MERUM: Geordneter Weinskandal

16.04.2008 - arthur.wirtzfeld

ITALIEN - Die Merum-Redaktion, bekannt für ihre gründlichen Reportagen und für ihre Kompetenz, nicht nur zum Thema "Italienische Weinszene", versucht aktuell Fakten des Weinskandals in Italien zu ordnen und gestützt auf ausführliche Recherchen, journalistisch fundiert zu interpretieren.

 

Andreas März, Chefredakteur der Merum, unterstreicht, dass es aktuell drei Weinskandale in Italien gibt:

(1) Der Fälschungsskandal: Es handelt sich um die Herstellung von Kunstwein in Apulien.

(2) Der Betrugsskandal: Der Verdacht auf Nichtrespektierung der Produktionsregeln einiger Produzenten in Montalcino.

(3) Der Presseskandal: Insbesondere das Vermischen des Fälschungs- und Betrugsskandals und "anderer Vorkommnisse sehr unterschiedlicher Art und Gravität und die Publikation zu Beginn der VinItaly durch das italienische Magazin L'Espresso" so Andreas März.

Was der Chefredakteur der Merum der Presse in Italien aber auch der sich anhängenden ausländischen Presse vorwirft, ist die in seinen Augen fehlende Sensibilität und Differenziertheit bei diesem Reizthema. März geht sogar soweit und spricht von "journalistischem Aasgeiertum" und prangert insbesondere damit die Berichterstattung des schweizerischen Blick an, die seiner Meinung nach alle Vorkommnisse vermischt und reißerisch den L´Espresso-Artikel noch weit übertroffen hätten.

Chronologisch stellt die Merum die Ereignisse, gestützt auf ihre grundlegende Recherchen und Rückfragen bei den italienischen Behörden, wie folgt dar.

REAKTION DER PRESSE

Der L´Espresso-Artikel platzte zur Zeit der VinItaly wie eine Bombe in die Weinszene. Der Artikel befasste sich mit dem Weinfälschersskandal in Apulien, mischte jedoch auch Meldungen über den Brunello di Montalcino, Chianti, Pantelleria, Mozzarella-Käse und Olivenöl in die Story. Dieser Artikel sei bereits der "Anfang von Verwirrungen" gewesen, da alle Medien sich nur auf den L´Espresso Artikel bezogen und ohne eigene Recherchen weiter "verfälscht" hätten, so März.

DIE ENTDECKUNG

In einer groß angelegten Aktion zweier italienischen Behörden, der Forstpolizei und des Amts für Fälschungsbekämpfung des Landwirtschaftsministeriums, wurden in Veronalla (Provinz Verona) 16.700 Liter gefälschten Weins entdeckt. Der Beschuldigte, Bruno Castagna, war bereits Mitte der 80er Jahre in den damaligen Methanolskandal verwickelt. Die Spur führte die Behörden dann weiter nach Apulien. Dort entdeckten sie 700.000 hl gefälschten Weins. Dies entspricht 70 Millionen Liter, also einer Menge von 90 Millionen Flaschen, demnach rund drei Chianti-Classico-Jahrgänge oder 1,5% der italienischen Weinproduktion(!), wie Merum trocken feststellt. Als Hersteller seien die apulischen Kellereien Enoagri Export SRL und die VMC SRL identifiziert worden.

DAS PANSCHREZEPT

Die Flüssigkeit, die von den Ermittlern in Taranto in Behältern gefunden wurden, könne man nicht "Wein" nennen, berichtet Merum. Zur Herstellung hatte man Wasser, Traubenmost, Melasse, Zitronensäure, Weinsäure, Salzsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Ammoniumsulfat, Hefen, Enzyme und Glyzerin verwendet, um so aus Wasser und Traubenmost einen "Wein" herzustellen, der durch Zugabe weiterer Hefen und Ammoniumsulfat zum Gären gebracht wurde.

Zu diesem Cocktail mussten die Panscher aber noch Säuren zufügen, um den Ph-Wert in Grenzen zu halten. Die Säuren sind in ihrer reinen Form hochgiftig und ätzend, jedoch ungiftig, wenn man diese auf den weinüblichen pH - Wert verdünnt, dann sind sie gesundheitlich unbedenklich. Die Panschweine mögen unappetitlich sein, aber giftig sind sie nicht. Diese Meinung vertritt auch das italienische Landwirtschaftsministerium in seinen Mitteilungen, berichtet Merum.

GING DER WEIN IN DEN EXPORT?

Merum berichtet, gestützt auf unterschiedliche Quellen, dass es bisher keine Indizien gäbe und dass es auch keine konkreten Hinweise gäbe, dass es Kontakte mit ausländischen Abnehmern gegeben habe. (Anm. der Redaktion: Unsere Pressemitteilung Report München, vermutet das Gegenteil). Sicher sei nur, dass die Panschweine in italienischen Supermärkten aufgetaucht seien und dort zu Billigstpreisen verkauft wurden. Dass Kunstweine als IGT oder DOC in Verkehr gekommen seien, werde zur Zeit von den Behörden ausgeschlossen. Eine Kundenliste der Panschfirmen wurde von L'Espressoauf deren Webseite veröffentlicht.

BRUNELLO DI MONTALCINO

Was hat der Brunello mit dem Skandal gemein? "Nichts (!)", sagt Andreas März. In Montalcino stehen einige Betriebe unter Verdacht, in ihren Brunello-Weinbergen Rebstöcke stehen zu haben, die von den Produktionsregeln nicht vorgesehen sind (vorgeschrieben sind 100% Brunello). Merum kündigt eine weitere Berichterstattung zum Brunello an, sobald die Recherchen abgeschlossen seien.

FAZIT DES CHEFREDAKTEURS

"Sind die Billigtrinker mitschuldig?" … fragt sich Andreas März, denn wer Billigwein kaufe arbeite den Weinpanschern in die Hände. Er habe die Hoffnung, dass die Fälscher betraft werden, auch wenn Bestrafungen in Italien leider nicht so vorbildlich funktionieren würden. März verweist auf das "antikes Geschäft" der Weinfälscher und auch darauf, dass die Beteiligten an den Fälschungsskandalen oft dieselben Leute sind, die immer wieder in Zeitabständen von Jahren auffallen. März fordert die Behörden auf, die Kellereien und Handelsbetriebe, die Weine zu Preisen unter der Anstandsgrenze anbieten, besonders sorgfältig zu kontrollieren.