Weine aus ungewohnten Gefilden

Thailand lässt grüssen

Text: Romain Batya, Fotos: shutterstock / Sheva07, getty images: yupiyan / Nikada / Leontura, Romain Batya

  • Minischwertfische auf dem Fischmarkt.
  • Idyllisches Postkartenmotiv: der Bahnhof von Hua Hin.
  • Der junge Kellermeister Suppached Sasomsin; links: Archie Gracie, 
Direktor der Monsoon Valley Winery.
  • Die Weissweinsorte Chenin Blanc gedeiht gut am Golf von Thailand.

Thailand ist seit vielen Jahren ein beliebtes Reiseziel. Seit geraumer Zeit ist das Land auch zu einer Destination für Weinfreunde geworden. Denn nirgendwo anders in Südostasien gibt es dermassen begnadete Winzer, die es geschafft haben, frische Weissweine und ausdrucksvolle Rotweine zu keltern, die dem internationalen Vergleich standhalten.

Für fast alle Thailand-Reisenden führt kein Weg vorbei am internationalen Flughafen Suvarnabhumi Airport von Bangkok. Die Pass- und Zollkontrollen gehen reibungslos und schneller voran, als man es sich vorstellen kann. Für ausländische Besucher ist der erste Eindruck nach einem mehr als zehnstündigen Flug bereits förderlich.

Nicht mit dem Taxi oder dem Bus, sondern ganz entspannt mit der Hochbahn gelangt man ins Zentrum der Metropole Siams, die mittlerweile um die neun Millionen Einwohner umfasst. Skytrain nennt sich die Hochbahn, die hier als das bequemste Massentransportsystem gilt. Insgesamt knapp 60 Kilometer sind die Strecken lang, die Linie vom Stadtzentrum bis zum internationalen Flughafen inbegriffen. Bangkoks Skytrain ist voll klimatisiert, die Züge ähneln denen der Bangkok-Metro, sind aber viel sauberer. Das Netz läuft getrennt von dem der unterirdischen Metro und ist extrem verlässlich.

Auch auf die hohe Luftfeuchtigkeit und die schwüle Hitze ist Verlass, spätestens wenn man die Komfortblase des optimal klimatisierten Zugs verlässt. Unser Hotel liegt im Distrikt Bang Rak, einem belebten Einkaufs- und Unterhaltungsviertel direkt an den Ufern des Chao Phraya, Thailands heiligstem Fluss. Wer Bücher von Schriftstellern wie Rudyard Kipling oder Joseph Conrad kennt, sollte in eins der Hotels im Kolonialstil einchecken. Wir entscheiden uns für das «Mandarin Oriental», ein Ort mit faszinierender Geschichte und preisgekrönten Restaurants.

Weinbau seit den 1990er Jahren

Tags darauf geht es in nördlicher Richtung über Wang Saphung nach Loei, dort, wo die Geschichte des Weinanbaus in Thailand seinen Anfang nahm. Mitte der 1990er Jahre gründete Dr. Chaijugh Karnasuta dort das Château de Loei, dessen 90 Hektar Weingärten im Phu-Rua-Hochland damals erstaunliche Weissweine aus Chenin und fruchtige Rotweine auf Basis von Syrah hervorbrachten. Heute ist es ruhig um das Weingut von Dr. Karnasuta geworden, und auf einer Weintour durch Thailand ist unsere erste Etappe daher das Asoke Valley im Distrikt Amphoe Pak Chong, in direkter Nähe des Khao-Yai-Nationalparks. Mit dem Taxi brauchen wir dafür ab Bangkok drei Stunden. Der Khao Yai ist Thailands 
ältester Nationalpark, und wer nebenbei sehen möchte, wie tropischer Urwald aussieht, sollte nicht zögern.

Hier im Gebiet von Nakhon Ratchasima liegen auf einem Hochplateau mit der Village Farm Winery, dem Weingut PB Valley und dem GranMonte Estate drei Weingüter in erreichbarer Nähe zueinander. Village Farm erinnert an eine Tenuta im italienischen Chianti Classico, von der Landschaft her und von der Mentalität seines Besitzers, des Industriellen Viravat Cholvanich, der auf dem 80 Hektar umfassenden Landgut mit seiner Village-Cellar-Linie einen recht spritzigen Chenin Blanc mit Noten von Zitrusfrucht und grüner Ananas sowie 
einen fruchtigen Roten mit dezenter Süsse, zusammengestellt aus 85 Prozent Syrah und 15  Prozent Cabernet Sauvignon, keltert.

Unser Augenmerk gilt den Château-des-Brumes-Rotweinen. Sie haben verheissungsvolle Namen wie La Fleur, Le Prestige oder nur Château des Brumes – allesamt Cuvées aus Syrah mit einem mehr oder weniger hohen Anteil an Cabernet Sauvignon. Die Bezeichnung Château des Brumes ist eine Anspielung auf die Morgennebel der Asoke Valley. Im Stil gehen diese Weine indes nicht in Richtung Chianti, sie ähneln vielmehr den Crus Bourgeois aus Saint-Émilion, wenn auch mit weniger Tiefe und einem kürzeren Nachhall.

Spitzenweine dank moderner Kellertechnik

Das Weingut GranMonte allein ist eine Reise wert, hier gibt es mit dem Restaurant «VinCotto» und dem Casa Sakuna Guesthouse auch Möglichkeiten, die Nacht über vor Ort zu verweilen. Interessant ist bei GranMonte der Rebsortenspiegel aus Chenin Blanc, Syrah, Viognier, Tempranillo und Cabernet Sauvignon. GranMonte gehört dem Ehepaar Visooth und Sakuna Lohitnavy, die Weingärten wurden seit 1999 auf den roten Böden einer ehemaligen Cashewnuss-Plantage gepflanzt. Ein neuer Keller folgte 2009. Auf dem Weingut werden auch Weissweine wie der recht frische Sole oder der mit einem schlichten Etikett versehene Spring aus Chenin Blanc gekeltert, und mit dem Sakuna ist Kellermeisterin Nikki, der Tochter des Hauses, ein fruchtbetonter Rosé aus hundert Prozent Syrah gelungen, der zur scharfen Landesküche passt. Auf internationaler Ebene gilt die rote Cuvée aus Cabernet Sauvignon und Syrah aber als der Spitzenwein von GranMonte. Kellermeisterin Nikki hat übrigens in Deutschland studiert und an Rhein und Mosel ihre Liebe zum Wein entdeckt.

Auf die hohe Luftfeuchtigkeit und die schwüle Hitze ist Verlass, spätestens wenn man die Komfortblase des optimal klimatisierten Zugs verlässt.

Nur einen Steinwurf von GranMonte entfernt liegt der Weinkeller von PB Valley, den man nach kurzer Fahrt durch eine reizvolle Gegend einfach findet, die Strecke ist ausgeschildert. Die 800-Hektar-Domäne umfasst mehr als 200 Hektar Rebfläche, die moderne Kellertechnik stammt aus Europa. Besitzer Piya Bhirombhakdi hält das Weingut auf dem neuesten Stand. An Mitteln fehlt es nicht, seiner Familie gehören die Singha-Brauereien in Thailand. Wer sich die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörenden Tempelanlagen von Sukhothai auf die Must-do-Liste gesetzt hat, kann nach dem Sightseeing etwas westlicher im Distrikt Dongcharoen der Provinz Pichit einen Abstecher zum Weingut Shala One machen. Bongkoatrat, die Tochter des Besitzers Sanan Kajornprasart, ist eine ehrgeizige Geschäftsfrau. Zusammen mit ihrem thailändischen Kellermeister baut sie den alkoholkräftigen und dennoch geschmeidigen Shiraz Shala One aus, der aber nur dem Namen und Etikett nach an eine bekannte Grösse in Sachen Wein-Joint-Venture erinnert.

Weinreise mit neuen Erkenntnissen

Über Ayutthaya, die einstige Metropole Siams, umrahmt von drei Flüssen und somit über Jahrhunderte strategisch bedeutsam und wo zwischen 1350 und 1767 33 Könige residierten, gelangen wir erneut in das Flussdelta des Chao Praya, der in den Golf von Thailand mündet. Um die wichtigste Kellerei unserer Weinreise zu erreichen, nehmen wir ab Bangkok einen der beliebten Mini-Busse Richtung Süden. Als Zwischenetappe, bevor wir Hua Hin, einstige Sommerfrische der Monarchie und die von den Einwohnern Bangkoks als beliebtes Wochenendziel neu entdeckte Stadt am Meer, sowie die im nahen Hügelland gelegenen, einzigen Weingärten Südthailands erreichen, raten wir zu einem Besuch der Siam Winery in Samut Sakorn. Unter der Obhut von Suppached Sasomsin, einem jungen thailändischen Kellermeister, werden in der Zentrale des grössten Weinguts Südostasiens auch die Trauben aus den hauseigenen Hua-Hin-Hills-Weingärten gekeltert und ausgereift.

«Je nach Sorte und Qualitätsstufe bauen wir die Weine im Stahltank, in Barriques aus französischer Eiche oder in grossen Fuderfässern aus. Verschiedene Rotweine reifen bis zu 18 Monate im Holz», sagt der dynamische Kellermeister, der in Angers und in Valencia ausgebildet wurde und seit 2013 im Betrieb tätig ist.Frisch und teilweise von erstaunlicher Qualität waren die Fassproben des Viognier und des Shiraz. Beiden Rotweine, die später den Löwenanteil an der Cuvée de Siam, dem Flaggschiff der Monsoon Valley Weinpalette, ausmachen werden, haben zwei Jahre Reife im Demi-Muid und im Zwei-Fuder-Fass gutgetan, was die fruchtigen Aromen und die ausgewogene Struktur bezeugen. Beachtlich ist seit kurzem auch der Dornfelder, den Hans-
Peter Hoehnen als eminenter Spezialist für tropischen Weinbau vor Jahren pflanzte und der nun im vollen Ertrag steht. Hoehnen, der in Rheinhessen zu Hause ist und regelmässig als Berater in den Hua Hin Hills verweilt, hatte den fruchtigen Roten für den Eigengebrauch des Monsoon-Valley-Teams gepflanzt, wegen der guten Ernten der vergangenen Jahre gehört Dornfelder nun zum Portfolio des Weinguts.

Dass es, wie Jan Erik Wild, der deutschstämmige Agronom des Hauses, später behaupten wird, die einzigen in Thailand sind, könnte schon stimmen. Eine Sehenswürdigkeit direkt an der Kellerei in Samut Sakorn sollten sie sich nicht entgehen lassen, denn der Floating Vineyard ist wirklich ein ungewohnter Weingarten.

Hua Hin – wichtigste Weinkellerei Thailands

Nach drei Stunden geht es weiter, die Termine mit Archie Gracie, dem Export-Direktor vom Weingut Monsoon Valley, und mit Hans-Peter, dem Flying Wine Consultant aus Kirchheimbolanden, dürfen wir nicht verpassen. Auf der Weiterfahrt nach Süden fallen uns kurz vor Phetchaburi beidseitig der Strasse die Salinen von Pak Thale auf, wo nach alter Tradition Seesalz auf handwerkliche Art, ähnlich wie Fleur de Sel, gewonnen wird. Die leuchtend weissen Kegel am Rande der Solebecken sind Salz, das Würzmittel ist bei den Einheimischen recht unpopulär. In der Küche Siams werden lieber Sardellensauce und Krabbensauce sowie Pfeffer und jede Menge frische und getrocknete Chilis genutzt. Wer die Fahrt in den südlichsten Weinberg des Landes monoton findet, sollte sich mit Fakten in Kurzweil üben: In der thailändischen Weinindustrie arbeiten mehr als 2000 Personen, indirekt leben mit den Zulieferbetrieben und Teilzeitarbeitskräften an die 5000 Menschen von dem – bei den Thais selbst – immer noch als exotisch angesehenen Wirtschaftszweig.

«In den Tropen wachsen Reben das ganze Jahr. Man könnte sogar zweimal ernten.»

Nach zwei Stunden ist Hua Hin, die königliche Stadt am Meer, erreicht. Hier steht eines der ersten Touristenhotels des Landes. Das vor mehr als hundert Jahren erbaute «Railway Hotel» – heute «Hotel Centara Grand» genannt – lässt den Charme vergangener Tage aufleben. Uns zieht es ins «Marriott Resort & Spa», etwas weiter unten an der Phet Kasem Road, an der  Hauptstrasse Hua Hins, gelegen. Wichtigster Grund dafür ist der dort residierende Küchenchef Mario Hofman, den wir aus dem Hotel «Adlon» in Berlin kennen. Der 41-jährige Familienvater lebt seit acht Jahren in Hua Hin. 
Ihm zur Seite steht der aus Oberösterreich stammende, sehr dynamische Chef de Cuisine Alex Horwat.

Tropische Herausforderungen

Bevor wir uns in den kommenden Tagen an dessen kreativer Küche erfreuen dürfen, geht es vorab in die Weingärten am zwölften Breitengrad. Pünktlich wie die Eisenbahn holt uns Archibald John Gracie, in Folge kurz Archie genannt, mit seinem Geländewagen an der Rezeption des Hotels ab.

Seit 2016 ist Archie der neue Exportdirektor der Siam Winery sowie der Weingutsdirektor der Monsoon Valley Winery. Der gebürtige Schotte hat an der Glasgow Caledonian University promoviert. Er hat sich in mehr als zehn Jahren einen Namen bei Diageo gemacht, unter anderem als Whisky-Spezialist bei Cardhu und Cragganmore. Ab 2007 war Gracie bei Diageo als Supply Director für den asiatischen Markt zuständig. «Das Spirituosengeschäft läuft etwas anders als die Weinbranche. Meine Erfahrungen mit der asiatischen Mentalität haben das jedoch ausgeglichen», sagt Archie. Wie so oft in Thailand ist die Motivation der Mitarbeiter eine der grossen Herausforderungen für die Expats im Lande. Thais fällt es jedoch zusehends leichter, sich etwas von den Farangs, den Langnasen europäischer Abstammung, sagen zu lassen.

Das Weingut Monsoon Valley liegt in Baan Khork Chang, knapp vierzig Kilometer landeinwärts von Hua Hin. Ab 2002 wurden dort die ersten Weingärten auf dem weitläufigen Territorium eines ehemaligen Elefanten-Krals errichtet. Doch Rebstöcke altern in den Tropen doppelt so schnell wie in Europa. «In den Tropen wachsen Reben das ganze Jahr. Theoretisch könnte man zweimal ernten. Für uns kommt nur die erste Ernte von Februar bis März in Frage, die zweite Ernte findet Ende September statt. Anfang Oktober würde in die Regenzeit fallen, das heisst, die Trauben würden schneller faulen, als wir sie lesen könnten», erklärt Tropenexperte Hoehnen. «Die Rebgärten stehen auf Tonerden, die das Wasser nur langsam aufnehmen. In einer Gegend, wo es sieben Monate überhaupt nicht regnet, ist das pures Glück für uns», fügt Archie mit seinem schottischen Akzent hinzu. An einer ziemlich hohen Kosten verursachenden Tröpfchenbewässerung führt im Hinterland von Hua Hin also kein Weg vorbei.

Nach einer Tour durch die Weingärten bittet Archie zur Weinprobe auf der Terrasse des hauseigenen Restaurants «The Sala». Von den insgesamt elf Weinen war keiner fehlerhaft. Dass sie anders schmecken als die aus gemässigtem Klima, muss berücksichtigt werden. Colombard ist eine grosse Sache bei der Siam Winery, 40 Prozent der Rebfläche sind damit bestückt. Aromen von Zitrusfrucht und Melonen überwiegen. «Colombard und der Rosé aus Shiraz sind gefragt», sagt Kellermeister Suppached. White Shiraz ist ein perfekter Terrassenwein. Er ist frisch und klar. Nach dem gleich zugänglichen Signature White folgt der Kultwein Cuvée de Siam White 2014, mit Aromen von Mirabellen und gelben Äpfeln.

Während der Shiraz 2016 an Rosen und Schokolade erinnert, gefällt der Signature Red 2014 durch seine würzige Aromatik. «Die Cuvée besteht aus Shiraz, Dornfelder und etwas Rondo», sagt Archie, während er die Cuvée de Siam Red 2015 servieren lässt. Der Wein spricht mit vielschichtiger Aromenfülle für sich. Zum Abschluss folgen zwei Dessertweine, einmal Chenin Blanc Late Harvest 2018 und einmal Muscat de Hamburg 2018. «Letzteren nennen wir intern Muskat Burma, da die Setzlinge damals aus Myanmar kamen», sagt Jan Erik Wild mit einem verschmitzten Lächeln.

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