Überraschend kombiniert

Sirloin-Steak und Sake

Text: Eva Maria Dülligen, Foto: Martin Hemmi

Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von Wein und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen in dieser Serie vor. Zu gegrilltem Sirloin-Steak serviert Eva Maria Dülligen einen Sake de luxe.

 

Statt eines Glases Château Pétrus ein Shouju-Sennensui gefällig? Sake-Hersteller Yoshiyasu Sudo jedenfalls stellt sein Edelgebräu auf eine Stufe mit Bordelaiser Spitzengewächsen. Als er seine unfiltrierten Reisweine vor einigen Jahren in einem Düsseldorfer Hotel präsentierte, nahm er ganz gelassen Begriffe wie Grand Cru und Terroir für seine Produkte in Anspruch. Kein Grössenwahn: In Japan gibt es eine sogenannte Ginjo-Klassifizierung, die klare Grenzen zwischen Premiumqualitäten und weniger hochwertigen Sake zieht. Sakemeister wie Herr Sudo erfüllen alle Kriterien für die Reiswein-Champions-League. In dem 800 Jahre alten Familienbetrieb in Ibaraki lässt er mit Hilfe des aufwändig gezüchteten Reispilzes Koji reines Wasser und polierten Reis ohne Zugabe von Zucker und Alkohol zum Fermenttrunk reifen. Herauskommen Tropfen mit Anklängen von Litschi bis Safranpfirsich.

Beim damaligen menübegleitenden Tasting sorgte aber zunächst der Yukinomai, zu Deutsch «Schneeflockentanz», als Aperitif für Begeisterung. Mit Aprikosenaroma und subtiler Kohlensäure erinnert er an einen Rieslingsekt. Zum nächsten Sake, dem in Zedernholzfässern ausgebauten Tara-nama-Gensh, kam gebratene Kalbsleber mit glacierten Apfelringen aufs Porzellan. Anstelle von Tempura, in hauchdünnem Teig frittiertem Gemüse, und Meeresfrüchten oder shabu-shabu (japanisches Feuertopfgericht) also ein europäischer Küchenklassiker zum Premium-Sake? Die Aromenvermählung war mehr als stimmig. Selbst jene Verkostungsteilnehmer, die ganz profan Sushi oder Misosüppchen als Reisweinbegleitung erwartet hatten, zeigten sich beeindruckt. Alle Sake wurden übrigens in Weingläsern, nicht in traditionellen Tontassen serviert. Dass sich die unerhitzten Reisweine dadurch unverfälschter an die Gaumen schmiegten, war schnell ausgemacht.

Der japanische Nationaltrunk bietet Kombinationen mit Speisen immer grösseren Spielraum. Vorausgesetzt, er basiert auf hochwertigem Wasser, extrem herunterpoliertem Spitzenreis und Spezialhefen. Dann harmonisiert er Speisearomen, schwächt ihre Salzigkeit und bündelt flüchtige Geschmacksstoffe. Nach dem Schlüsselerlebnis mit Meister Sudos gebrauten «Grands Crus» war ich kürzlich Gast eines japanischen Restaurants in London: nipponesische Hochküche, Weine vom Mosel-Riesling bis zu den besten Pinots aus dem Burgund. Dann trat der Sommelier auf den Plan. Der Renner hier sei Wagyu-Filet zu Tempranillo, aber es ginge auch spannender. Wenig später standen ein Daiginjo Sake und ein kross gegrilltes Sirloin-Steak auf dem Leinentuch. Die dunkelrosa gegarte Delikatesse trug den Namen «Tränen des Tigers». Ihre Grillstreifen symbolisierten die Musterung der Grosskatze, der umrahmende Wasserspinat den Dschungel und der Sake hatte sich wie ein aromatischer Regen über den kulinarischen Tropenwald verteilt.

Versuchen Sie’s!

Die Speise

Ausgeprägte Saftigkeit und Geschmacksintensität zieht das magere Roastbeef-Stück aus seinem Knochen. In guten Metzgereien wird das Sirloin-Steak zwischen vier und sechs Zentimeter dick geschnitten und wiegt zwischen 1000 und 2000 Gramm. Will man die appetitlichen Grillstreifen perfekt auf das französische Rindfleisch zaubern, sollte man eine Seite mit einer scharfen Messerklinge schräg in gleichen Abständen anritzen. Damit der Fleischsaft erhalten bleibt, empfiehlt es sich, das Steak über Nacht zu marinieren. Für die Garpräferenz (von rare bis well done) ist ein Grillthermometer zweckmässig. Mit rosafarbenem Kern schmeckt das edle Steak am besten.

Der Sake

Eine japanische Gottheit soll sich im Sake-Rausch tüchtig daneben benommen haben und wurde des Himmels verwiesen. Angeblich vermeiden viele Japaner deshalb übermässigen Sake-Konsum. Kenner bevorzugen ohnehin kleine Mengen von Premiumkategorien wie Junmai Daiginjo oder Ginjo. Die zeichnen sich durch Produktionsfaktoren wie weiches, reines Wasser oder hohen Poliergrad des Reises (bis zu 70 Prozent) aus. Regionale Unterschiede der rund 1500 Sake-Brauereien gehen vom Norden der Insel, wo ein filigraner Stil vorherrscht, bis zum Süden mit kräftigerem Geschmacksprofil. Auf den authentischen Kern des Reisweins stösst man, wenn er leicht gekühlt aus einem Weinglas getrunken wird.

Die Mariage

Um eine Brücke vom Steak zum Sake zuschlagen, müssen gemeinsame Aromennenner her. Die Köche des Londoner «Sake No Hana» nahmen die Kurve mit Soja und Dashi, einem Sud aus Bonitoflocken und Seetang, worin sie das Steak zuvor gebeizt hatten. Soja und Dashi enthalten Umami-Aspekte, die Nuancen von Süsse, Bitterkeit, Säure und Salzigkeit umfassen. So entsteht eine Verbindung zwischen mariniertem Fleisch und Sake, der auch Umami-Noten hat. Allerdings unterdrückte die Marinade nicht den feinen Fleischgeschmack. Stattdessen spielte sie gekonnt mit den Anklängen von Birne und Meersalz im Daiginjo Shizukuzake. Das kross gegrillte Steak gewann subtile Süsse, der animalische Saft des Steaks wurde durch den Sake leicht gesalzen.