Gambero Rosso 2017

15.02.2017 - S.KRIMM

DEUTSCHLAND (München) – Der Gambero Rosso, nach wie vor die Referenz unter Italiens Weinführern, feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag. In München wurden Anfang Februar die von Marco Sabellico, Eleonora Guerini und Gianni Fabrizio mit ihrem Verkostungsteam aus 22000 Weinen von 2400 Winzern mit den berühmten 3 Gläsern ausgelesenen 429 Sieger der umfänglichen Verkostungen vorgestellt. Das Buch, das ihnen und den übrigen Bewerbern gewidmet ist, umfasst 984 Seiten. Ein Urlaubsbegleiter für die Jackentasche ist es also beim besten Willen nicht. Aber wofür gibt es schließlich Smartphones, selbst wenn bei Android ein Kommentar lautet: „Ricerche funzionano parzialmente. Non ancora perfetto ma ok“? (dt. "Die Recherche hat teilweise funktioniert. Immer noch nicht perfekt, aber okay")

 

Die Bemerkung hätte sich auch auf die diesjährige Präsentation auf der Praterinsel beziehen können. Sie überschnitt sich leider mit der für deutsche Weinfreunde nicht minder spannenden Vorstellung der Großen Gewächse von der Ahr, der Nahe, aus Rheinhessen und der Pfalz im Königshof und so musste mancher Weininteressierte harte Prioritäten setzen. Nicht ganz glücklich war auch die Platzierung einiger Regionen ins Kellergeschoss, wo man üblicherweise eher die Toiletten sucht. 

Die Weine aber konnten sich in der weit überwiegenden Mehrzahl sehen lassen, auch wenn etwa ein Italienkenner wie Jens Priewe ein paar Fragezeichen gesetzt und bemerkt hatte, „Es fällt mithin schwer zu glauben, dass bei der Auswahl nur degustatorische Kriterien eine Rolle gespielt haben. Der Gambero Rosso lebt, wie andere Publikationen auch, von Werbung in seinen Publikationsorganen, auch von der Teilnahme der Weingüter an Weinpräsentationen in Amerika, Asien und Deutschland, die der Gambero Rosso organisiert – gegen Bezahlung selbstverständlich.“ Ergänzen darf man auch, dass der 1,2 kg schwere Führer naturgemäß ein großes Schiff ist, das sich mit der Wahrnehmung neuerer Entwicklungen nicht immer leicht tut. 

So dominieren nach wie vor das Piemont (75 Weine) und die Toskana (80 Weine) die Auswahl, Venetien wies 38, Südtirol 27 Preisträger auf, Friaul/Julisch Venetien 25. Nur Kampanien und Sizilien konnten mit 22 (2016: 21, 2015: 20) und 21 (2016: 19, 2015: 20) etwas zulegen. Apulien blieb mit 20 Weinen auf dem Stand von 2015. Kalabrien, wo sich eine ganze Menge tut, lag wie im Vorjahr bei 3 Weinen, denen man die Krone zuerkannte.

Erstaunlich war, dass Angelo Gaja nur mit seinem Barbaresco Costa Russi 2013 vertreten war und Aldo Conterno ganz fehlte. Aber er teilt dieses Schicksal mit Felsina, Querciabella und Fontodi in der Toskana, um nur ein paar auffällige Lücken zu benennen, und so konnte man schon das eine oder andere Fragezeichen setzen. Unbestritten aber bleibt die herausragende Bedeutung des Gambero Rosso für den Erfolg der italienischen Weine im Ausland, eine Erfolgsgeschichte mit 500 Prozent Zuwachs in den 30 Jahren des Erscheinens. Natürlich geht so etwas nicht auf eine einzige Publikation zurück, aber die Übersetzungen des dicken Buchs ins Englische, Chinesische und Japanische sprechen ebenso eine klare Sprache wie die Fortsetzung der Präsentationstour in Chicago, Los Angeles, San Francisco, London und Toronto. Was das für die Erzeuger bedeutet, kann man sich vorstellen!

Natürlich wird man bei so umfänglichen Präsentationen von aufmerksamen Mitbesuchern immer auch gefragt, ob man vielleicht auf einen „Geheimtipp“ gestoßen sei. Damit kann ich tatsächlich dienen und der Wein kam nicht aus dem Piemont, der Toskana oder aus Venetien, sondern aus Sizilien. Es ist der 2015 Assuli, Lorlando, IGT Terre Siciliane. Das ist ein sehr dunkler, mit 13,5 % Alkohol nicht zu schwerer Nero d’Avola aus Mazara del Vallo im Nordwesten Siziliens, gut 20 km südlich von Marsala mit seinen etwas aus der Mode gekommenen, oft aufgespriteten Süßweinen. 

Die niedrigen Erträge des Lorlando liegen bei 30-35 hl/ha, der Ausbau erfolgt im Stahltank und außer dem mehrfachen Umpumpen des Mosts beschränkt man sich im Keller auf das Nötigste. Von Bitterschokolade und Vanille bleibt man hier unbehelligt. Der Wein, der von Roberto Caruso und seiner Familie auf mit Rollkieseln bedeckten, stark an Châteauneuf-du-Pape erinnernden Böden gewonnen wird, besticht durch eindrucksvolle Aromen von Waldbeeren, reifen Schwarzkirschen und Pflaumen, unterlegt mit einer Spur Waldboden. Am Gaumen zeigt sich eine kraftvoll-elegante Frucht mit feiner Stoffigkeit, schönem Schliff, nicht zu kantigen Tanninen, sehr langem Nachhall und einem soliden Entwicklungspotential von 6-8 Jahren. 

Der harmonische, eigenständige und trotz der vielen Sonne absolut nicht südlich „gekochte“ Wein kostet auf dem Gut selbst 13,90 Euro. Die Riserva wird bei etwa 19,50 Euro liegen. Die früheren Traubenbauern füllen erst seit 10 Jahren selbst ab, das erklärt vielleicht auch, dass der junge Mann mit dem klangvollen Namen noch keinen deutschen Importeur hat.