Dossier: Wasser

Durstiger Wein

Text: Thomas Vaterlaus, Illustrationen: Alexandra Klobouk

Tatsache Nummer eins: Wer eine Flasche Wein trinkt, nimmt dabei fast sechs Deziliter Wasser zu sich. Das ist gut so! Tatsache Nummer zwei: Zur Produktion einer Flasche Wein sind rund 950 Liter Wasser notwendig. Das ist zu viel! Denn Wasser wird in immer mehr Weinbauregionen knapp. Neue Konzepte sind gefragt.

 

«Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht in Hysterie geraten und von jedem und allem den Wasserverbrauch auflisten, von der Mandel über den Mikrochip und die Herrensocke bis zu der Flasche Wein», sagt Karen Ross, Secretary of the California Department of Food and Agriculture. An diesem 4.Mai 2015 sitzen rund 20 Weinjournalisten aus der ganzen Welt vor ihr und haben nur Fragen zu einem einzigen Thema.

Kein Wunder, in den Tagen zuvor ging es in den kalifornischen Medien vor allem um eines: die grosse Dürre, womöglich die grösste seit den katastrophalen 30er Jahren. Vorher- und Nachherbilder zeigen einst prall gefüllte Seen, wo die Boote jetzt auf dem Trockenen sitzen, und saftige Wiesen, die jetzt Steppen sind. An den Strassen stehen Schilder mit der Aufschrift «Pray for Rain». Jerry Brown hatte das Bewässern von Gärten und das Abspritzen von Garageneinfahrten eingeschränkt. Und städtische Verwaltungen haben begonnen, in städtischen Parks vermehrt klassische Grünpflanzen durch Kakteen und Kies zu ersetzen.

Wer in der Wüste am Verdursten ist, trinkt am Ende den eigenen Urin. Die Rebe reagiert im Wasser-Stress ähnlich. Qualität erfordert eine minimale Wasser-versorgung.

Der Verteilkampf um das schwindende Nass ist in vollem Gange. Als besonders böse Buben gelten die Mandelproduzenten im Central Valley. Weil der Mandelanbau extrem profitabel ist, hat sich die Anbaufläche in den letzten zehn Jahren auf 283000 Hektar verdoppelt. Dabei soll die Erzeugung einer einzigen Mandel bis zu vier Liter Wasser benötigen. Doch auch das Weingeschäft boomt. 1970 wurden in Kalifornien noch 112 Millionen Kisten Wein (1 Kiste = 12 Flaschen Wein) produziert, heute sind es 375 Millionen.

In der jetzigen Notsituation helfe nur der haushälterische Umgang mit Wasser. Doch sie sei fest überzeugt, dass das Land, welches das «Silicon Valley» hervorgebracht habe, über so viel Innovationskraft verfüge, um auch das Wasserproblem zulösen, sagt Karen Ross. Die Lösung liege wohl in einer gezielten Kombination von Hightech- und Lowtech konzepten. Und sie lobt dabei das Konzept der Weinbaubranche, die im Rahmen ihrer «California Sustainable Winegrowing Alliance» eine Pionierrolle im verantwortungsvollen Umgang mit Wasser einnehme.

Bewässern oder nicht?

Nicht nur in Kalifornien wird das Wasser knapp. Auch südeuropäische Weinbaugebiete wie der Alentejo in Portugal oder Alicante, Jumilla und Valencia in Spanien kämpfen mit ähnlichen Problemen.Vor allem im Einflussgebiet der Küste verschlingen eine intensive Besiedelung, der Massentourismus und eine intensive Landwirtschaft zu viel vom kostbaren Gut Wasser. Im Hinterland von Alicante konnte man noch vor 25 Jahren in einer Tiefe von 200 Metern genügend Grundwasser finden. Heute müssen die Bohrungen zuweilen bis 700 Meter tief vorangetrieben werden, um an Wasser zu kommen. Dies gefährdet zunehmend das Gleichgewicht zwischen süssem Grundwasser und salzigem Meerwasser. Wenn aber das Meerwasser ins Landesinnere dringt und die Küstengebiete so allmählich versalzen, drohen irreversible Schäden.

Selbst in den trockensten Gebieten       Spaniens und Portugals wäre genug Wasser vorhanden, wenn es gelänge, die Niederschlags-mengen im Winter auf natürliche Weise zu sammeln.

Interessanterweise wurde gerade hier jahrhundertelang Weinbau ohne Bewässerung betrieben. Vor allem die alteingesessene Sorte Monastrell hat sich an das trockene, heisse Klima so gut adaptiert, dass sie selbst bei geringen Niederschlägen von manchmal gerademal 200 Millimetern pro Jahr und Quadratmeter eine verwertbare Menge von Trauben produziert. Allerdings ergeben die locker bepflanzten Rebberge mit gerade mal 2000 Buschreben pro Hektar kaum mehr Ertrag als 3000 Kilo per Hektar. Die neue Drahtzuganlage mit dreimal mehr Stöcken ergibt mehr als die doppelte Menge, allerdings eben nur mit entsprechender Tropfbewässerung.

Angesichts der Wasserproblematik kehren nun einige Produzenten wieder zum traditionellen Dry Farming zurück. So verzichtet auch Aurelio Montes in gewissen Zonen des Colchagua Valley in Chile wieder auf Bewässerungssysteme. Die Massnahme verändert den Charakter der Weine. Während in bewässerten Anlagen bei den geernteten Trauben der Anteil der Haut bei rund 12 Prozent liegt, sind die Beeren aus unbewässerten Anlagen wesentlich kleiner, wodurch der Hautanteil bei über 35 Prozent liegt. Das Resultat sind nicht nur konzentriertere, sondern auch gerbstoffreichere Weine, die an die klassischen Monastrell-Crus von unbewässerten Buschreben erinnern.

Für Pepe Mendoza, den Vorreiter der Qualitätsweinbewegung in Alicante, ist eine Rückkehr zum traditionellen Dry Farming keine Option. Wenn die Rebe in Hitzestress gerate, konzentriere sie alle Kräfte auf ihr eigenes Überleben, ähnlich wie der Mensch, der im Überlebenskampf in der Wüste nach Tagen ohne Wasser schliesslich seinen eigenen Urin trinke. Wer die Rebe in solche Extremsituationen bringe, könne keine ausgewogenen Weine produzieren. Es gehe vielmehr darum, mit einem Minimum an Wassereinsatz maximal ausgewogene Weine zu bekommen.

Starke Einsparungen sind möglich

In Kalifornien beweisen derweil immer mehr Kellereien, wie sich durch verschiedene, sich ergänzende Massnahmen in dem von Staatssekretärin Karen Ross zitierten Mix aus Hightech- und Lowtechkonzepten der Wasserverbrauch drastisch reduzieren lässt. So benötigen moderne Waschsysteme für Flaschen, Barriques und Tanks weit weniger Wasser als früher, und dieses nur geringfügig verschmutzte Grauwasser kann anschliessend zur Bewässerung der Reben verwendet werden. Auch hier ergeben neue Konzepte der Tropfbewässerung massive Einsparungen, etwa durch stark reduzierte Anwendungen mit tendenziell höherer Dosierung. Zudem lässt sich die Feuchtigkeit besser im Boden halten, wenn dieser abgedeckt wird, etwa durch Rindenmulch oder durch eine hochwachsende Leguminosen-Begrünung, die dann zu Beginn des Hochsommers flachgewalzt wird und so einen Grünteppich ergibt, der den Boden vor dem Austrocknen schützt.

In Kalifornien und in Südspanien ist der Verteilkampf ums Wasser bereits in vollem Gange. Schuld-zuweisungen sind die Regel, Lösungs-vorschläge noch Ausnahmen.

Mit was für verblüffend einfachen Systemen viel Wasser eingespart werden kann, beweist etwa die «Groasis Waterbox». Die ringförmigen Plastikmodule werden bei der Schaffung von ökologischen Ausgleichsflächen im Weinbau über junge Bäume und Sträucher gestülpt und führen den Pflanzen viel Kondens- und auch Regenwasser zu, sodass eine künstliche Bewässerung überflüssig wird. Momentan wird erforscht, ob vergleichbare Systeme auch bei Neuanpflanzungen von Reben eingesetzt werden könnten.

Schon heute wird zur Produktion von einem Liter Wein kaum mehr Wasser verbraucht, als für einen Liter Milch oder einen Liter Orangensaft notwendig ist. Durch ein rigoroses Wassermanagement im An- und Ausbau könnte der Bedarf mittelfristig auf das Niveau der Herstellung von Bier gesenkt werden, das mit 300 Liter Wasserbedarf pro Liter Bier als das wasserschonendste alkoholische Getränk gilt. Die beste Bilanz überhaupt (nebst reinem Wasser) weist übrigens Tee auf.

Retentionsräume schaffen

Studien zeigen derweil, dass selbst in den Trockengebieten im südlichen Europa, in Kalifornien oder Australien im Prinzip genug Regenwasser vorhanden wäre, um einen qualitätsorientierten Weinbau zu garantieren. Das Problem ist, dass der Regen meist in konzentrierter Form ausserhalb des Vegetationszyklus fällt. Der ausgetrocknete Boden kann dieses Wasser aber nicht aufnehmen, es fliesst ab und verursacht dabei erst noch Schäden in Form von Überschwemmungen.

Weinbau im Kontext einer autarken Wasser-retentions-landschaft, das ist in trockenen     Gebieten langfristig das einzig vernünftige und funktionierende Zukunftsmodell.

Das Konzept der Wasserretentionslandschaft nach den Annahmen des österreichischen Agrar-Rebellen Sepp Holzer basiert auf der Idee, nur noch Quellwasser abfliessen zu lassen, hingegen das Regenwasser für die Wiederbelebung der Halbwüsten und eine nachhaltige Landwirtschaft zu nutzen. Im 134 Hektar grossen Modellbetrieb Tamera im südlichen Teil des Alentejo wird das Konzept seit 2007 erfolgreich umgesetzt. In einem ersten Schritt wurden dezentral Teiche und Seen angelegt, um das Regenwasser zusammeln. Die natürlichen Becken werden nicht durch Beton oder Folien abgedichtet, so dass das Wasser allmählich in den Erdkörper dringen kann. Nach zehnjähriger Aufbauarbeit gibt es in Tamera wieder Ansätze zu einem Mischwald, der den Boden beschattet und ihn so vor dem Austrocknen schützt. Gleichzeitig hat auch die Artenvielfalt stark zugenommen.

Rebgärten im Kontext solcherWasserretentionslandschaften, die der Versteppung und der Wüstenbildung entgegenwirken und gleichzeitig eine Tropfbewässerung im Rahmen eines geschlossenen Wasserkreislaufes ermöglichen, das wäre wohl der Inbegriff eines nachhaltig ökologischen Weinbaus in all jenen Gebieten, die heute unter Trockenheit leiden.

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