Dossier Rum 2020: Interviews

Urs Ullrich und Joy Spence über die Leidenschaft für Rum

Fotos: z.V.g.

Urs Ullrich - Geschäftsführer der Paul Ullrich AG

Urs Ullrich kann stolz auf die Firmengeschichte der Paul Ullrich AG zurückblicken: 1925 begründete Paul Ullrich in Basel das heutige Erfolgsunternehmen. Über die Jahre hinweg konnte die Familie Ullrich die Geschäfte immer weiter ausbauen als Partner der Gastro-nomie wie auch im Fachhandelsgeschäft mit mehr und mehr Filialen. Gleichermassen wuchs auch das Sortiment, und der Vertrieb wurde von regional auf national ausgedehnt. Mit dem Eintritt von Jaqueline Popovic, spätere Ehefrau von Urs Ullrich, wurde derGrundstein für das umfangreiche Sortiment an Whiskys und auch weiteren Spirituosen gelegt. Heute gehört es zu den breitesten und tiefsten der gesamten Schweiz.

«Mit einem guten Rum kann man sich die unbändige Lebens-freude und Leichtigkeit der Karibik nach Hause holen – pur oder auch in einem Cocktail.»

Was macht für Sie die Faszination am Produkt Rum aus?

Die Geschmacksvielfalt bei Rum ist sehr gross und bei weitem noch nicht erschöpft. Im Ver-gleich zu Single-Malt-Whisky sind wir heute auf einem Niveau wie 1978. Ich persönlich kam zum Rum durch mein Hobby, das Segeln. Beim Segeln pflegt man altes Brauchtum, unter anderem den Ankerdrink, sobald man in der Bucht geankert hatte. Da wir einige Jahre schon in der Karibik segeln, war dort der Manöverschluck ganz traditionell Rum. Und als Wein- und Spirituosenhändler erwachte das Interesse, mehr über das Produkt mit seinergrossen geschmacklichen Vielfalt zu erfahren. Das war eine Art Initialzündung für den Ausbau unseres Rumsortiments.

Wie kamen Sie zu dieser umfangreichen Rum-Auswahl in Ihrem Sortiment?

Meine erste Rum-Brennerei habe ich 2008 auf Kuba besucht, das war der Start. Eine weitere Reise auf die karibischen Inseln, unter anderem Martinique und Barbados, konnte ich 2012mit einem Fotografen unternehmen. In einer Woche haben wir acht Rum-Brennereien besichtigt. Ich war vollkommen fasziniert, unter welchen Bedingungen hervorragende Rums produziert werden. Es sind fast primitive Be-dingungen, alte Maschinen; es wirkt sehr unorganisiert. Ich kannte davor nur die fast klinischen Whisky-Brennereien in Schottland.

Was hat Sie zum Rum-Experten gemacht? Gab es einen Mentor?

Man muss sich auf ein Thema einlassen, es erforschen, offen sein und vor allem – probieren. Mein Wissen habe ich mir autodidaktisch erworben und auch viel über die Thematik gelesen. Zwei Personen haben mich nachhaltig beeindruckt: Alexander Gabriel, ein findiger Franzose, der als Cognac-Produzent mit Maison Ferrand seit den 1990er Jahren die besten karibischen Rums ins Cognac importiert und sie dort zur Vollendung in Cognacfässern reifen lässt: Plantation Rum. Zum anderen ist es der ambitionierte Italiener Luca Gargano, der Inhaber von Habitation Velier, das erst 2015 gegründet wurde. Seitdem hat er sich durch seine Liebe und Leidenschaft für das Produkt bereits einen festen Platz in der Rum-Welt ergattert. Sie haben in ein Rum-Projekt als Joint Venture mit dem kubanischen Staat investiert und halten mit weiteren Schweizer Investoren 50 Prozent am Unternehmen. Die erste Abfüllung «La Progressiva de Vigia» ist auch am Schweizer Markt erhältlich.

Welche weiteren Pläne und Projekte stehen auf der To-do-Liste?

Begonnen hat das Projekt für mich bereits vor drei Jahren, als mich ein Freund fragte, ob ich an diesem Projekt mitwirken möchte. Eines ist vor allem wichtig: Man braucht Zeit, genau wie auch ein guter Rum. Für das nächste Jahr haben wir einen Besuch vor Ort geplant, um unsere 7000 Fässer in natura zu sehen. Die Firma soll auch auf dem heimischen Marktin Kuba und als einheimische Marke wahrgenommen werden. Dafür streben wir auch einen weissen Rum an, der auf dem dortigen Markt eine grössere Rolle spielt als in der Schweiz.

Joy Spence – Master-Blenderin von Appleton Estate

Wie sind Sie Master-Blenderin geworden?

Ich hatte das Glück, nach meiner Lehrtätigkeit in der Universität beim Master-Blender der Appleton Estate Owen Tulloch meine Leidenschaft und Begeisterung für Rum unter Beweis stellen zu können. Ich wurde 1981 leitende Chemikerin und arbeitete unter Tulloch, bis er 16 Jahre später den Stab an mich weitergab. Wir haben die Joy Spence Appleton Estate Rum Experience ins Leben gerufen und in den letzten 23 Jahren haben wir einige der feinsten, am höchsten ausgezeichneten Rumsorten herausgebracht, die die Welt je gesehen hat. Ich kreierte den Appleton Estate Joy Anniversary Blend, der 2017 anlässlich meines 20-jährigen Jubiläums als Master-Blenderin von Appleton Estate herausgegeben wurde. Dieser Blend ist ein mindestens 25 Jahre gereifter Rum mit Rums, die bis zu 35 Jahre alt sind, was ihm die Auszeichnung Rum des Jahres einbrachte.

Wie wird man Master-Blenderin?

Nun, für die Kreation von Spirituosen ist ein gesundes Gleichgewicht zwischen Kunst und Wissenschaft erforderlich. Bei der Rumherstellung sind sie so eng miteinander verflochten, dass es schwierig ist, festzustellen, wo die Wissenschaft aufhört und die Kunst beginnt. Ich würde sagen, als Erstes benötigt man umfangreiche Kenntnisse der Chemie und ausgezeichnete sensorische Fähigkeiten.

Was macht einen guten Rum aus?

Die Kontrolle jedes Schritts des Produktionsprozesses ist sehr wichtig. Bei Appleton Estate verwenden wir den Begriff «cane to cocktail» (vom Zuckerrohr zum Cocktail), weil wir unsere eigenen Produktionsstandards einhalten, angefangen bei der Herstellung der Melasse bis hin zur Abfüllung. Weitere wichtige Faktoren sind unsere Standards für die Mindest- und tropische Reifung, wobei unser Terroir (optimaler Boden, Klima und Topographie) und die Reifung in den richtigen Fässern natürlich auch eine grosse Rolle spielen. Die Fässer verleihen dem Endprodukt eine unver-
gleichliche Komplexität und einen einzigartigen Geschmack.

Was macht Ihre eigenen Rums so besonders?

Wir können uns im Nassau Valley, einem üppigen und fruchtbaren Gebiet im Herzen Jamaikas, eines besonderen Terroirs rühmen. Darüber hinaus ist unser Herstellungsverfahren im Vergleich zu dem vieler anderer Rums einzigartig. Während der Gärung verwenden wir nur gentechnikfreie Melasse und natürlich vorkommende, gentechnikfreie Hefe.

Es gibt keine Zusatzstoffe, die das Geschmacks- oder Aromaprofil unserer Rums beeinflussen, und wir haben uns der tropischen Reifung (in Jamaika gereift) verschrieben. Sie beschleunigt die positiven Einflüsse der Fassreifung fast um den Faktor 3 im Vergleich zu Spirituosen, die in kühleren Klimazonen reifen.

Wie geniesst man am besten einen Spitzenrum?

Nun, ich gönne mir an einem warmen, romantischen jamaikanischen Abend in meinem Garten gerne ein Schlückchen Appleton Estate Joy Anniversary Blend. Der Blended Rum versprüht regelrecht Leidenschaft. Einen 15 oder 21 Jahre alten AEJR trinkt man am besten in kleinen Schlucken pur oder mit Eis. Aber ich geniesse auch unseren 8 Year Old Reserve, der gewöhnliche Getränke in aussergewöhnliche Cocktails wie den Mai Tai verwandelt.

Was passt am besten zu einem Glas Rum – Musik oder ein gutes Buch? Welches ist Ihr Lieblingsbuch/Ihre Lieblingsmusik?

Musik, natürlich! Jamaikanische Musik ist grossartig und leidenschaftlich. Ich liebe alle Musikgenres, aber Soul der 60/70er, moderner Reggae und Latino-Musik bringen mich zum Rocken!

Welche anderen Arten von Genussmitteln und Getränken mögen Sie?

Am Besten schmeckt mir Ceviche wie es in Lima zubereitet wird. Wenn ich nicht gerade Rum trinke, geniesse ich einen ausgezeichneten italienischen Rotwein.

Was ist Ihr Lieblings-Rumcocktail?

Mein Lieblings-Rumcocktail ist der Daiquiri.

Was ist Ihr Top-Tipp für heimische Getränkeschränke?

Meine erste Wahl für den heimischen Getränkeschrank ist der Appleton Estate 8 Year Old Reserve.

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