Kochen und Essen zu Weinen aus dem Südtirol

Trinken, kochen, essen: Graukäse, Speck, Schüttelbrot…und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann / Fotos: StockFood / Gräfe & Unzer Verlag / Mathias Neubauer

Als Sankt Magdalener gilt er als füllig, vom Kalterersee als eher weich, aus Meran im Norden als würzig. Dass es den hellen, gefälligen Typ überhaupt noch gibt, ist einer Rückbesinnung auf seine eigentlichen Stärken zu verdanken – und seiner Trinkigkeit zum Essen!

Räter, Römer, Bajuwaren, Tiroler, Habsburger, Italiener, Touristen: Dieser Landstrich hat immer wieder neue Einflüsse erlebt, viele ferne Höfe und Klöster mit Wein versorgt und dabei an den vielerorts steilen Hängen ums eigene Wohlergehen gerungen. Es leuchtet ein, dass der frosttolerante und wuchskräftige Vernatsch sich hier bereits seit dem frühen Mittelalter grosser Beliebtheit erfreut. Der grosszügige Ertrag ging mit alkoholischer Leichtigkeit einher, für Anfang des 20. Jahrhunderts ist «Tischwein » mit neun bis zehn und sogenannter «Spezial» mit zehn bis elf Volumenprozent Alkohol dokumentiert. Noch bis in die 1990er waren selbst zwölf Prozent natürlicher Alkohol schwer zu erreichen. Mit der dann einsetzenden Mode von dunklen, kraftvollen Rotweine geriet der Vernatsch ins Hintertreffen, inzwischen ist das einst rote Südtirol zu zwei Dritteln der Anbaufläche längst ein weisses. Heute findet, nicht zuletzt durch den Einfluss der Naturweinbewegung, eine Rückbesinnung statt, wird vermeintliche Schwäche wieder zum Vorteil: Der dezent florale Duft, die feinherbe Kirsch- und Himbeerfrucht, die leisen Anklänge von Hagebutte, Granatapfel und Bittermandel, das alles harmoniert wunderbar mit der bodenständigen Küche dieser Alpentäler.

«Eine Zeit lang waren alle auf die internationalen Sorten fokussiert, doch inzwischen verstehen die Önologen, dass der Vernatsch denselben Aufwand verdient.»

Michael Graf Goëss-Enzenberg, Weingut Manincor in Kaltern am See

Einst als Cucina povera zu bezeichnen, bei der einfache Zutaten mit Kreativität und Sorgfalt zu schmackhaften Gerichten verarbeitet werden, ist sie heute so beliebt, dass einer der Hauptprotagonisten, der Südtiroler Speck (eigentlich ein gesalzener und leicht geräucherter Schinken aus der Schweinekeule) seit den 1980er Jahren grösstenteils importiertem Fleisch geschuldet ist. Wirklich gute Qualität ist beim Speck daher ebenso gesucht wie beim Schüttelbrot, den auch über lange Wintermonate und in abgelegenen Tälern haltbaren Brotfladen aus Roggenmehl, denen Kümmel, Fenchel und Schabziger Aroma verleihen. Vervollständigt wird die Dreieinigkeit der Südtiroler Cucina povera vom Graukäse, dem Urkäse der Tiroler Alpen. Dort waren die Senner für die Versorgung der reichen Städte ausgesprochen lange primär zur Herstellung von Butter angehalten; ihnen selbst blieb nur die saure, entrahmte Milch, die sie als quarkig bröckelnden, duft-intensiv reifenden Käse haltbar machten. Besonders im Norden Südtirols, im Ahrntal, erfährt dieser gegenwärtig ein Revival, führt (durchaus gewöhnungsbedürftig!) zurück zu spannenden kulturellen Wurzeln – und erinnert ebenso wie der Vernatsch daran, wie wichtig und belebend Säure und Leichtigkeit sind.

Geschichte zur (Wein-)Region: Pergeln – pro und contra

Als sich der Südtiroler Wein ab Anfang der 1990er Jahre modernisierte, galt die Erziehung an Pergeln als Altlast früheren Strebens nach Masse statt Klasse. Auf etwa zwei Meter Höhe bilden Rebtriebe dabei zwischen Stützpfählen ein geschlossenes Laubdach, die meisten Arbeiten lassen sich nicht mechanisieren, und die Trauben hängen wenig durchlüftet im Schatten. Genau Letzteres wird nun im Zuge der Klimaerwärmung allerdings wieder zum Vorteil, und nicht nur in Südtirol erlebt diese Erziehungsform gegenwärtig ein Comeback.



Klassische Mariage: Bauerngröstl

Ein einfaches, schnelles Pfannengericht, für das gekochtes Rindfleisch in dünnen Streifen mit Zwiebeln und gekochten Kartoffelscheiben in Öl angebraten wird.

Mit Salz, Pfeffer und Majoran würzen, mit etwas Butter verfeinern, mit einer Kelle Fleischbrühe durchschwenken – fertig. Ein klassischer Sankt Magdalener aus dem Süden der Region ist dazu ein perfekter Begleiter: ebenso unprätentiös wie zugänglich, zugleich erfrischend und würzig; der für diese geschützte Bezeichnung zugelassene Anteil von maximal 15 Prozent Lagrein sorgt für Rückgrat.

Der Südtiroler Vernatsch dazu Sankt Magdalener

Sankt Magdalener schmeckt dazu erfrischend und würzig. Seine Fülle fängt mühelos Öl und Butter auf, die Fruchtaromen freuen sich über Kräuter sowie Röstaromen und eine Spur Pfeffer. Zugleich «verschlankt» das Gröstl den Wein und macht ihn leichter. Der Lagrein sorgt für genau das richtige Mass an Tannin.

Neue Mariage: Shakshuka

Ursprünglich aus Nordafrika und dem östlichen Mittelmeer stammend, ist dieses Brunchgericht heute in den Metropolen der Welt zuhause.

In einer Tomatensauce mit Zwiebeln, Knoblauch und Paprika bekommen pochierte Eier durch Chili einen richtigen Kick, gewürzt wird mit Kreuzkümmel, serviert mit Petersilie und Fladenbrot. Gereifter Vernatsch von den Hängen des Mitterbergs, oberhalb des Kalterersees, setzt Säure und Schärfe mineralische Kernigkeit entgegen, trägt die Cremigkeit der Eier mit herbem Tannin und umarmt duftig die Petersilie.

Der Südtiroler Vernatsch dazu Vernatsch vom Mitterberg

Gereifter Vernatsch vom Mitterberg, oberhalb von Kaltern, fängt alle Facetten dieses von Tomaten und Chili bestimmten Eiergerichts auf. Seine gereifte Ruhe macht ihn chilitauglich, während Tannin als ausgleichendes Gegenüber der Eierfülle agiert. Kreuzkümmel und beerige Frucht vollenden das Pairing.

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