CHINA (Beijing)

Chinas langer Marsch zur gehobenen Weinkultur - Im Jahr des Feuerhahns

Von Arthur Wirtzfeld

  • Eine Weinindustrie gedeiht besonders gut in Zeiten, wo die Wirtschaft eines Landes blüht und somit ist die chinesische Weinindustrie ist auf Eroberungskurs. (© A. Wirtzfeld)
  • Die Lage von Chinas wichtigsten Weinregionen. Je dunkler die Landesteile, desto größer die Dichte der Bevölkerung. (© A. Wirtzfeld)

„Wir sind soweit, um mit ausländischen Top-Marken konkurrieren zu können“, behaupten  chinesische Weinproduzenten kurz vor Beginn des Jahres 2015, das dem Yang (Schaf, Ziege – ein Sternzeihcen für ein Jahr ohne große Höhen und Tiefen). War diese Aussage damals gewagt? Nun drei Jahre später im Jahr des Feuerhahns, ein äußerst feinfühliges chinesisches Sternzeichen und ein ausgesprochenes Zeichen für talentierte Kommunikation, sind gestiegene Qualitätsbestrebungen merkbar, aber noch ist man nicht soweit im Land der Mitte, wo man aus Sicht von 2015 heute eigentlich sein wollte.

Wir versuchen in einem Dossier hinter die Kulissen zu schauen. Beginnen wir mit dem Konsum: Im Jahr 2013 konsumierte der Verbraucher in China 1,86 Milliarden Flaschen Wein – diese Menge entspricht einer Steigerung von 136 Prozent gegenüber 2008. Heute hat der Konsum längst die Marke von zwei Milliarden Flaschen überschritten. Diese enorme Konsumsteigerung übt auch Druck auf die chinesischen Produzenten aus, die im lukrativen heimischen Markt mitwirken wollen. Noch in der letzten Dekade wurden die meisten der Weine aus dem Ausland importiert, darunter auch viele aus Frankreich, vor allem aus Bordeaux, aber die Verhältnisse habe sich heute längst umgekehrt.

Auf dem Weg zum Terroir

Die chinesischen Erzeuger haben ohne Frage in den letzten zehn Jahren an Know-How gewonnen, sich ausgiebig ausbilden oder auch beraten lassen. Seit 1980 in China der erste trockene Rotwein produziert wurde haben sich im Reich der Mitte fünf große Weinbaugebiete mit jeweils eigenem Charakter – in Europa würde man sagen mit eigner Handschrift – entwickelt. Die Pro­duzen­ten dort neigen mittlerweile zu der Überzeugung, dass ihre Weine genauso vielschichtig schmecken und eine ausgeprägte Per­sönlichkeit haben, wie internationale Marken. Außerdem sind die heimischen Erzeuger zuversichtlich, dass kurzfristig soweit sind - nicht nur den heimischen Markt - sondern auch ausländische Märkte bedienen zu können.

„Sie können heute einen Cabernet Sauvignon aus dem uigurisch autonomen Distrikt Xinjiang bestellen, der hervorragend zu einem Steak passt oder einen Chardonnay aus der autonomen Region Ningxia Hui, der Fischgerichte bestens begleitet“, erklärt Duan Changqing, Leiter des Research Center für Trauben und Wein an der chinesischen Universität für Landwirtschaft in Beijing.

Ein Blick zurück

Wein wird in China seit 138 vor Christus produziert. Damals kehrte der Forscher Zhang Qian von seinen Reisen aus dem Westen zurück und hatte das Wissen um die Techniken und notwendigen Fachkenntnisse im Gepäck. Aber erst in der Tang-Dynastie (618-907) nach Christus erreichte mit einem Boom der heimischen Wirtschaft auch der Weinbau einen ersten Höhepunkt, wie historische Dokumente belegen. Dies lag auch daran, dass der damalige Tang-Kaiser Li Shimin Wein besonders gerne genoss. Die Chroniken berichten, dass dem Kaiser die besondere Qualität der Trauben aus der Teilregion Turpan (Xinjiang-Gebiet) auffiel und er ließ sein Herrschaftsgebiet auf die heutige Region Xinjiang ausdehnen. Außerdem ließ er die Weinbereitung dokumentieren und kontrollieren, um eine gleichbleibende Qualität der Weine bei seinen Banketten zu leisten.

Andauernder Wirtschaftsaufschwung reißt die Weinindustrie mit

„Eine Weinindustrie gedeiht besonders gut in Zeiten, wo die Wirtschaft eines Landes blüht. Das können wir aus der Geschichte Chinas lesen, die diese These bestätigt“, sagt Duan Changqing. „Zurzeit werden Chinas Weine überwiegend im Inland verkauft und konsumiert. Aber ich vermute sehr stark, dass die chinesischen Weine in Zukunft auch das Ausland erobern werden – so wie es auch die chinesischen Speisen getan haben. Ich bin mir deswegen relativ sicher, weil die Qualitäten steigen und auch weil die Produzenten den differierenden Geschmack der Weine aus den verschiedenen Anbauzonen und Rebsorten schon sehr gut herausarbeiten können.“

Große chinesische Weinerzeuger haben längst erkannt, dass sich der heimische Kunde mittlerweile ein profundes Wissen über Wein angeeignet hat und in der Lage ist, einzigartige Eigenschaften der Weine von denen aus Massenproduktionen zu  unterscheiden. Dies zeigt sich auch am Trend zu heimischen Top-Weinen,  die in urbanen Zentren immer mehr Zuspruch erhalten. Und viele der eher kleineren Weingüter, die erst nach der Mitte der letzten Dekade gegründet wurden, haben damit begonnen, „große“ Weine zu erzeugen. „Diese kleinen aber auch ehrgeizigen Erzeuger sind der Schlüssel, der Motor und die Basis für die zukünftige chinesische Weinindustrie“, ist sich Duan Changqing ebenfalls sicher.

Agenda zur Zeichnung der Weinregionen, ihrer Lage im Land und ihrer besonderen Klimata:

1 – XINJIANG UYGUR (Autonome Region der Uriguren) 

KLIMA: Sehr trockene Region mit reichlich Sonnenschein. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist groß, was die Frucht der Trauben begünstigt. BODEN: Sandig. TRAUBEN: Cabernet Sauvignon (vorherrschend).

–> EMPFEHLUNG: Trockene Rot- und Weißweine. Die Rotweine ähneln im Geschmack denen aus Argentinien.
 
2 – BERGMASSIV HELAN (Provinz Ningxia Hui)

KLIMA: Die Region verzeichnet durchschnittlich 3000 Stunden Sonnenschein pro Jahr mit relativ geringen Niederschlägen. BODEN: Kies. TRAUBEN: Cabernet Gernischt, Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay und Riesling. FAKTEN: Vormals kleine Erzeuger entwickelten sich durch gezielte Förderung zu großen Gütern mit internationalen Standards in der Produktion. Die Weinindustrie ist mittlerweile eine wirtschaftliche Säule der Region Ningxia Hui.

–> EMPFEHLUNG: Die Weißweine der Region sind besser als die Roten. Auch hervorragende Schaumweine werden hier produziert.

3 – LÖSS-PLATEAU

KLIMA: Relativ trocken mit geringen Niederschlägen und reichlich Sonneneinstrahlung. BODEN: Sandiger Löss (Schluff). TRAUBEN: Cabernet Sauvignon (überwiegend). FAKTEN: Experten sagen, dass hier in guten Jahren die besten Weine Chinas produziert werden, die aber Zeit brauchen, um ihren Charakter voll auszubilden.

–> EMPFEHLUNG: Trockene Cabernet Sauvignons.

4 – CHANGLI (Provinz Hebei)

KLIMA: Östlich von Changli von der Bohai-Bucht und im Norden vom Bergmassiv Yan begrenzt ähnelt das Klima dem von Bordeaux. Die Trauben erreichen hier durch vorherrschende günstige klimatische Verhältnisse ihre volle Reife - gelesen wird spät in der Saison. BODEN: Sand und Kies. TRAUBEN: Cabernet Sauvignon und Merlot. FAKTEN: Weinbau wird hier seit mehr als 300 Jahren betrieben. Der erste trockene Wein Chinas wurde hier in den 1980er Jahren produziert.

–> EMPFEHLUNG: Trockene Cabernet Sauvignons.

5 – SHANDONG BANDAO (Halbinsel Provinz Shandong)

KLIMA: Der die Halbinsel Shandong umgebende Ozean (Gelbes Meer im Süden, Bohai-Bucht im Norden) sorgt für mittlere Temperaturen im Sommer. BODEN: Fruchtbare bräunliche Erde. TRAUBEN: Riesling, Ugni blanc (Trebbiano), Rkatsiteli (weiße Sorte aus Georgien) und die roten Sorten Cabernet Sauvignon und Carinena (Carignan). FAKTEN: Die Halbinsel ist die Geburtsstätte der modernen Weinindustrie Chinas.

–> EMPFEHLUNG: Trockene Weißweine: Größter Erzeuger ist die Changyu Wine Company, gegründet in 1892 in Yantai.