Pilz und Co. leiden

Schreckensjahr für den Bruder des Weins

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 19. August 2020


DEUTSCHLAND (Wiesbaden) – „Bier auf Wein, das lass’ sein, Wein auf Bier, das rat’ ich dir“. Es wäre müssig darüber zu streiten, welche Aussage jetzt richtig oder falsch oder ob beides richtig oder falsch wäre. Jedenfalls sind Bier und Wein zwei Geschwister, die jedes für sich ihre Fans vereinnahmen. Es soll aber auch Zeitgenossen geben, die beiden Getränken ihre Aufmerksamkeit schenken, wobei die alkoholfreien Varianten der Geschwister immer mehr von sich reden machen. 

Während die Weinszene die digitale Welt weit mehr entdeckt und besetzt hat, die Winzer mit ihren Online-Verkostungen sich mittlerweile unter das Netzvolk gemischt haben, tut sich die Bierbranche hier schwer. Sie leidet insbesondere an der nicht stattfindenden Biergarten-Tradition wie auch an den angestammten ausgefallenen Bierfesten, gerade jetzt im Sommer. Die Corona-Pandemie hat den Bierabsatz in Deutschland deutlich gedrückt: Die ansässigen Brauereien und Bierlager verkauften im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 4,3 Milliarden Liter alkoholhaltiges Bier und Biermischgetränke, das waren knapp 303 Millionen Liter oder 6,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, wie das Statistische Bundesamt jüngst mitteilte. Der Deutsche Brauer-Bund warnte vor Einschnitten auch nach Ende der pandemiebedingten Beschränkungen.

Nach Angaben des Statistikamtes in Wiesbaden sank der Inlandsabsatz im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um 5,9 Prozent auf etwa 3,5 Milliarden Liter. Demnach wurden knapp 760 Millionen Liter steuerfrei ins Ausland exportiert oder als Haustrunk an Brauereimitarbeiter ausgegeben, das waren 9,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019. Während der Export in Staaten außerhalb der EU nur um 0,1 Prozent auf 386,2 Millionen Liter sank, schrumpfte die in EU-Staaten verschickte Menge um 17,8 Prozent auf 366,8 Millionen Liter.

Schwere Zeiten für die Brauer

„Geschlossene Bars und Restaurants, abgesagte Feste und sonstige Großveranstaltungen sorgten besonders in den Monaten April (minus 17,3 Prozent) und Mai (minus 13,0 Prozent) für einen starken Rückgang beim Bierabsatz“, erklärten die Statistiker. Seit der Lockerung der Beschränkungen erhole sich der Markt wieder merklich, im Juni hätten die Brauer nur noch 1,9 Prozent weniger abgesetzt.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele, sah die Branche dennoch „in einem der schwierigsten Jahre ihrer Geschichte“, einzelne Betriebe hätten in den vergangenen Monaten Umsatzrückgänge von bis zu 90 Prozent verbucht, die nicht mehr auszugleichen seien. Eichele warnte ausserdem vor einem nachhaltigen Strukturwandel in der Gastronomie, der den deutschen Biermarkt verändern werde: „Viele Kneipen, Bars, Clubs und Restaurants werden aufgeben müssen. Viele Innenstädte werden leerer, weil sich auch das Ausgehverhalten der Menschen verändert.“

Anstoßen ohne Alkohol

Es gibt aber auch Erfreuliches für die Brauche: Die Produktion von alkoholfreiem Bier ist in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt ebenfalls mitteilte, wurden im Jahr 2019 insgesamt gut 4,2 Millionen Hektoliter alkoholfreies Bier produziert. Damit habe sich die zum Absatz bestimmte Produktionsmenge seit 2009 mit 97 Prozent fast verdoppelt. Auch zuletzt stieg die produzierte Menge: Im ersten Quartal 2020 wurden mit gut 947.000 Hektolitern acht Prozent mehr produziert als im Vorjahreszeitraum.

Im Jahr 2019 stellten den Angaben zufolge 75 Unternehmen in Deutschland alkoholfreies Bier her, also Bier mit maximal 0,5 Volumenprozent Alkohol. Insgesamt lag der Produktionswert des alkoholfreien Hopfengetränks bei 361 Millionen Euro, das war 164 Prozent mehr als im Jahr 2009.

Niedrigprozentiger als Bier, aber nicht gänzlich alkoholfrei sind Biermischgetränke wie Radler oder Cola-Bier. Zwar wurden hiervon laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2019 mit 4,3 Millionen Hektolitern etwas mehr produziert als vom alkoholfreien Bier, im Zehnjahresvergleich fällt der Anstieg mit einem Plus von gut 30 Prozent jedoch deutlicher geringer aus als beim alkoholfreien Bier.

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