Das Geheimnis des Prickelns von Champagner

30.10.2012 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Reims) - Gerard Liger-Belair liebt Bläschen. Und diese haben dem Franzosen einen der vermutlich besten Jobs verschafft, den sich ein Physiker vorstellen kann: In seinem Forschungslabor an der Universität von Reims geht der 41-Jährige dem Geheimnis des Prickelns von Champagner auf den Grund.

 

Was verschafft dem legendären Schaumwein aus der ostfranzösischen Region Champagne seinen funkelnden Glanz und das Prickeln, das er auf der Zunge verursacht? Wie kommen zehn Millionen kleine Bläschen in eine Champagnerflasche? Warum bilden sich ab und an Bläschen-Paare oder gar Gruppen?

Fest steht: Mit den Bläschen steht und fällt der Champagner. "Die Bläschen sind das Herz des Champagners", sagt Liger-Belair. Champagner wird in zwei Phasen hergestellt, wie der Physiker erläutert. Zuerst wird ein Wein gekeltert - und zwar aus Trauben, die aus dem ausgewiesenen Champagner-Anbaugebiet rund um die Stadt Reims stammen müssen. Ihm werden Hefe und etwas Zucker beigefügt. Anschließend werden die abgefüllten Flaschen mit dem Hals nach unten gelagert und täglich ein Mal um ihre eigene Achse gedreht, was die Gärung erleichtert. Dabei entsteht die Kohlensäure, die den Champagner perlen lässt.

Liger-Belairs Arbeit beginnt, wenn der Champagner fertig ist. Wie bilden sich die Bläschen, wie perlen sie nach oben, welche aromatischen Moleküle steigen aus jedem Glas in die Nase? Der Physiker zeigt Aufnahmen von einer Blase, die mit einer Hochgeschwindigkeitskamera gemacht wurden: Die Blase steigt an die Oberfläche, wo sie explodiert und einen kleinen Krater aufreißt. Wenn sich der Krater schließt, wird eine winzige Menge Flüssigkeit nach oben geschleudert, Aromastoffe spritzen in die Nase. Die Mini-Tröpfchen könnten "bis zu zehn Zentimeter fliegen", erläutert Liger-Belair.

Mit Hilfe eines hochauflösenden Spektrometers hat Liger-Belair zudem die chemischen Strukturen von Champagner-Proben untersucht. Dabei fand er heraus, dass das Prickeln von "spannungsaktiven Molekülen" verursacht wird, von denen viele das typische Aroma einer Champagnersorte enthalten. Die Champagner-Bläschen sprechen Kohlensäure-Rezeptoren auf der Zunge des Genießers an, die umgehend positive Signale an des Gehirn leiten.

Geklärt ist auch, warum von bestimmten Stellen eines Glases oft Fäden von Bläschen nach oben steigen: Dies passiert, wenn am Rand ein winziges Teilchen haftet, etwa eine Faser von einem Geschirrspültuch. Moleküle schließen sich dort zusammen und bilden Bläschen. Gläser, die frisch gewaschen und hitzegetrocknet aus dem Geschirrspüler kommen, können dagegen zu sauber sein - wodurch der Champagner enttäuschend wenig perlt. Manche Glashersteller ritzen eigens mit Laser kleine Punkte auf den Grund der Champagnerkelche, um so besonders hübsch perlende Bläschenreihen zu erzeugen.

Liger-Belairs Studien wurden vor allem in Fachzeitschriften für Physiker veröffentlicht. Aber auch Winzern kommen sie zugute. So haben die meisten Häuser in der Champagne den Zuckergehalt pro Liter, der traditionell bei 24 Gramm lag, auf bis zu 18 Gramm reduziert. Mit dem Zucker werde der Gehalt an CO2 reduziert, und dies wiederum lasse kleinere Bläschen entstehen. "Die meisten Leute bevorzugen einen besonders fein perlenden Schaumwein", sagt der Physiker.

Er selbst profitiert übrigens kaum vom Objekt seiner Untersuchungen. Wenn er mit einem Experiment fertig sei, sei der Perlwein zu warm und nicht mehr genießbar, sagt Liger-Belair. "Vermutlich hat weltweit niemand so viel Champagner in den Abfluss gegossen wie ich."