Winzerlegende: Willi Bründlmayer, Langenlois

Der Kurator vom Heiligenstein

Text: Benjamin Herzog, Fotos: Monika Saulich

  • Willi Bründlmayer
    Willi Bründlmayer leitet das Gut seit 1980, sein Sohn Vincent ist seit drei Jahren voll mit dabei.
  • Willi Bründlmayer
    Seit 1980 bewirtschaftet Willi Bründlmayer das Weingut zusammen mit seiner Familie.
  • Willi Bründlmayer
    Die Weingärten (heute sind es 80 Hektar) liegen am Kreuzungspunkt zweier Täler: Kamptal und Donautal.
  • Willi Bründlmayer
    Die Bründlmayer-Vinothek (der älteste Wein stammt aus dem Jahr 1947) wird laufend ausgebaut.
  • Willi Bründlmayer
    Nur selten begegnet man einer Winzerpersönlichkeit, die eine derart grosse Gelassenheit und Harmonie ausstrahlt wie Willi Bründlmayer.

Mit viel Fingerspitzengefühl für Rebe, Wein, die Natur und seine Mitmenschen kreiert Willi Bründlmayer seit mehr als 30 Jahren legendäre Gewächse im Kamptal. Sein nicht minder kreativer Sohn Vincent scheint einiges von seinem Vater geerbt zu haben.

 

Lou Reed, Heimo Zobernig, Tilda Swinton, Hubert Scheibl, Katia und Marielle Labèque oder Christoph Ramsayr – sie alle haben schon Bründlmayer getrunken. Das an die grosse Glocke zu hängen, wäre aber nicht die Art der Winzerfamilie, viel lieber pflegt sie mit den Künstlern regen Kontakt.

Willi Bründlmayer mag den trockenen englischen Humor, er ist keiner, der unüberlegt loswettert oder mit plumpen Witzen aufwartet, sondern einer, der manchmal nur im richtigen Moment still lächelt und damit seine Mitmenschen amüsiert. Willi Bründlmayers Frau Edwige stammt aus Paris, sie lernte ihren Mann während des Studiums 1978 in Wien kennen.

Wenn man im «Heurigenhof Bründlmayer» einkehrt oder privat zu Besuch ist, wird einem bald klar, dass man als Spross dieser Familie ebenso gut Kulturschaffender wie Winzer werden kann. Vor drei Jahren ist der älteste Sohn Vincent in den Familienbetrieb eingestiegen, der 30-Jährige studierte Tontechnik, Grafik und Design; sein Interesse für Weinbau kam erst danach. Für Vincent war es lange undenkbar, in die Fussstapfen seines Vaters zu treten, und für seinen Vater war das in Ordnung. Er ist der Überzeugung, dass Druck einen nicht weiterbringt: «Zum Wein muss jeder selber kommen.»

Bründlmayers Tochter Cécile ist studierte Ethnologin, sie hat im Herbst 2013 ihren ersten Wein geerntet und auch vinifiziert. Der jüngste Sohn Anselm hat kürzlich sein Medizinstudium begonnen. «Ich habe ehrlich gesagt erst vor kurzem herausgefunden, dass auch Weinbau mit all seinen Facetten zu den Kreativberufen zählt», sagt Vincent und lacht, Vater Willi lächelt zufrieden mit. Bründlmayers sind Teil der Kulturszene Wiens – sie liefern etwa eine Spezialfüllung ans Burgtheater.

Keine Angst vor dem Frost

Nur selten begegnet man einer Winzerpersönlichkeit, die eine derart grosse Gelassenheit und Harmonie ausstrahlt wie Willi Bründlmayer. Nach 32 Ernten in Langenlois hat er so ziemlich alles gesehen, was die Region wettermässig zu bieten hat. Wir sitzen mit ihm und Vincent in ihrem «Heurigenhof», gut fünf Gehminuten vom Langenloiser Designhotel «Loisium» entfernt. Die Reben haben bereits vor Tagen ausgetrieben, und für die Nacht werden Temperaturen um den Gefrierpunkt erwartet, es besteht grösste Erfrierungsgefahr für die jungen Triebe. Die Winzer im Kamptal entzünden in solchen Frostnächten gemeinsam Feuer in den Rebbergen, eine alte, kreative Methode, um Schäden zu vermeiden.

Vincent ist vorfreudig-nervös, Willi dagegen bleibt die Ruhe selbst. «Wenn die Triebe so früh abfrieren, treiben die Reben ganz einfach neu aus», erklärt er und spricht weiter über ihr Speiselokal. Denn mit einem deftigen Heurigen hat der «Heurigenhof Bründlmayer» in erster Linie die Öffnungszeiten gemein – ab Mitte der Woche nachmittags. Dieser Heurigen hat 15 Punkte im «Gault & Millau». Angestrebt hat Willi Bründlmayer diese Auszeichnung nicht: «Wir möchten hier  feinen Wein, feine Küche und lokale Tradition unter einen Hut, beziehungsweise Heurigenbusch, bringen.» Am Herd steht Daniel Petz, der im berühmten «Landhaus Bacher» gelernt hat. An einer Wand hängt ein Ölgemälde des befreundeten Künstlers Franz Grabmayr, gegenüber das Tierpräparat eines Auerhahns, den noch Willis Vater – Wilhelm Bründlmayer – vor vielen Jahren erlegt hat.

Als Willi Bründlmayer 1980 das Weingut von seinem Vater übernahm, war der Weg des Betriebs vorgezeichnet: Wilhelm Bründlmayer senior war ein Qualitätspionier, experimentierte mit Weinsorten, Lagen, Anbau- und Ausbaumethoden. Er kreierte zum Beispiel eine ganz eigene Erziehungsart für Weinreben und war Feuer und Flamme, als diese in einem Versuchsanbau Ende der 70er Jahre in Bordeaux mit allen anderen bekannten Erziehungsmethoden in einem qualitativen Wettstreit stand. Die Bründlmayer-Erziehung hat damals zwar nicht gewonnen, doch wurde die siegreiche Lyra in den Rebbergen der Familie eingeführt und liefert heute noch einige der spannendsten Weine im Portfolio.

Bei der Lyra-Erziehung werden die Triebe der Rebe getrennt, so dass zwei vertikale Laubwände entstehen. Das verbessert die Photosynthese, schützt die Trauben vor Sonnenlicht und hilft ihnen, schnell abzutrocknen. «Unsere Weingartenarbeiter mögen die Lyra-Anlagen nicht wirklich», erklärt Willi Bründlmayer, müssen die Blätterwände doch immer wieder entwirrt werden. «Trotzdem machen sie es super, besser als ich selber es könnte.» Willi fährt gerne alleine in die Rebberge, schneidet in Ruhe ein paar Stöcke nach seinen Vorstellungen, macht die Laubarbeit und diskutiert das Vorgehen anschliessend mit den Leuten, die tagaus, tagein im Rebberg sind. «Mit dem Tempo der jungen Mitarbeiter im Rebberg kann ich leider nicht mehr mithalten», sagt Willi Bründlmayer mit einem gewissen Schalk in der Stimme.

Geerntet wird nur selektiv per Hand von September bis Ende November. Zuerst sind jeweils die Trauben für den Sekt dran, zum Schluss die für die Reserve-Weine, dazwischen alles andere. Bei Bründlmayers dient das nicht nur der Weinqualität. «Das Weingut wird so zu einer harmonischen Einheit», sagt Willi Bründlmayer. «Wir können die Trauben in perfekter Reife lesen, aber auch die Saisonmitarbeiter gute drei Monate beschäftigen, zudem ist die Arbeit so über einen längeren Zeitraum verteilt.» Einzig die Vertriebspartner sind wegen des Portfolios unterschiedlich geernteter Weine wohl stärker gefordert.

Willi Bründlmayers Vater schickte seinen Sohn überall dort in die Ausbildung, wo Wein von Hand gemacht wird. So absolvierte er Praktika in der Schweiz und im Burgund, bevor er zurück ins Kamptal kam. Seine erste Tat: Er führte 1980 als erster Winzer Österreichs Biodynamie und klassischen Bioanbau ein. 1982 gab es für Familie Bründlmayer praktisch nichts zu ernten. «Unser damaliger Biodynamie-Berater hielt nichts von Kupfer, und natürliche Hilfsmittel wie etwa Pheromone gegen Schädlinge gab es noch nicht», blickt Bründlmayer zurück. Radikal auf Biodynamie setzen wollte er fortan nicht mehr. «Dieses Erlebnis hat mein vorschnelles Vertrauen zwar zerstört, aber nicht meine Überzeugungen. »

Das Weingut Bründlmayer arbeitet heute nach ökologischen Prinzipien, ein Wechsel zur Biodynamie wäre durchaus denkbar, Willi Bründlmayer möchte diesen Schritt aber der nächsten Generation überlassen. «Die müssen das ja auch weitertragen.» Sein wichtigster Entscheidungsparameter bleibt die Erfahrung. Und dazu zählt nicht nur die eigene, sondern auch die des Vaters, die dieser in Protokollen nach jeder Ernte festhielt. Willi Bründlmayer tauscht sich auch mit Kollegen aus, engagiert sich in der Académie Internationale du Vin, einer Vereinigung von Weingrössen der ganzen Welt wie etwa Paul Draper aus Kalifornien oder Alois Lageder aus Südtirol. Auf eigene Erfahrungen ausserhalb des Kamptals verzichtet er jedoch bewusst. «Ich hätte mich als Experte an Projekten in Kanada, Südamerika oder auch in Rumänien beteiligen können. Doch wie soll ich dort einen Wein machen, wenn ich nicht einmal die Landessprache perfekt verstehe, geschweige denn die Kultur der Menschen oder die Bodenbeschaffenheit kenne?»

Mit dem Jahrgang 2011 kam zum ersten Mal der Grüne Veltliner Vincents Spiegel auf den Markt. Vincent Bründlmayer hat dafür seinem Vater einen Rebberg abgekauft. Der Deal zwischen den beiden: Vincent darf Willi alle Lagen zum ursprünglichen Einstandspreis abkaufen. «Ich habe schon probiert, meinen Vater nach seinem grössten Schnäppchen zu fragen. Hat aber nicht funktioniert», sagt Vincent.

Der junge Bründlmayer experimentiert mit Biodynamie, möchte sogar wieder mit dem Pferd arbeiten. Im Keller nutzt er verschiedene Gär- und Ausbauarten. Vincent hat mit seinem ersten Grünen Veltliner ein klares Zeichen gesetzt, auch optisch: Das Etikett des Weines wird jedes Jahr von einem anderen Künstler gestaltet. Es zeigt immer eine abgewandelte Form der Szene auf den klassischen Bründlmayer-Flaschen. Willi freut sich über den Wein seines Sohnes. «Jeder muss seinen eigenen Stil finden», sagt er. Und natürlich schwingt dabei die Erfahrung wieder mit. Zu radikal dürfen Änderungen nicht sein. Solange Willi Bründlmayer im Betrieb ist, werden die Weine des Gutes klassisch bleiben.

Gereifte Weine ab Weingut

Die Weine von Familie Bründlmayer zeichnen sich von jeher durch ihre Eleganz und ihren unverkennbaren Stil aus, doch einer der herausragenden Eigenschaften ihrer Lagerfähigkeit wurde jahrelang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Gut 20 000 Flaschen lagern in der Vinothek unter dem Weingut, das erst vor zwei Jahren erneuert und durch eine moderne Produktionsanlage ergänzt wurde. In Zukunft wollen Bründlmayers 10 bis 15 Prozent der Spitzengewächse für ein paar Jahre zurückhalten und erst dann vermarkten, allen voran den Sekt.

Der Bründlmayer-Sekt (es gibt ihn heute als Brut, Extra Brut und Rosé) gilt als einer der besten Schaumweine Österreichs. Die Inspiration stammte von Willi Bründlmayers Frau Edwige – eine bekennende Champagner-Liebhaberin. «Es wäre für mich das Grösste, ihr einen gereiften Vintage-Sekt präsentieren zu können», sagt Willi Bründlmayer mit leuchtenden Augen und verrät damit vielleicht das Wichtigste an seinem Erfolg: Familie Bründlmayer macht Weine, die ihr selbst schmecken, und produziert nicht für den kurzfristigen Trend. «Wenn wir den Weltmarkt betrachten, produzieren wir mengenmässig ja gar nichts», sagt Willi Bründlmayer. «Und wer etwas macht, das ihm gefällt, findet auch die Liebhaber, die den Geschmack des Winzers teilen.»

«Dass auch Weinbauer zu den Kreativberufen zählt, habe ich erst vor kurzem herausgefunden.»

Vincent Bründlmayer

Die gereiften Bründlmayer-Flaschen der Jahrgänge vor 2000 gibt es heute ab Hof in so kleiner Zahl, dass sie nur für Verkostungen im Freundes- und Fachkreis verwendet werden. Sommeliers in Ausbildung können Vertikalen probieren, verkauft wird von den Raritäten aber nichts. Willi Bründlmayer hat seine Standpunkte und seine Einstellung. Passt ihm etwas nicht, dann sagt er es auch. Er ist konsequent und kompromisslos, bleibt dabei aber stets korrekt und sympathisch. Das zieht sich durch all seine Konzepte und endet auch nicht bei den Weinpreisen: Einen Bründlmayer kann sich jeder leisten, auch die Spitzenweine im trockenen Bereich kosten keine 50 Euro. «Ich möchte, dass jeder Weintrinker nach dem Entkorken das Gefühl hat, dass die Flasche ihr Geld wert war», sagt Bründlmayer, wenn man ihn darauf anspricht.

Familie Bründlmayer muss einem einfach sympathisch sein, mit ihrer weltoffenen und doch bodenständigen Art. «Nur mit Menschen, die komplett humorlos sind, kann ich nicht viel anfangen», sagt Willi Bründlmayer. Wer ihn kennt, versteht das.

Weingut Bründlmayer, Langenlois - Kamptaler Vielfalt

Mehr als 30 verschiedene Etiketten bringt das Weingut Bründlmayer hervor. Ob weiss, rot, süss oder prickelnd alle Weine aus dem Haus verbinden ihre Eleganz, ihre Langlebigkeit und eine unverkennbare Kräutrigkeit.

Weine des Winzers

 

1 Bründlmayer Brut 2010

17 Punkte | 2014 bis 2018

Zunächst edel zurückhaltend in der Nase. Mit Luft kommen mineralische Aromen von Feuerstein, getrockneter Birne und Aprikose dazu. Der Wein weist eine angenehme Kräutrigkeit auf. Am Gaumen lebendig und cremig mit einer wunderbaren, animierenden Harmonie zwischen Säure, Süsse und Mousse.

 

2 Grüner Veltliner Lamm 2008

18 Punkte | 2014 bis 2020

Jung sind die Weine aus der Lage Lamm oft sperrig und üppig, mit der Reife zeigen sie erst ihre wahre Grösse. Von Mineralik und Würze getragene Aromatik, riecht honigartig süsslich und irgendwie auch exotisch. Vielschichtig und komplex. Am Gaumen zeigt der Wein Schmelz und keine Spur Üppigkeit. Schwebt förmlich am Gaumen.

 

3 Grüner Veltliner Vincents Spiegel 2013 – Fassprobe

16.5 Punkte | 2015 bis 2020

Verrät sein Potenzial schon jetzt: Agrumen, Blüten und eine exotische Würze, die an eingelegten Ingwer erinnert (auch der 2012er weist diese Aromatik auf). Süsslicher, jedoch absolut harmonischer Auftakt, gefolgt von einer straffen Säurestruktur. Trinkanimierend und aromatisch lang. Schöner Schmelz.

 

4 Riesling Heiligenstein Alte Reben 2012

18 Punkte | 2015 bis 2025

Eigenständige, kräuterwürzigblumige Aromatik mit Minze und Heu. Auch dezente Mandarinennoten. Vielschichtig, natürlich und nicht aufdringlich. Am Gaumen noch jugendlich ungestüm mit einer präsenten Säure. Aromatisch lang. Ein schnörkelloser grosser Riesling aus dem Kamptal. Sollte unbedingt noch reifen.

 

5 Zweigelt Reserve 2011

17 Punkte | 2014 bis 2018

Sauerkirsche, Lakritze und sommerliche mediterrane Kräuternoten. Auch wilde, etwas ungestüme Beerenelemente. Am Gaumen frisch und geradlinig mit einer saftigen Säure. Elegant mit einem langen Beerenfinale. Extrem interessanter Zweigelt mit eigenständigem Charakter, geradlinig und frisch.

 

6 Riesling Steinmassel Trockenbeerenauslese 2009

18 Punkte | 2014 bis 2025

Reife eingelegte Aprikose mit einer blumigen Safrannote und Quitte, auch Lindenblüten- und Schwarztee. Am Gaumen nur zu Beginn süsslich wirkend, dann lange von einer saftigen Säure getragen. Eleganter und vielschichtiger Süsswein der leichten, frischen Art.

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