Eine zufällige Weinkarriere

Fiona Beeston

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 19. September 2018


FRANKREICH (Chinon) – Sie hat eine Leidenschaft und das ist Clos des Capucins und der Wein. Wenn Fiona Beeston zurückblickt, wird sie wehmütig. "Ich erinnere mich noch, als wenn es gestern gewesen wäre", beginnt Fiona ihre Weingeschichte. "Ich war Teenager und langweilte mich an einem Abend, an dem ich die Auswahl der Weine kritisierte, die mein Vater zum Abendessen mit Gästen servieren wollte. Damals lebten wir in Washington DC in den Vereinigten Staaten. Einer der Gäste, es war ein französischer Diplomat, hörte unseren Disput und meinte zu mir: Wissen Sie, Fräulein, wenn man Weine kritisiert, muss man wissen, was man tut." 

"Diese prägnante Aussage des Gastes war die Initialzündung für meinen Eintritt in eine Welt, die ich bis dahin nicht kannte. Ich verband die Weinwelt damals mit Bordeaux und Önologie, also einer zwar bekannten, mir aber fremden Weinregion und einem Berufsstand", sagt Fiona. "Also beschloss ich, ein Jahr lang die Weinbereitung zu studieren, um zu erfahren, wie Traubensaft in Wein umgewandelt wird und wie man die Qualität eines Weines beurteilt. Ich weiß noch genau, wie alles anfing. Ich begann als Hilfsarbeiterin, steckte in einem Overall und Stiefeln, während ich einen Stahltank von innen reinigte", erinnert sich Fiona und schmunzelt dabei.

Ein hin und her zwischen Weinberg und Weinhandel

Nach mehreren Praktika bei verschiedenen Winzern in Frankreich ging Fiona nach London und nahm einen Job bei einem Weinimporteur an. Während der Büroarbeit merkte sie aber, wie sehr ihr die Weinberge und die Keller fehlten. "Es war fast ein Entzug von der frischen Luft draußen in den Rebanlagen und den Gerüchen im Gärkeller", sagt Fiona. Also gab sie ihren Job in London wieder auf und suchte in Paris eine adäquate Stelle, die sie bei der renommierten Weinhandlung Legrand Filles et Fils, niedergelassen im 2. Arrondissement in der Galerie Vivienne, fand.

"Damals, in den frühen 1980er-Jahren, wollte Lucien Legrand und sein Team, zu dem ich ja nun auch gehörte, die Weine aus dem Süden Frankreichs fördern", erzählt Fiona. "Zu den Winzern, die wir promoten wollten, gehörte beispielsweise die Domaine de Trévallon aus Saint-Etienne du Grès. Deren Weine kosteten bei uns im Laden 14 Franc. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Zurückhaltung der Kunden in Paris – sie hatten Mühe, den Wein aus dem Süden zu verstehen, der in ihren Augen nichts anderes als mittelmäßig sein konnte. Auch geführte Verkostungen mit Kunden, wobei wir den Wein erklärten, halfen nichts. Die Konsumenten in Paris standen völlig unter dem Einfluss von Bordeaux."

Der Eigner der Weinhandlung, Lucien Legrand, wurde zum wichtigsten Lehrmeister für Fiona. Legrand war seiner Zeit weit voraus, offen für neue Weinbereitung und ungewöhnliche Experimente. So schlug er eine "non-dosée" für Champagner vor oder eine "non-chaptalisé" für den Beaujolais Nouveau. "Dies war unerhört zu der damaligen Zeit", sagt Fiona. "Dennoch traute sich Legrand, auch noch die Biodynamie zu fördern. Diese Art der Weinbereitung gab es schon vereinzelt an der Loire, ein Grund, warum Lucien die Weine aus diesem Anbaugebiet so sehr gefielen, was auch einen Teil meines Schicksals später ausmachen sollte, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht."

Die Autorin und Winzerin

Der umtriebigen Fiona reichte die Arbeit bei Legrand Filles et Fils jedenfalls nicht aus. Sie hatte mittlerweile viel über die Weinbereitung und Weinbewertung gelernt und überlegte zu publizieren. Mutig, und das entspricht ihrem Naturell, begann Fiona eine monatliche Weinkolumne in der Revue de Vin de France, die sich "Les carnets de Fiona" (Fionas Notizen) nannte. Parallel verfasste sie Artikel über Wein für Slow Food und schrieb ein Buch mit dem Titel "Mes Hommes du Vin" (Meine Männer des Weins), erschienen im französischen Verlag Editions Plon. "Das Buch war eine Hommage an all die Männer, eine Handvoll Verrückter, die eines gemeinsam hatten: Ihnen verdankte ich die Hinführung und letztlich meine Passion zum biologisch-dynamischen Weinbau", erklärt Fiona.

Dann kam unweigerlich die Zeit, in der Fiona entschied, Winzerin zu werden. Um noch mehr Kenntnisse zu erwerben, arbeitete sie noch drei Jahre bei mehreren Winzern, am längsten bei der Domaine Huet (in Vouvray an der Loire), bevor sie ihr Wunschprojekt umsetzte. Sie hatte sich schon einige Zeit umgesehen und konzentrierte sich schließlich, wie auch anders nicht zu erwarten, auf die Weinregion Loire. "Ich suchte einen kleinen Weinberg mit einem schönen Terroir und fand diesen in Chinon", erzählt Fiona. "Warum Chinon?" Fiona lächelt: "In mir schwang ein unvergleichlich schönes Gefühl, basierend auf einer Erinnerung an eine herrliche Vertikale von Weinen aus Chinon. Diese hatte Charles Joguet, der große Erneuerer der Weinberge an der Loire, zwischen den Jahren 1980 und 1990 vinifiziert."

Clos de Capucins erwacht aus dem Dornrösschenschlaf

Ihre Vorliebe für die Frische der Weine von der Loire, deren Sinnlichkeit und vor allem der Eleganz der Rotweine, waren ihr Fokus. Nach dreijähriger Suche wurde Fiona fündig. Im Jahr 2010 erwarb sie Clos des Capucins, einen nur 1,5 Hektar großen Weinberg, aufgeteilt in vier separate Parzellen. Die Lage wurde erstmals im Jahr 1604 von Mönchen für den Anbau von Reben kultiviert. "Die Kapuziner wussten schon damals, dass hier ein außergewöhnliches Terroir vorhanden war", sagt Fiona. Die Aussicht von hier, die exponierte Lage und die Böden sind exzellent. Die heutigen Reben, ausschließlich Cabernet Franc, sind zwischen 30 und 80 Jahre alt, und die Bewirtschaftung erfolgt seit 2011 nach den Prinzipien der Biodynamie. Zwei Jahre später erwarb sie eine zusätzliche Rebanlage, nur einige Hundert Meter vom Clos des Capucins entfernt. Dabei handelt es sich um einen weiteren Hektar, genannt wie die Gemarkung Chinon. Diese Parzelle bewirtschaftete vorher 20 Jahre lang Pascal Lambert, einer der besten Winzer der Appellation, auf rein organische Weise.

Im Jahr 2011 realisierte Fiona ihren ersten Jahrgang. Es war ein schönes Jahr, voller Wärme und damit besten Bedingungen. Seit 2014 sind Fionas Weine biologisch zertifiziert. Die Trauben werden ausschließlich per Hand gelesen und die Böden per "Cheval de labour" (mit Pferdepflug) auf traditionelle Weise bearbeitet. Die Erträge sind niedrig, die Ergebnisse erstaunlich.

"Ein Wein muss in erster Linie verdaut werden", sagt Fiona. "Das mag altmodisch klingen, aber es bedeutet einfach, dass ein Wein während der Mahlzeiten genussvoll zu trinken sein soll. Der Wein soll also nicht überextrahiert daherkommen und nicht mit zu hohem Alkoholgehalt den Genuss trüben." Trinkt man Fionas Weine, versteht man sofort, was sie meint. Ihre Weine sind weich mit feiner Mineralik, bereiten großes Trinkvergnügen und die besten Jahrgänge haben ein hohes Alterungspotenzial.

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