Württembergs Weinkönigin und ihre vielen Kinder

26.07.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Heilbronn) - Im Rahmen seiner Serie über ungewöhnliche Frauen in der Weinszene befasst sich Rudolf Knoll diesmal mit einer Weinkönigin, eigentlich eine ganz normale Erscheinung. Aber die derzeit amtierende Wein-Queen von Württemberg, Karolin Harsch, hat eine ungewöhnliche Berufswahl getroffen.

 

Weinköniginnen können schon mal nach ihrer Amtszeit Karriere machen, auch in Württemberg. Ramona Zaiß aus Heilbronn (Königin 2002/3) ist heute als Ramona Fischer Geschäftsführerin der Weingärtner Esslingen. Miriam Heckel aus Brackenheim-Stockheim (2006/7) ist verantwortlich für die zahlreichen Events der Brackenheimer Weingärtner und ist nebenbei seit fünf Jahren beim Trollinger-Marathon in Heilbronn dabei. Am weitesten brachte es Friedlinde Gurr (später als Frau Gurr-Hirsch Gattin des Weinbauverbands-Geschäftsführers Karl Heinz Hirsch), die nicht nur zusätzlich zur Deutschen Weinkönigin 1976/77 avancierte, sondern auch in der Politik voran kam und bis zum Frühjahr 2011 für die CDU Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum war. Jetzt ist sie immer noch im Landtag und hier stellvertretende Vorsitzende der durch die Wahlniederlage gebeutelten CDU-Fraktion.

Die Politikerin ist stolz auf ihre drei Kinder. Aber das ist eine Zahl, die Karolin Harsch, im November 2010 zur Weinkönigin Württembergs gewählt, nur ein müdes Lächeln entlocken kann. Denn sie hat bereits einige Dutzend Kinder zur Welt gebracht! Allerdings nicht selbst, sondern als Hebamme. Und sogar einige schwarze Babys waren bereits darunter.

Ihre erste berufliche Erfahrung sammelte die 26-Jährige aus Cleebronn bei einem missionarischen Einsatz vom Oktober 2005 bis April 2006 in Kenia. Am Viktoriasee lebte sie bei einer Familie mit vier Kindern in einem Haus ohne Wasser und Strom und arbeitete im Krankenhaus. Hier wurde sie nach dem Motto „Eine Deutsche muss alles können“ auch zur Geburtenhilfe eingeteilt. Damals schwankte sie noch zwischen den Berufen Lehramt und Hebamme.

In Weingarten studierte sie bereits für den Lehrberuf und bekam im Rahmen eines Praktikums eine ungewöhnliche Aufgabe: „Ich durfte ein halbes Jahr in einem Gefängnis jugendliche Heranwachsende, die ihre Strafen absaßen, auf den Hauptschulabschluss vorbereiten. Eine interessante Erfahrung.“Aber dann galt ihre Vorliebe doch den Babys. Noch befindet sie sich in der Ausbildung, hat aber viel praktische Einsätze - und aktuell trotz der Doppelbelastung mit dem Job als Weinkönigin viel Spaß am Hebammen-Beruf. Um keine Repräsentationspflicht mit Krönchen auf dem Haupt zu verpassen, wird sie Zuhause von den Eltern Ulrich und Monika unterstützt, ebenso von den zwei älteren Schwestern Rebecca und Sandra.

Die Eltern sind Traubenlieferanten für die örtliche Genossenschaft. Bei der Arbeit im Weingarten hilft sie gern. „Ich dachte sogar schon mal an ein Weinbaustudium. Aber wir haben zu wenig Fläche. Da gäbe es Zuhause keine Perspektive.“ Beim Wein selbst mag sie es bodenständig. „Ich bin bei Weiß eine Halbtrockene“, verrät Karolin. Rot darf es schon mal trocken und gehaltvoll sein. Als sie einen vielschichtigen, fast seidig anmutenden Lemberger aus der aufstrebenden Weingärtnergenossenschaft Cleebronn-Güglingen probiert, kommt sie ins Schwärmen, nimmt die Flasche fast zärtlich in die Hand und meint: „Wenn das ein Mann wäre, dann würde ich den sofort heiraten.“

Vielleicht aber wird der Zukünftige nicht aus dem Weinbau kommen. Ein Kicker wäre denkbar. Eines der Hobbys von Karolin Harsch ist - neben Joggen, Backen und Rasenmähen - der Fußball. Sie ist Anhängerin des VfB Stuttgart und glücklich darüber, dass in der letzten Saison der Klassenerhalt geschafft wurde. Zuhause feuert sie den TSV Güglingen in der Kreisliga an. Gelegentlich tritt sie selbst gegen das runde Leder, aber nicht im Verein. „Talent hätte ich vielleicht für die Abwehr oder das defensive Mittelfeld.“ Die Frauenfußball-WM hat sie, soweit sich das zeitlich mit Beruf und Amt regeln ließ, im TV verfolgt. Über das Ausscheiden der deutschen Frauschaft ist sie nicht traurig. „Ich verstehe den ganzen Wirbel nicht. Die haben immerhin nur ganz knapp gegen den späteren Weltmeister verloren.“ Auch das ist nicht selbstverständlich: eine Weinkönigin, die Ahnung vom Fußball hat und dabei sogar gegen die öffentliche Meinung votiert.