100 Jahre J.J. Prüm: Ballett auf der Zunge

11.07.2011 - R.KNOLL

DEUTSHLAND (Wehlen / Bergisch-Gladbach) - Der Weingutsname mutet eigentlich uralt an. Fast nicht zu glauben, dass das Haus J. J. Prüm in diesem Jahr erst den 100. Geburtstag feiern konnte. Denn der Betrieb von Dr. Manfred und seiner Tochter Katharina Prüm (ebenfalls eine promovierte Juristin) hat Kultstatus und weltweit einen glänzenden Ruf für filigranen Riesling, der lebhaft auf der Zunge tanzt wie eine leichtgewichtige, perfekte Ballett-Elevin.

 

Gefeiert wurde im Hause Prüm allenfalls intern. Aber einmal musste die Familie ein Stück weit weg von der Mosel ran. Albert Kierdorf aus Reichshof, der wohl größte Händler mit Prüm-Weinen in Deutschland und zugleich ein großer Liebhaber dieser Gewächse, schaffte es, den eigentlich zurückhaltenden Manfred Prüm samt Frau Amei und Tochter Katharina wegzulotsen aus dem Heimatort Wehlen zu einem standesgemäßen Platz: ins Gourmet-Restaurant von Nils Henkel im Schloss Lerbach in Bergisch-Gladbach.

Dort hatten Henkel, der Nachfolger des großen Dieter Müller, und sein Sommelier Thomas Sommer lange überlegt, was zu den filigranen Moselanern aufzubieten war. Die Weine sollten schließlich im Vordergrund stehen. Das Menü musste sich anpassen, nicht umgekehrt. Serviert wurden den rund 70 Gästen schließlich kleine Kombinations-Kunstwerke mit Zutaten wie Räucheraal, Entenleberschnitte, Nordseekrabben, Steinbutt und Rehbock. Ein Weinduo (1983er Wehlener Sonnenuhr Goldkapsel Auslese und 1976er Sonnenuhr Beerenauslese) kam ohne Speisenbegleitung auf die Tische, als „Weindessert“.

Master Sommelier Frank Kämmer plauderte launig über die Geschichte der Familie, die ihren weinigen Ursprung schon länger vor 1911 hatte. Der Name Prüm selbst wurde erstmals im Jahr 1156 genannt, aber ob ein Zusammenhang mit der Familie besteht, ist nicht belegbar. Stammvater ist Sebastian Alois Prüm (1794-1871), der fünf unverheiratete Brüder und sechs Söhne hatte. Zwei Generationen lang blieb das Gut von den einst weit verbreiteten Erbteilungen verschont. Aber dann kam es 1911 ganz dick: Das Stammgut Prüm mit damals 17 Hektar wurde unter die sieben Kinder von Matthias Prüm (der einzige Sohn von Sebastian Alois, der sich vor den Traualter traute) aufgeteilt. Darunter war auch der Namensgeber des heutigen Gutes, Johann Josef Prüm (1873-1944). Weitere Erbteilungen sollten später folgen, so dass es heute eine Reihe von Gütern an der Mosel gibt, die entweder den Namen Prüm tragen (zum Beispiel S.A. Prüm Erben, Studert-Prüm, Christoffel-Prüm, Weins-Prüm) oder von den Ahnen abstammen, etwa das renommierte Weingut Dr. Loosen. Selbst zu den Weils im Rheingau gibt es verwandtschaftliche Beziehungen.

Johann Josef Prüms Sohn Sebastian Alois (der sich nach der Heirat mit Katharina Erz Prüm-Erz nannte) schaffte in den zwanziger und dreißiger Jahren trotz der damals schwierigen Rahmenbedingungen den Sprung nach vorn und erzielte bei den Auktionen des Großen Ring in Trier einen Versteigerungsrekord nach dem anderen. Für seine Verdienste um die Qualitätssteigerung wurde er 1967, anlässlich seines 65. Geburtstages, mit dem Titel „Ökonomierat“ ausgezeichnet. Zwei Jahre später verstarb er überraschend. Damit begann die Ära von Dr. Manfred Prüm, die bis heute währt und von Tochter Katharina nahtlos fortgesetzt wird.

Spannend bei der Probe in Bergisch-Gladbach war, dass sich die Prüms und Gastgeber Kierdorf nicht scheuten, auch Weine aus mittelmäßigen oder gar schwachen Jahrgängen zu servieren, etwa 1981 und 1987. Einige der Weine zeigten den für Prüm-Riesling typischen, fast unartig anmutenden Duft von der Spontangärung, der manche Verkoster irritiert, aber mit der Luft schnell verfliegt. Delikat waren sie alle, einige konnten als „groß“ eingestuft werden, etwa die 1995er Wehlener Sonnenuhr Auslese und die Sonnenuhr Auslese Goldkapsel aus 1983, die 2003er Sonnenuhr Auslese Goldkapsel, die mit ihrem Schliff und ihrer Mineralik vergessen ließ, dass in dem Jahrgang Hitze- und Trockenheitsrekorde gebrochen wurden. Nicht zu vergessen den fulminanten Eiswein des Jahrgangs 2002 aus dem Graacher Himmelreich, mit dem man sich dem Himmel näher fühlte.

Zweimal Korkdefekt am Tisch des Berichterstatters (einmal sehr diskret, einmal bei der zweiten Flasche der 83er Goldkapsel Auslese richtig brutal) machten deutlich, dass es Dinge im Leben gibt, die nicht mal vor solchen Weinen Respekt haben. Bemerkenswert war nach der letzten Probe, dass man sich richtig nüchtern und unbeschwert fühlte. Aber es waren allesamt fruchtige Weine mit deutlich weniger als 10 % Vol. Alkohol, die nicht benebeln, sondern munter machen.