VINUM-PROFIPANEL Grenache Mondial

Verkehrte schöne Welt

 Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Pollari

Selten hat ein VINUM-Profipanel die Verkoster so begeistert wie diese Grenache-Mondial-Degustation. Kein Wunder, denn viele Topwinzer schaffen heute das Kunststück, in ihren Crus südliche Fruchtfülle mit einer fast kühl anmutenden Frische zu vereinen. Die qualitativ sehr hochstehende Verkostung zeigte auch: Die alte Grenache-Weltordnung existiert nicht mehr. Stilistiken lassen sich nicht mehr bestimmten Regionen, Ländern oder Kontinenten zuordnen.

Blindproben sind eine wunderbare Therapie gegen Vorurteile. Wer beispielsweise über die Trendsorte Grenache spricht, denkt zuerst an Crus aus Frankreich und Spanien. Châteauneuf-du-Pape und das Priorat gelten als die Terroirs, welche die besten Grenaches hervorbringen. Von den 25 vorselektionierten Top-Crus, die in diesem Profipanel bewertet worden sind, stammen dann auch 13 davon aus Spanien und sieben aus Frankreich. Auf dem ersten Platz klassierte sich aber mit dem Torbreck Les Amis 2009 ein Gewächs aus Australien. Und auch auf dem zweiten Platz landete ein Wein aus der Neuen Welt, nämlich der Stein Grenache 2012 von Elaine und Manfred Krankl (Sine Qua Non) aus Kalifornien. Noch verblüffender: Die beiden Spitzenreiter wurden vom VINUM-Verkostungsteam als traditionell bereitete Grenache-Weine eingestuft, als Ursprungsgebiet wurde Châteauneuf-du-Pape vermutet. Den beiden auf den Plätzen drei und vier folgenden Gigondas-Gewächsen wurde dagegen eine moderne Machart bescheinigt, bezüglich des Anbaugebietes wurde auf Kalifornien getippt. Mit anderen Worten: Das alte Kastendenken, welches besagt, dass die fruchtstrotzenden und eichenholzwüzigen Crus alle aus der Neuen Welt stammen und die besser strukturierten, vielschichtigeren Weine aus Europa, stimmt nicht mehr.

Die Grenache gehört zu den wenigen Rebsorten, die ihr Quali-     tätspotenzial auf verschiedensten Bodentypen entfalten kann.

Interessant ist auch, dass es sich bei den bestplatzierten Grenaches aus Frankreich auf den Plätzen drei und vier um Crus aus Gigondas und nicht etwa aus Châteauneuf-du-Pape handelt. Ein klarer Hinweis darauf, dass auch die Grenache-Hierarchie im südlichen Rhônetal im Wandel begriffen ist. Die grösste Leistungsdichte zeigten dagegen die spanischen Crus. Sicher ist: Wer sich mit der Grenache einlässt, beginnt eine kostspielige Amour fou. Zwar gibt es durchaus Weine im Bereich zwischen 20 und 50 Euro, die in der Topliga mitspielen können, doch die prestigeträchtigen Gewächse sind eher im Bereich zwischen 100 und 500 Euro angesiedelt.

Die Grenache gehört zu den wenigen Rotweinsorten, die auf verschiedensten Terroirs ihr Potenzial ausspielen kann. Der legendäre Château Rayasin Châteauneuf-du-Pape reift auf fast purem Sand, die Spitzenweine im Priorat auf Schiefer, der Sieger dieses Profipanels, der Torbreck Les Amis, im australischen Barossa Valley dagegen auf braunem Lehm. Alte, oft bis zu hundertjährige Stöcke, die nur noch minimale Erträge liefern, sind der Schlüssel zu Topweinen. Der Rest hängt vom Feintuning des Winzers ab. Vergären mit oder ohne Rappen, Ausbau in Holz oder Beton, hohe oder eher tiefe Gärtemperaturen? Dies sind heute die entscheidenden Fragen. Je nachdem, wie der Winzer agiert, entstehen südlich warm anmutende, manchmal fast konfitürige Weine oder aber Crus, die sich trotz Fruchtfülle und hohen Alkoholgehalts eine fast kühl anmutende Frische bewahrt haben. Sand, Schiefer, Kalk, Lehm:

Die Top-3

 

1. Platz Torbreck, Barossa Valley, Australien

Die Böden im Barossa Valley sind ein hochkomplexes Puzzle aus braunem Lehm, rotem Ton, Kalkstein, Schiefer und Sand. Auch das Mikroklima wechselt. Gilt der zentrale Talboden bei Tanunda als ausgesprochen heiss, so kann es nahe dem Pazifik oder den höheren Lagen an der Grenze zum Eden Valley merklich kühler sein.

David Powell, der sein Metier bei Rockford gelernt hatte und schliesslich Torbreck im Jahr 1994 gegründet hat, konnte ein bemerkenswertes Portfolio von 26 Parzellen in unterschiedlichsten Terroirs zusammenstellen, wo in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Besitzern jene Weine entstehen, die der Kellerei ihren legendären Ruf eingebracht haben. Nach dem Einstieg verschiedener Investoren verlor Dave Powell schliesslich 2013 die Kontrolle über das Unternehmen. Doch das Torbreck-Team führt das höchst erfolgreiche Konzept fort. Der Grenache Les Amis reift auf einem tiefen Lehmboden mit sandiger Auflage in einem nur 0,6 Hektar grossen, unbewässerten Rebberg bei Seppeltsfield, der 1901 angelegt worden ist.

 

2. Platz Sine Qua Non, Central Coast, USA

Der Aufstieg von Elaine und Manfred Krankl begann Mitte der 90er Jahre, als die Szene der damaligen Rhône-Rangers für Furore sorgte. Manfred war daneben noch am Restaurant «Campanile» und der «La Brea Bakery» in San Francisco beteiligt. In den folgenden Jahren rückte der Wein immer stärker in den Fokus des Paares. Nach dem Verkauf der Bäckerei im Jahr 2001 bauten sie sich ihr eigenes Weingut in Oak View und kauften erstklassige Lagen.

Kultstatus erreichte Sine Qua Non zuerst mit seinen Syrah-Crus, doch über die Bekanntschaft mit Philippe Cambie und Vincent Maurel (Clos Saint-Jean) in Châteauneuf-du-Pape rückte auch die Sorte Grenache ins Zentrum des Interesses. Galten die früheren Weine als hochkonzentrierte Blockbuster, so hat sich die Stilistik in den letzten Jahren deutlich zu mehr Finesse, Struktur und Frische hin entwickelt. Der Stein Grenache 2012 reifte in den Parzellen Eleven Confessions, Cumulus und Third Twin auf sandigen und kalkhaltigen Böden und wurde in Eichenfässern und Betonbehältnissen vinifiziert.

 

3. Platz Château de Saint-Cosme, Gigondas, Frankreich

Das älteste Weingut von Gigondas beweist wie kein anderes, welches enorme Potenzial die Sorte Grenache hier entfalten kann. Seit 1490 wird Château de Saint-Cosme von der gleichen Familie bewirtschaftet. Louis Barruol, der das Gut seit 1992 führt, ist Patron in 14. Generation, und die Weine waren wohl noch nie so gut wie unter seiner Ägide. Inmitten der gutseigenen Reben thront übrigens die Saint-Cosme-Kapelle, welche im 12. Jahrhundert im romanischen Stil erbaut wurde und Louis Barruol stets von neuem daran erinnert, dass es nicht Trends und Moden sind, die grosse Weine machen, sondern die langfristige Perspektive.

Der Winzer vinifiziert heute vier Gigondas-Crus mit eigenständigem Profil. Die Erträge sind mit durchschnittlich 2700 Liter pro Hektar extrem tief. Der Wein Le Claux (zu Deutsch: geschützter Ort), der in unserem Profipanel die höchste Bewertung bekam, reift in der gleichnamigen 1,8 Hektar grossen Parzelle auf kalkhaltigem Lehm mit hohem Kiesanteil. Die Lage bringt regelmässig den elegantesten und finessenreichsten Grenache des Gutes hervor.

Porträt Grenache

Mit einer Gesamtanbaufläche von rund 200 000 Hektar ist die Grenache heute die viertwichtigste Rotweinsorte weltweit. Ihr Siegeszug im westlichen Mittelmeerraum soll eng mit dem Aufstieg des Königreichs Aragón in Nordostspanien zusammenhängen, das seine Macht ab dem 12. Jahrhundert bis nach Südfrankreich und Sardinien ausdehnte. Die klassischen Grenache-Anbauländer sind Spanien mit rund 95 000 Hektar (in Aragón, Rioja, Navarra, Katalonien etc.) und Frankreich mit 85 000 Hektar (vor allem im Rhônetal, in der Provence und im Languedoc-Roussillon). In Italien ist sie besonders in Sardinien unter dem Namen Cannonau di Sardegna verbreitet. Aber auch in Kalifornien, Südaustralien und Südafrika entstehen zunehmend Spitzen-Crus aus der Sorte. Mit ihrem starkem Holz, dem aufrechten Wuchs und den dicken Trieben eignet sie sich vor allem für die traditionelle Buschform-Erziehung (Gobelet) in heissen, trockenen und windigen Gegenden.

Die Sorte treibt früh aus und wird nach einem langen Vegetationszyklus spät reif. Die mittelgrossen Beeren haben eine dicke Schale und sind prall und saftig. Die Sorte hat eine Tendenz zu hohen Alkoholgraden. Grenache-Weine mit bis zu 15 Volumenprozent Alkohol sind keine Seltenheit. Bei zu grossem Ertrag (und intensiver Bewässerung) entstehen helle und trotz hohen Alkoholgrads belanglos-fruchtige Weine, die schnell altern und dabei unerfreuliche Oxidationsnoten entwickeln. Spitzenwinzer keltern bei konsequenter Ertragsbeschränkung, etwa durch die Bewirtschaftung von sehr alten Reben, die oft keine 3000 Liter Wein pro Hektar ergeben, je länger, je mehr hochkonzentrierte, langlebige Spitzengewächse. Unter den Topweinen sind heute zwei Stilistiktypen auszumachen. Die Weine im traditionellen Stil zeigen eine sehr reife, südlich warm wirkende Aromatik mit getrockneten Früchten, Pflaumen, Teer und oft auch balsamischen Noten. Im Gaumen wirken sie mit ihrer weichen Fruchtfülle eher monolithisch. Der moderner Grenache-Typ zeichnet sich durch mehr frische Beerenfrucht und kräuterwürzige Noten aus. Im Gaumen überraschen diese Weine trotz ihrer Fülle mit einer fast kühl anmutenden, saftigen Frische und einer präsenten, feinkörnigen Gerbstoffstruktur.

115 Jahre alt sind die Grenache-Stöcke im Barossa Valley, aus denen Torbreck den Siegerwein dieses VINUM-Profipanels produziert. Weil die Reblaus nie bis Südaustralien kam, haben diese Reb-Methusalems, die ungepfropft mit ihren Originalwurzeln wachsen, bis heute überlebt und sind Garanten für hochkarätige Crus. Auch in Spanien und Frankreich sind zum Glück noch grosse Bestände von sehr alten Grenache-Rebbergen vorhanden.

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