Gerichtsstreit schlägt hohe Wellen

Tequila entfacht Grundsatzdebatte um geschützte Herkunftsbezeichnungen

Text: Linus Bauer | Veröffentlicht: 24. April 2021


Für den Staat Mexiko ist Tequila ein enorm wichtiges Wirtschaftsgut. Über 70'000 Familien und 20'000 Agave-Bauern verdienen ihren Lebensunterhalt in der Tequila-Industrie, welche sich trotz Pandemie im Hoch befindet. Gemäss dem Regelungsausschuss für Tequila (CRT) belief sich die Produktion im Jahr 2020 auf 374 Millionen Liter, 6,3 Prozent mehr als im Vorjahr. 286 Millionen Liter im Wert von rund 2 Milliarden Dollar exportierte Mexiko ins Ausland. Deutschland sei mit 4,1 Millionen Litern der zweitwichtigste Tequila-Importeur weltweit.

Im Jahr 1974 trat für Tequila die offizielle Herkunftsbezeichnung in Kraft, die erste überhaupt im Staat Mexiko. Das CRT überwacht als Gremium die Standards im Zusammenhang mit der Tequila-Produktion, vergibt Echtheitszertifikate und garantiert den Schutz der Herkunftsbezeichnung. Die für die Spirituose benötigte blaue Weber-Agave darf nur in einem abgegrenzten Gebiet angebaut werden, das 181 Gemeinden in fünf Bundesstaaten umfasst.

Stand 2021 ist Tequila in 55 Ländern geschützt, auch in der Europäischen Union. Dort gilt neben der geschützten geographischen Angabe auch ein Abkommen zwischen Mexiko und der EU über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz von Ursprungsbezeichnungen im Spirituosensektor und der besondere Schutz im Zollwesen. Zudem ist Tequila als Kollektivmarke beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum EUIPO eingetragen.

Konflikt um «Desperados» von Heineken

Die unerlaubte Verwendung des Begriffs «Tequila» ist seit dem Jahr 2017 Gegenstand eines Streits zwischen dem Regierungsausschuss für Tequila und der niederländischen Brauerei Heineken. Grund dafür ist Desperados, ein Bier mit Tequila-Geschmack. Der CRT ging vor Gericht, weil er Verstösse gegen die Herkunftsbezeichnung witterte.

Der Vorwurf lautet, dass Heineken Tequila einer zertifizierten mexikanischen Herstellerfirma bezieht und diesen unerlaubterweise zur Aromatisierung von Desperados verwendet. Die Herkunftsbezeichnung verbietet gemäss CRT die Verarbeitung von Tequila zu einem Aroma oder einer Geschmacksrichtung. Der Regelungsausschuss entzog aus diesen Gründen dem mexikanischen Zulieferer vor Heineken die Echtheitszertifizierung.

Infolgedessen verklagte Heineken Mexiko vor der Europäischen Kommission wegen Handelshemmnis. Laut «Die Welt» hätte die Untersuchung im März ein Ende finden sollen, noch gibt es aber keine Ergebnisse. Mittlerweile brachte die Angelegenheit jedoch eine Debatte zu Tage, die weit über die Verwendung des Begriffs «Tequila» hinausgeht.

Über 40 Briefe an die EU-Kommission

Die Untersuchung löste Reaktionen von Vertretern der wichtigsten europäischen Ursprungsbezeichnungen aus. Die EU-Kommission erhielt über 40 Briefe, unter anderem vom Bureau Interprofesional del Cognac, der Scotch Whisky Association, Origen España und dem Consorzio Parmigiano. Sie alle baten darum, als interessierte Parteien am Verfahren teilnehmen zu können.

«Es geht nicht allein um Mexiko und Tequila, es geht ganz allgemein um den Schutz von Herkunftsbezeichnungen in Europa», sagt Fernando Cano, Europa-Repräsentant des CRT gegenüber «Die Welt». «Der Konflikt ist richtungsweisend für das gesamte System der geschützten geografischen Angaben. Eine Entscheidung zuungunsten Mexikos würde bedeuten, dass letztlich jedes geschützte Produkt verletzt und damit generisch werden kann.»

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