Cru Classé

Ist dir kalt, trinkst du mehr

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 4. Februar 2019


USA (Virginia) – Terroir, was auch immer das bedeuten mag, ist in aller Munde, x-fach kontrovers diskutiert und für manche sogar das Mass der Dinge. Es soll Weinliebhaber geben, die sich selbst als Terroir-Trinker bezeichnen. Nun, gewisse Weinlagen rund um den Globus, die Franzosen nennen sie Crus, haben ihre Vorteile und gebären ohne Frage herausragende Weine. Aber hier reden wir jetzt nicht über die Crus, die besonderen Weinlagen, sondern über Ihren persönlichen Habitus, liebe Leser. Wo wohnen Sie? In welche Cru Classé ordnen Sie sich ein? Befindet sich Ihre Cru im Süden Europas oder in den nördlichen Gefilden? Und wie viel Alkohol trinken Sie? Stopp. Keine Aufregung ob dieser intimen Fragen. Aber es könnte einen Bezug geben, wo Sie wohnen und wieviel Alkohol sie konsumieren! Sie glauben das Sie nicht?

Nun, die Abhängigkeit von Wohnort und Konsum von Alkohol wurde bisher noch nicht explizit untersucht. Aber jetzt hat ein multinationales Team von Forschern Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), weltweiter meteorlogischen Organisationen in Verbindung mit öffentlichen Daten diverser Institute eruiert und ausgewertet. Informationen aus 193 Ländern weltweit, aber insbesondere aller 50 Bundesstaaten und 3.144 Countries der USA lagen den Forschern vor. Aus allen Daten wurden Konsummuster und Konsumwerte bezüglich Alkoholika bezogen auf verschiedene klimatische Gebiete – gemessen am Konsum pro Kopf, dem Prozentsatz der dort lebenden Bevölkerung, die Häufigkeit des Trinkens und die dort herrschenden durchschnittlichen Sonnenstunden und Temperaturen in Zusammenhang gebracht und analysiert.

Die Frage

Die Forscher stellten sich der Frage: hat der Konsum von Alkohol einen Bezug zur Wohn- und Lebensumgebung des Konsumenten? Bekannt ist, dass Alkohol wärmt. Könnte dies ein Grund sein, dass in kühleren Regionen mehr Alkohol konsumiert wird? Nach dem Motto: Ist es draussen kalt, trinkst du mehr Alkohol. Jedenfalls ist medizinisch belegt, dass Alkohol vorübergehend als ein Vasodilator wirkt, also die Ausdehnung beziehungsweise die Erweiterung von Blutgefässen, letztlich die Vergrösserung ihres Lumens (Ausdehnung des Durchmessers von Gefässen), bewirkt. Dadurch wirkt die Wärme des Blutes auf grössere Flächen. Bei kalten Wetter durchaus 'erwärmend'.

Dieser biologischer Prozess wird noch unterstützt von der Tatsache, dass in der Winterzeit – jedenfalls bei uns in der nördlichen Hemisphäre – die Tage kürzer werden, es also länger dunkel ist und somit in Kombination mit Kälte und Dunkelheit die Aktivitäten in der Freizeit eingeschränkt sind. Dies kann dazu führen, dass sich Menschen überwiegend und länger in ihren Wohnungen und Häusern aufhalten und mehr trinken, so eine weitere Ausgangsvermutung der Forscher zur Studie. Eine weitere bereits erwiesene Tatsache ist, dass geringere Mengen an Sonnenlicht Depressionen beschleunigen kann, die den Einzelnen dazu bringen können, mehr Alkohol zu konsumieren.

Die Antwort

Liest man die Studie, die im US-Printmedium 'Hepatology der American Association for the Study of Liver Diseases' (ASSLD), wo solche wissenschaftliche Ergebnisse Verbreitung finden, jüngst vorgestellt wurde, dann muss man feststellen, dass sich die Forscher auf kalte und warme Zonen bezogen, aber nicht saisonale Unterschiede berücksichtigt haben. Ihre Feststellung, dass in kälteren Regionen mehr Alkohol konsumiert wird, wird in der Szene von Forschern kontrovers diskutiert. Denn, dass die Ergebnisse der Studie nicht vollständig seien und somit im besten Sinne nur eine Tendenz bestätigen würden, müssen sich die beteiligten Wissenschaftler der ersten Studie zu diesem Thema nun vorhalten lassen. Das Ergebnis bleibe vorerst noch spekulativ, so der Tenor der Kollegen.

Viele Faktoren spielen eine Rolle

Wie sind Ihre Trinkgewohnheiten?. Sind Sie ein saisonaler Konsument von Alkohol? Trinken Sie weniger oder mehr an kalten oder warmen Tagen? Der Studie zufolge müsste in der nördlichen Hemisphäre, beispielsweise wie in der Alpenregion, wo im Winter Schneemassen das Land bedecken wie auch generell in den kühleren nordischen Ländern, mehr Alkohol konsumiert werden. Diese These steht allerdings in der Summe  bezüglich Alkoholkonsum im Widerspruch zu bisherigen Erhebungen der WHO, die wiederum nicht den Pro-Kopf-Verbrauch berücksichtigen. Demnach werden Lettland und Finnland im weltweiten Vergleich des konsumierten Alkohols pro Land erst auf den Plätzen 15 und 16 gelistet, Schweden auf Platz 50, Norwegen auf Platz 65 und Island auf Platz 75. Angeführt wird die Liste von Weissrussland. Deutschland liegt auf Platz 23, die Schweiz belegt Platz 34 und Österreich Platz 36. 

Auf den letzten Plätzen von 193 Ländern befinden sich fast ausschliesslich Regionen mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Diese führen durch ihren Glauben den Verzicht auf Alkohol, mittels generellem Verbot des Konsums, auf den Koran zurück. Allerdings gibt es in der heiligen Schrift eindeutige Hinweise, die dem widersprechen. So heisst es beispielsweise in Sure 16, Vers 67: „Und wir geben euch von den Früchten der Palmen und der Weinstöcke, woraus ihr euch ein Rauschgetränk macht und einen schönen Lebensunterhalt. Darin liegt ein Zeichen für Leute, die Verstand haben.“

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