Kulturgut Wein

Weinkrieg in Frankreich

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 11. Mai 2019


FRANKREICH (Paris) – Sie sind eine Gruppe von Medizinern, Wissenschaftlern und Forschern, im Jahr 1820 als Académie royale de médecine aus der Académie royale de chirurgie (1731) und der Société royale de médecine (1776)  hervorgegangen und ab 1947 als National benannt. Nach dem Vorbild der britischen Royal Society treffen sich die Mitglieder, um ihre Ergebnisse zu präsentieren, die in der Regel die Stärkung der Medizin im Fokus hat. Aber schon seit längerem wirkt die Académie Nationale de Médecin (ANdM) gegen die Lobbyarbeit der Alkoholindustrie und prangert deren Verwässerung der öffentlichen Gesundheitspolitik an. Ihr Gegner ist die Vin et société, eine mächtige Lobbygruppe des französischen Weinsektors, die ihrerseits einen „moralischen Kreuzzug“ beklagt. Noch ist es ein Krieg der Worte, aber dieser eskaliert zurzeit und nach dem Vorbild der Gelbwesten ist auch seitens der Weinlobby alles zu erwarten.

Die Fakten

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sank der Alkoholkonsum in Frankreich stetig, doch aktuell stoppt dieser Trend. Die ANdM bezeichnet dies als „große Niederlage für die Gesundheit der öffentlichen Gesellschaft“ und wirft der Regierung vor, „anfällig für die Lobbyarbeit der Alkoholindustrie zu sein“ mit der Begründung, dass die Einbeziehung der Alkoholfirmen in die Präventationspolitik zu vergleichen wäre, als wenn „Wölfe die Schafe hüten würden“.

„Der Konsum war in 2017 identisch wie der in 2013 und das ist alarmierend. Es ist ein Fakt, dass Alkohol 41.000 Menschen pro Jahr in Frankreich tötet", wird die ANdM, die sich auf Daten der Gesundheitsbehörde bezieht, in französischen Medien zitiert. Dagegen argumentiert die Vin & Société, die mehr als 500.000 Weinbetriebe in Frankreich zu ihren Mitgliedern zählt, dass die Aktivisten der ANdM den Weinsektor verunglimpfen wollten und wirft der ANdM vor, einen „Anti-Wein-Kreuzzug“ und damit eine „gewaltsame moralische Anklage“ gegen den Weinkonsum zu führen. 

Die Forderungen

Im Zuge der sich zuspitzenden Diskussion veröffentlichte die ANdM jüngst einen Vorschlag von strengeren Maßnahmen gegen den Alkoholverkauf. Dazu gehören Mindestpreise ebenso wie Warnhinweise auf den Etiketten, auf denen stehen soll, dass Alkohol eine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Außerdem fordert die ANdM eine Angabe der Kalorien auf den Etiketten. Und, weil die ANdM davon ausgeht, dass die Alkohollobby einen Verwässerungsprozess führt, fordert sie eine Stärkung des französischen Evin-Gesetzes, das seit 1991 die Alkoholwerbung regelt. Schließlich schlägt die ANdM vor, dem Wein einen Sonderstatus einzuräumen, insbesondere deswegen, weil Wein über die Hälfte des in Frankreich konsumierten Alkohols ausmacht.

Der ausgewogene Ansatz

Demgegenüber fordert und bekräftigt die Vin & Société einen ausgewogenen Ansatz, der auch den Status des Weins in der französischen Kultur und seine Bedeutung als zweitwichtigstes Exportgut nach der Luft- und Raumfahrtindustrie anerkennt. Die Gruppe verweist auch auf Daten des Gesundheitsamtes, dass 90 Prozent der französischen Verbraucher angeben, dass sie ihren Konsum innerhalb der von der Regierung geforderten Höchstmenge von 10 Gläsern Wein pro Woche einhalten würden. Zudem sei die Vin & Société bereit, die von der Alkoholindustrie finanzierte Kampagne, die sich an schwangere Frauen wendet und diese auffordert, keinen Wein zu trinken, zu beteiligen.

Was der Vin & Société noch ein Dorn im Auge ist, ist der langsame Verfall der Weinkultur in Frankreich. Erst vor fünf Jahren hat Frankreichs Regierung den Wein als „integralen Bestandteil des kulturellen und gastronomischen Erbes Frankreichs" propagiert, aber seither hat sich weder in der Weinkultur noch im Weintourismus wesentliches bewegt. Es ist ein Dilemma für die Grande Weinnation Frankreich …

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