Der unterschätzte Trollinger

09.07.2017 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Weinsberg) – Als vor Jahren einige Journalisten bei einem Test mit Trollinger mitmachten, bewerteten sie Württembergs Brot-und-Butter-Sorte mit lediglich 11 bis maximal 12 von 20 möglichen Punkten und erklärten das damit, dass so einfache Weine generell nicht mehr verdienen würden. Schließlich sei Trollinger auch kein richtiger Rotwein, sondern mehr ein rötlich eingefärbter Weißwein. Derartige Pauschalurteile sind bei keiner Rebsorte angebracht. Denn auch der Trollinger hat, wie sein weißes badisches Gegenstück Gutedel, eine große Bandbreite in Sachen Qualität. Sie reicht vom einfachen, schlichten Zechwein bis zum durchaus eleganten, vielschichtigen Rotwein und gelegentlich zum hochkarätigen Eiswein. Dazwischen gibt es noch die weiße oder hellrote Variante als Blanc de Noirs, Rosé und Weißherbst. Der Blanc de Noirs wird dabei vor allem in Jahren forciert, in denen durch Frostschäden (in Württemberg nicht eben selten) Weißwein von klassischen Sorten knapp wurde. 

 

Trollinger wird in Deutschland fast ausschließlich in Württemberg angebaut; nur in Rheinhessen und in Baden gibt es einige Winzer, die sich dieser Rebe widmen. Bedeutung hat die Sorte auch noch in Südtirol unter der Bezeichnung Vernatsch. Hier beherrschte sie einst große Teile des norditalienischen Anbaugebietes. Aber sie ist seit Jahren stark rückläufig, weil Südtirol verstärkt auf wertvolle klassische weiße und rote Sorten setzte. Der Flächenanteil ist auf aktuell 16 Prozent geschrumpft (840 Hektar). Vor zehn Jahren waren noch 1500 Hektar mit Vernatsch bestockt, früher einmal weit über 3000 Hektar. In Württemberg ist die Entwicklung längst nicht so dramatisch, sondern vergleichsweise stabil. Aktuell stehen 2221 Hektar unter Reben. Seit 2002 wird eine kontinuierliche Abnahme von einem Prozent verzeichnet. Bis der Trollinger also mal unter 2000 Hektar sinkt, dürfte noch reichlich Zeit vergehen. 

Die Sorte gehört eigentlich zur Gattung der Massenträger. Sie reift zwar spät (vergleichbar mit Riesling) und stellt hohe Ansprüche an die Lage. Aber wenn man sie wuchern lässt, kommen stattliche Erntemengen zustande. Zuletzt waren das 2016 im Schnitt 144,8 Hektoliter pro Hektar. Da man davon ausgehen kann, dass viele Weingärtner die Erträge drosselten und auch weniger als 100 hl/ha einbrachten, waren anderorts Mengen von annähernd 200 hl/ha oder sogar darüber drin. Zwar gibt es gesetzliche Ertragsbeschränkungen, aber diese beziehen sich auf den Betriebsschnitt.

Geschmacklich gibt es bei den Weinen keine eindeutige Präferenz. 37 Prozent werden nach den Zahlen der Qualitätsweinprüfung trocken abgefüllt. 41 Prozent entfallen auf halbtrocken bei abnehmender Tendenz zu Gunsten von lieblich (23 Prozent) – wobei man wissen muss, dass lieblich in Württemberg nicht „brutal süß“ bedeutet, sondern meist für Weine steht, die auch als „feinherb“ mit 20 bis 30 g/l Fruchtzucker durchgehen würden.

Die Frage stellt sich, ob mit dem Trollinger überhaupt bedeutende Weine möglich sind, die als gute Rotweine durchgehen können. Man kann sie getrost mit „ja“ beantworten. Trollinger ist auch eine unterschätzte Sorte. Weil sie meist jung getrunken wird, oft in einer unkomplizierten süffigen Cuvée mit Lemberger (genannt „TL“), wird ihr attestiert, sie könne nicht altern. Stimmt nicht. Vor einigen Jahren hatte der Schreiber dieser Zeilen viel Vergnügen mit einem zartfruchtigen 1971 aus der Zentralkellerei in Möglingen. Zuletzt wurde ein 1976er Vernatsch von alten Reben aus Girlan (Südtirol) entkorkt, der sich noch erstaunlich frisch präsentierte. Dem „Trolli“ (so die zärtliche Bezeichnung der Württemberger) traut man auch keine hohen Mostgewichte zu, wie ein Rätselspiel im Magazin „Württemberger“ deutlich machte. Die Leser wurden gefragt, was das bisherige Rekordmostgewicht beim Trollinger gewesen sei, verbunden mit dem Hinweis, dass das ein Eiswein gewesen sein konnte. Nur eine Minderheit tippte auf den Vorschlag „ca. 290 Grad Oechsle“ und lag damit richtig (die Schlosskellerei Affaltrach hatte 1973 einen Eiswein mit 292 Grad geerntet). 

Was der Trollinger kann, zeigte sich erst kürzlich wieder beim inzwischen 20. Trollinger-Wettbewerb, der vom Verein Württemberger Weingüter ausgerichtet wird und bei dem eine Fachjury mit Gastronomen, Medienvertretern und Weinbrüdern sowie sonstigen Experten die Bewertung übernimmt. Zum Jubiläum hatte man sich besonders angestrengt und konnte mit 120 Anstellungen ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreichen. In drei Kategorien wurde verkostet: Individuell, Original und Blanc de Noirs, Rosé, Weißherbst. Unter Original wird dabei ein typischer, saftiger Trollinger, aber weinrechtlich trocken, verstanden. Die Individualisten sind auf der Maische vergoren und im Holzfass ausgebaut. Bei den weißgekelterten und hellroten Weinen sind 18 g/l die zuckrige Obergrenze.

Auf Original entfielen die meisten Anstellungen (61). Hier sprangen die Winzer vom Weinsberger Tal, Willsbach, auf das Siegertreppchen. Die Plätze zwei und drei belegten die Weingärtner Stromberg-Zabergäu, Brackenheim und die Remstalkellerei, Weinstadt. In der Kategorie Blanc de Noirs und Co. (15 Weine) lagen die Weingärtner Stromberg-Zabergäu vorn; die ambitionierte Genossenschaft gewann damit außerdem noch einen Sonderpreis der Weinbruderschaft Baden-Württemberg für den besten Steillagenwein. Auf den Rängen folgten das Weingut Martin Notz, Hohenhaslach, und das Weingut Kuhnle aus Strümpfelbach. 

Am spannendsten ging es bei den Individualisten zu. Hier konnten in der Spitze einige Weine verkostet werden, die das oft unterschätzte Potenzial der Sorte deutlich machten. Sie präsentierten sich teilweise relativ dunkel und erinnerten geschmacklich fast an einen eleganten Spätburgunder oder Lemberger. Der Holzeinfluss war unverkennbar. Und die geschmackliche Fülle machte deutlich, dass hier bei der Erntemenge radikal reduziert wurde. Den nach Meinung der Juroren besten Wein stellte das VDP-Weingut Wachtstetter aus Pfaffenhofen. Es folgten die Weinmanufaktur Untertürkheim und das Weingut Zipf aus Löwenstein. Alle drei Weine entstammten dem Jahrgang 2015 und ließen erkennen, dass es von Vorteil ist, wenn man den Trollinger etwas reifen lässt. 

Gesamtanzahl angestellter Weine: 122
61 Trollinger Original
46 Trollinger Individualist
15 Trollinger blanc de noir/WH/Rosé

Ergebnis Trollinger Original:
1. Platz: Winzer vom Weinsberger Tal eG -Weinhaus Willsbach-
2016er Trollinger QbA trocken
2.Platz: Weingärtner Stromberg-Zabergäu
2016er Hohenhaslacher Kirchberg, Trollinger QbA trocken
3. Platz: Remstalkellerei eG
2014er Korber Kopf Trollinger QbA trocken "Alte Reben"

Ergebnis Trollinger Individualist:
1. Platz: Weingut Wachtstetter
2015er Paffenhofen Trollinger QbA trocken "Alte Reben"
2. Platz: Weinmanufaktur Untertürkheim eG
2015er Trollinger QbA trocken*** -Im Holzfass gereift- ,
3. Platz: Weingut Zipf
2015er Trollinger** QbA trocken -Steillage-

Ergebnis Trollinger WH/Rosé/blanc:
1. Platz: Weingärtner Stromberg-Zabergäu eG
2016er Kirchheimer Kirchberg, Trollinger Weißherbst QbA feinherb
2. Platz: Weingut Martin Notz
2016er Hohenhaslacher Kirchberg, Trollinger Rosé QbA fruchtig
3. Platz: Weingut Kuhnle
2016er Trollinger Weißherbst QbA

Bester Steillagenwein:
1. Platz: Weingärtner Stromberg-Zabergäu, Trollinger Weißherbst QbA feinherb