VINUM-Profipanel Zéro Dosage

Deutschland gewinnt!

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Pollari

Die grosse Zéro-Dosage-Probe von VINUM beweist: Es braucht keinen Zuckerzusatz mehr, um grossartige flaschenvergorene Schäumer in die Flasche zu bringen. Das VINUM-Profipanel verkostete 25 Brut-Nature-Gewächse, darunter elf Top-Champagner. Doch der Sieger heisst Volker Raumland und kommt aus Rheinhessen.

 

Es ist die schwierigste Klasse in der ohnehin schon schwierigen Disziplin Schaumwein. Ausgewogene, komplexe Schäumer ohne Dosage, das heisst ohne Zuckerzusatz, in die Flasche zu bringen, verlangt vom Kellermeister ein Maximum an Fingerspitzengefühl. «Die Dosage ist für uns in etwa dasselbe wie das Salz für den Küchenchef. Mit einer exakt dosierten Prise Salz gewinnt jedes Essen an Ausdruckskraft und Intensität, aber ein paar Gramm Salz zu viel ruinieren ein Gericht», sagt etwa Francis Egly (Champagne Egly-Ouriet), der für seine grossartigen Champagner durchweg mit weniger als fünf Gramm Zucker pro Liter auskommt. Das genüge, um seinen Schäumern den letzten Kick, sprich Schmelz und Eleganz, zu verleihen. Nun gibt es aber immer mehr Puristen, welche die Dosage heute generell für überflüssig halten, sie mit dem Schminkkoffer einer Frau vergleichen, geschaffen, um das, was die Natur gegeben hat, so zu verändern, dass es den Geschmack des Zeitgeistes trifft. Und weil die Losung «Natur pur» in Kreisen versierter Weingeniesser immer mehr Anhänger findet, wächst auch das Interesse an den Zéro-Dosage-Schaumweinen. Tatsächlich verfügt der Kellermeister heute durchaus über ein Instrumentarium, um seinen Schäumern auch ohne Griff in den Zuckersack die nötige Ausgewogenheit und Finesse zu verleihen. Der Lesezeitpunkt etwa beeinflusst die Fülle der Weine, ein bewusst sehr langer Ausbau auf der Hefe (nach der zweiten Gärung in der Flasche) sorgt für Schmelz und Cremigkeit, und ein vorsichtiger Ausbau der Grundweine im Holz kann den Crus mehr Komplexität verleihen.

Drei Gramm sind genug

Zum exklusiven VINUM-Profipanel traten 25 Top-Schaumweine aus sechs Ländern an. Die Teilnahmebedingungen: Die Weine mussten nach der traditionellen Methode (Flaschengärung) produziert worden sein und durften maximal drei Gramm Restzucker pro Liter aufweisen. Das ist exakt das Limit, an das sich ein Champagner halten muss, um sich Ultra Brut, Brut Nature, Non Dosé oder eben Zéro Dosage nennen zu dürfen. Obwohl es sich um ein sehr tief angesetztes Limit handelt, erlaubt es den Winzern dennoch, mit einer Minimaldosage zu arbeiten. Kurioserweise werden einige der verkosteten Weine, obwohl sie weniger als drei Gramm Dosage aufweisen, als Brut oder Extra Brut bezeichnet, was eigentlich auf einen höheren Zuckergehalt schliessen lässt.

Das generelle Fazit der Probe: Das Durchschnittsniveau war verblüffend hoch, keiner der Weine erhielt eine Wertung unter 16 Punkten. Noch vor 20 Jahren hätte so eine Zéro-Dosage-Probe wohl ein komplett anderes, weitaus weniger erfreuliches Resultat ergeben. Damals wurden Brut-Nature-Spezialitäten in der Regel so an- und ausgebaut wie ein Standard-Brut. Der einzige Unterschied war eben, dass bei der abschliessenden Dosage nicht acht bis zwölf Gramm Zucker verwendet wurden wie beim Brut, sondern nur drei Gramm. Das Resultat war in den meisten Fällen ein unharmonischer Schäumer, der so eine horrende Säure aufwies, dass Weinliebhaber fürchten mussten, es würde ihnen die Amalgamfüllungen aus den Zähnen spülen... Heute ist der Brut Zéro für viele Winzer zum Paradewein avanciert, in den sie viel Leidenschaft und Arbeit investieren.

Überflieger Raumland

Unmittelbar vor Beginn der Probe waren sich die Verkoster einig, dass der höchstbewertete Wein wohl einer aus der Champagne sein würde, denn immerhin stellte die berühmteste Schaumweinregion der Welt mit elf Crus die stärkste Fraktion im Teilnehmerfeld. Doch die Probe endete mit einer handfesten Überraschung: Die höchste Note erzielte der VIII Triumvirat Grande Cuvée Brut von Volker Raumland aus Rheinhessen, knapp dahinter klassierte sich der Dosage Zéro Vintage Collection 2009 von Ca’ del Bosco aus der Francia corta, gefolgt von zwei Champagnern, dem Brut Tradition Grand Cru von Egly-Ouriet und dem Roses de Jeanne Lieu-Dit La Bolorée von Cédric Bouchard.

Noch verblüffender ist, dass der siegreiche Wein von Volker Raumland von der Jury mit klarem Verdikt als Champagner eingestuft wurde, wie übrigens auch sein Blanc de Blancs Brut 2007, der ebenfalls eine hervorragende Bewertung erhielt. Dazu dem alle drei in der Degustation vertretenen Raumland-Schäumer den Sprung in das Best-Buy-Klassement schafften, ist der deutsche Sekt-Guru ganz klar der Überflieger dieser Verkostung. Gleichzeitig zeigte die Degustation, dass der Champagner immer noch ein klares, sprich wiedererkennbares Profil unter den verschiedenen Schaumweintypen aufweist. So wurden sechs der insgesamt elf verkosteten Champagner klar als solche erkannt. Gar zu 100 Prozent identifiziert wurden die beiden Cavas. Doch obwohl es sich beim III Lustros Gran Reserva Brut Nature 2006 von Gramona und Particular Gran Reserva Brut Nature 2003 von Recaredo um zwei absolute Ausnahme-Cavas handelt, konnten sie keine Topplatzierungen erreichen. Der Grund dafür: Die beiden Cavas waren die einzigen Schäumer in der Probe, die nicht aus den klassischen Champagner-Sorten, sondern aus den katalanischen Gewächsen Xarel-lo und Macabeo gekeltert worden sind, die nun mal ein im positiven Sinne eigenständiges Aroma- und Geschmacksprofil aufweisen. Nur wer sich wirklich auf diese Crus einlässt, erkennt ihre wahre Grösse!

1. Platz: Sekthaus Raumland (D), Volker Raumland

RHEINHESSEN VOR CHAMPAGNE

Deutsche Schaumwein-Insider mutmassen schon seit längerem, dass die Schäumer von Volker Raumland auf Augenhöhe mit den besten Champagnern liegen. Das VINUM-Profipanel, das auf neutralem Schweizer Boden verkostete, hat nun diese These mehr als bestätigt. Wie Cédric Bouchard beweist auch Volker Raumland, dass die besten Schaumweine nicht zwangsläufig von Kreideböden stammen müssen, der Muschelkalk in Dalsheim tut’s auch. Die beeindruckende Finesse und den Schmelz seiner Sekte führt Volker Raumland in erster Linie auf den minuziösen Ausbau seiner Gewächse auf dem Hefelager zurück. Ebenso wichtig ist aber: Seit 30 Jahren betreibt dieser Mann ein Feintuning in Sachen Sekt, das ihn zu einer Ausnahmeerscheinung in Deutschland macht, und falls er nicht die Reinkarnation von Dom Pérignon ist, dann ist er zumindest Dom Raumland!

Sekthaus Raumland | Alzeyer Str. 134 | D-67592 Flörsheim-Dalsheim | Tel. +49 (0)6243 90 80 70 | www.raumland.de

2. Platz: Ca’ del Bosco (I), Maurizio Zanella

LEBENSLANGER PIONIER

Die Franciacorta ist gewissermassen das Mekka der Zéro-Dosage-Schäumer. Beeindruckende 25 Prozent der rund elf Millionen Flaschen, die hier insgesamt produziert werden, kommen als Brut Nature in die Flasche. Maurizio Zanella mit seinem Ca’-del-Bosco-Projekt ist die Personifizierung des Franciacorta-Aufschwungs, der erst vor 20 Jahren so richtig einsetzte. Aus einer Unternehmerfamilie stammend, setzte er schon ab 1973 auf Weinbau. Nur gerade zehn Jahre früher hatte das Haus Berlucchi erste Schaumwein-Experimente unternommen. Zanella gab dem Weinbau eine neue Dimension. So machte er aus seiner Kellerei gewissermassen ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Wein und eben Kunst. Sobald es um seinen Vintage Collection Dosage Zéro geht, kennt Zanella keine Kompromisse. Denn der kommt schlicht und einfach ohne jegliche Dosage in die Flasche. Und bei diesem verschwenderisch reichhaltigen, voll ausgereiften und doch frischen Schäumer vermisst niemand auch nur ein halbes Gramm Zucker!

Ca’ del Bosco | Via Albano Zanella 13 | I-25030 Erbusco | Tel. +39 030 776 61 11 | www.cadelbosco.it

3. Platz: Champagne Egly-Ouriet (F), Francis Egly

DER TÜFTLER IM PINOT-LAND

Der 50-jährige Francis Egly führt das heute zwölf Hektar umfassende Familienweingut zwar schon in dritter Generation. Doch er war es, der dem Namen Egly-Ouriet in den letzten zehn Jahren zu einem fast magischen Ruf verholfen hat. Insider wissen: Man kann Egly-Ouriet-Champagner blind kaufen, sie versprechen immer höchsten Genuss. Die Basis dieser Qualität ist die minuziöse, biodynamische Bewirtschaftung seiner im Durchschnitt fast 50 Jahre alten Reben. Das Dörfchen Ambonnay ist eine Hochburg des Pinot Noir, der auch den Egly-Ouriet-Crus ihren unverwechselbaren Charakter verleiht. Francis Egly vergärt seine Weine mit Naturhefen, und dies zumindest teilweise im Eichenholz. Beim Brut Tradition, der beim VINUM-Profipanel das drittbeste Resultat erzielte, handelt es sich eigentlich um den Basiswein des Hauses. Alle Schäumer liegen hier übrigens mindestens drei Jahre auf der Hefe, für die behutsame Dosage werden nie mehr als fünf Gramm Zucker verwendet.

Champagne Egly-Ouriet | Rue de Trépail | F-51150 Ambonnay | Tel. +33 (0)326 57 00 70

4. Platz: Champagne Roses de Jeanne (F), Cédric Bouchard

HARDLINER IN DER PROVINZ

Ein stilles Dörfchen in der stillen Côte des Bar, wo die Champagne-Reben längst nicht mehr auf der legendären Kreide, sondern in schwereren, kalkhaltigen Tonböden wurzeln: Hier erntet der 35-jährige Cédric Bouchard von seinen 40-jährigen Stöcken nicht mehr als 400 Gramm pro Quadratmeter, dreimal weniger als die grossen Champagnerhäuser. Diese extreme Ertragsbeschränkung und die perfekte Reife der Trauben sind die Basis dafür, dass der Ausnahmewinzer alle seine Schäumer ohne Dosage in die Flasche bringt. Zudem produziert er ausschliesslich Jahrgangs-Champagner aus einer Traubensorte und einer Parzelle. Mit anderen Worten: Jeder Champagner von ihm ist – auch wenn kein Jahrgang auf der Flasche steht – ein Millésimé, ein Mono-Cépage und ein Mono-Cru in einem. Der Lieu-Dit La Bolorée 2008, der vom VINUM-Profipanel verkostet wurde, ist übrigens ein reinsortiger Pinot Blanc. Eine absolute Rarität in der Champagne. Und erst noch eine von ganz ausserordentlicher Qualität!

Champagne Roses de Jeanne | 13, Rue du Vivier | F-10110 Celles-sur-Ource | Tel. +33 (0)325 29 69 78

5. Platz: Ferrari (I), Familie Lunelli

EIN BLANC DE NOIRS

Der Wettkampf zwischen Franciacorta und Trento DOC um die Führungsrolle bei den italienischen Prestigeschäumern belebt die Szene. Beim VINUM-Profipanel brachten beide Regionen einen Vertreter in die Top Five. Eines ist sicher: Im Trento DOC steckt mehr Geschichte. Es war Giulio Ferrari, der hier schon ab 1902 mit flaschenvergorenen Schäumern experimentierte. 1952 übernahm Bruno Lunelli, Besitzer der damals bekanntesten Weinbar von Trento, das Unternehmen. Seine Nachkommen haben das heutige Ferrari-Imperium aufgebaut. Schon der einfache Brut ist stets ein solider Wert. Wie hoch das Qualitätsniveau ist, zeigen aber vor allem die drei Spezialcuvées. Der Perlé Nero ist ein reinsortiger Pinot Noir, für den nur Trauben aus den höchsten Zonen, mehr als 400 Meter über Meer, verwendet werden. Der Wein liegt nach der Flaschengärung mindestens sechs Jahre auf der Hefe und wird mit minimaler Dosage abgefüllt.

Ferrari | Via Ponte di Ravina 15 | I-38100 Trento | Tel. +39 046 197 23 11 | www.cantineferrari.it

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