und Milben. Auf rund 240 Hektar arbeiten die Weinbauern ferner aktiv am Schutz der natürlichen Ressource Grundwasser und wachen über dessen untadelige Qualität. Selbst Unkraut und Gras könnten im Vallée de la Drôme bald einmal auf natürliche Art getilgt (oder besser, vertilgt!) werden. Schon vor Jahrhunderten trieben Schafhirten ihre Herden durch die Rebzeilen, trugen so zu ihrem Unterhalt bei und versahen die Reben mit biologischem Dünger. Im Zuge der Modernisierung und Rationalisierung der Landwirtschaft geriet diese Praktik allerdings nach und nach in Vergessenheit. Nur mehr vier Winzer arbeiten aktuell mit Schafzüchtern zusammen. Doch bald werden es wieder mehr sein. Durchschnittlich jede zweite Rebzeile wird heute im Diois begrünt. Die Idee, diese nützlichen Grünflächen wieder mit Hilfe von Schafen zu bestellen, ist daher kein sentimentales Hirngespinst von ein paar Träumern, sondern ganz im Gegenteil eine tolle Alternative zu heutigen Methoden. Dies belegt eine sorgfältige Studie, die seit 2016 die Auswirkungen dieser Praktik auf das Wohlbefinden der Schafe und der Reben untersucht. Das Resultat ist ermutigend. Rund 30 Prozent der Rebberge des Diois könnten bald einmal so unterhalten werden. Benzin für Motormäher und chemische Unkrautvertilger kann gespart werden, und die Schafe finden gratis gutes natürliches Futter. Man merke: In Die ist nachhaltige Entwicklung keine leere Floskel, sondern gelebte Realität. 

Clairette de Die, prickelnd und erfrischend seit 2000 Jahren 

Diese einmalige Spezialität ist der eigentliche Stolz der ortsansässigen Winzer. Sie wird nach der «Méthode Dioise Ancestrale» aus kleinbeerigem Muscat gewonnen (mindestens 75 Prozent des Rebsatzes), ergänzt durch die Clairette-Traube, die für Finesse, Blumigkeit und Frische sorgt. Das Fabrikationsgeheimnis der «historischen Diois–Methode» besteht darin, die optimal reifen Trauben nach der Ernte sorgfältig zu pressen und im Tank bei tiefen Temperaturen durch die natürlich im Most vorkommenden Hefen angären zu lassen. Nach ein bis zwei Monaten wird der erst rund vier bis fünf Volumenprozent Alkohol aufweisende, immer noch zuckerhaltige Most auf die Flasche gezogen. Die Flaschen ruhen anschliessend mindestens vier Monate im Keller bei einer Temperatur von rund zwölf Grad. Der Wein vergärt in der Flasche weiter, entwickelt Kohlensäure und beginnt zu Schäumen. Die Gärung stoppt, wenn der Wein sieben bis neun Volumenprozent Alkohol erreicht. Die Clairette de Die ist somit ein auf besonders natürliche Art hergestelltes, traditionelles Produkt mit moderatem Alkoholgehalt, wie geschaffen für zeitgemässen Weinkonsum. Sie schmeckt jung und kühl genossen (sechs bis acht Grad) am besten und muss nicht weiter gelagert werden, ist fruchtig und erfrischend, passt immer und bei jeder Gelegenheit, ob zum Aperitif, zu salzigen Häppchen, zu Wurstwaren, zu sommerlichen Speisen wie Rohschinken mit Melone, aber auch zu orientalischen Spezialitäten. Die Clairette de Die ist ein echter Wein mit Genussgarantie. Die Variante Clairette de Die Brut wird ausschliesslich aus der Sorte Clairette hergestellt, vergärt doppelt und kommt trocken auf den Markt. 

Crémant de Die, perfekter Spiegel eines einmaligen Terroirs

Mit Crémant wird Wein aus Frankreich und Luxemburg bezeichnet, der ein zweites Mal in der Flasche gärt. Offiziell wird dieses Herstellungsprozedere «Méthode Traditionelle» geheissen. Ursprünglich ausschliesslich aus der Sorte Clairette hergestellt, ergänzen heute die beiden anderen hier angebauten Weissweinsorten Aligoté und Muscat die Assemblage. Der weisse Most des Crémant de Die (AOC seit 1993), aus von Hand gelesenen, sorgfältig gepressten, ganzen Trauben gärt ein erstes Mal im Tank voll durch. Er wird folglich trocken auf die Flasche gezogen, unter Beigabe von ausgesuchten Hefestämmen und Zucker, und fermentiert dann ein zweites Mal in der Flasche. Diese wird degorgiert, um das Hefedepot zu entfernen, und mit dem so genannten Liqueur d’Expédition aus Wein und Zucker aufgefüllt. Er kommt als Brut auf den Markt, mit einer Dosage von maximal 15 g Zucker pro Liter). Rund 30 Hektar dienen heute im Vallée de la Drôme zur Erzeugung dieser besonderen Spezialität.