Kulinarik

Weinvariationen zu: Salat!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Ein weites Feld, von grünen Blättern über Nudeln bis hin zu gehaltvollen Kompositionen mit viel tierischem Protein, die diese Bezeichnung nur im übertragenen Sinn verdienen. Für uns Weintrinker bedeutet das umso mehr Vielfalt. Salat sei schwierig zum Wein? Das finden wir wirklich überholt.

Gänzlich sinnlos sind pauschale Empfehlungen zum Salat. «Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose», schrieb die amerikanische Avantgarde-Schriftstellerin Gertrude Stein. Und meinte: Eine Rose ist eine Blume, steht aber auch für romantische Gefühle. Ein Salat ist für den einen Blattwerk, den anderen hingegen Konzept: kalt oder warm, pikant oder süss, roh oder gegart – alles ist möglich.
Das war nicht immer so. Sprachlich ist der deutsche Salat dem italienischen «insalata» entlehnt, das auf etwas Gesalzenes zurückgeht (weshalb denn auch ein Obstsalat nicht «insalata di frutta», sondern «macedonia» heisst), und von dort auf die dafür gebräuchlichen Pflanzen übertragen wurde, allen voran den Kopfsalat, ursprünglich Lattuca, später Lattich, aufgrund des austretenden milchigen Safts. Für den englischen Gelehrten John Evelyn, einen Freund von Samuel Pepys, gab es keinen Zweifel: In seinem 1699 in London erschienenen (und zu dem Thema immer noch höchst aktuellen und spannenden) Werk «A Discourse of Sallets» geht es ausschliesslich um Pflanzliches – wie es sich für einen der ersten englischen Verfechter einer fleischlosen Ernährungsweise gehört.

Eine in ihrer Schlichtheit unterschätzte Köstlichkeit

Beginnen wir also mit dem Blattwerk. Überflüssig zu betonen, dass die Auswahl von Essig und Öl eine entscheidende Rolle auf die Wahrnehmung des jeweiligen Weinbegleiters hat, nahezu neutrales Traubenkernöl etwa einen ganz anderen Effekt erzielt als pressfrisches, grün-würziges Olivenöl. Freiland-Kopfsalat, etwa eine Laitue rouge, mit wenig frischem Schnittlauch und einem ganz leichten Dressing aus wenig Schalottenwürfeln, Traubenkernöl, Weissweinessig und Salz angemacht, freut sich daher über einen Blanc de Noir, etwa von Baeder aus der rheinhessischen Schweiz, frisch und doch rund, oder einen Oeil de Perdrix wie von den Caves du Prieuré in Neuchâtel – so ein Salat ist ein Gang in sich und eine in ihrer Schlichtheit unterschätzte Köstlichkeit. Sind die Blätter kräftiger und ein wenig bitter wie von der Endivie, ob glatt oder frisée, darf auch mehr Begleitung dazukommen. Klassiker: gebratene Speckstreifen, ganz weich pochiertes Ei, Rotweinessig. Im Glas: Riesling! Ebenfalls der kräftigen, trockenen Art, wie den steinigtiefen Koberner Uhlen Alte Reben vom Lubentiushof an der Terrassenmosel. Wer bei Salat an die sizilianische Variante Fenchel und Orangen denkt (obgleich die eher in den Winter gehört), mit wenigen schwarzen Oliven und bestem Olivenöl, der begleitet das sehr gelungen ebenfalls sizilianisch mit ginsterduftigem, gelbfruchtigen und wunderbar lebendigem Grillo wie dem Timpa von Feudo Montoni aus dem Agrigento. Ganz anders, ganz sommerlich sind kurz gekochte Bohnen, am liebsten Wachsbohnen, mit roten Zwiebeln, Rotweinessig und Traubenkernöl mariniert, und dazu Matjesstreifen. Ein bisschen anspruchsvoll bei der Auswahl im Weinkeller, weil Säure im Glas hier gerne ins Seifige umkippt, aber mit Rotem Veltliner wie vom Mantlerhof im Kremstal bestens bedient. Noch aussergewöhnlicher dazu, als streue man Pinienkerne übers Ganze und drehe es in Richtung «escabèche» oder «sarde in saor», ist der trockene Malaga von Victoria Ordoñez, aus sehr alten Moscatel-Reben in bergiger Höhe, dezente weiche Frucht, die sehr lang und elegant anhält.

Wenn Salat Nudeln bedeutet, dann probieren Sie bei der nächsten Party zur Abwechslung eine asiatische Variante mit Glasnudeln, gebratenem Tofu, frischen Gemüsestreifen und einem Dressing aus Sojasauce, Limette, Chili, Ingwer, Knoblauch und Sesamöl – und öffnen trockene Scheurebe! Ja, das ist ein bisschen ein Klischee, Scheurebe und exotisch, aber mit einem fruchtbetonten Wein wie von Bickel-Stumpf aus Franken so vergnügt wie ein Sommerausflug. Stehen Sie eher auf Caesar Salad? Dann wissen Sie natürlich, dass der in den 1920ern, zu Zeiten der amerikanischen Prohibition, in einem mexikanischen Restaurant von Patron Caesar Cardini angeblich wegen erschöpfter Vorräte erfunden wurde. Er machte Römersalatblätter mit einem Dressing aus Knoblauch mit Eigelb, Anchovisfilets, Sherryessig, Parmesan und Olivenöl an und streute darüber in Butter geröstete, noch warm mit Parmesan vermischte Croûtons und Schnittlauch. Wie alle Klassiker in seiner besten Form kaum zu übertreffen – und vielen «Experten» zufolge angeblich ausgesprochen schwierig zum Wein. Finden wir nicht, wenn wir gestandenen, eleganten Chardonnay im Glas haben! Ein wenig nervig darf er sein, wie die Mâcon von Guillot-Broux, oder ganz klassisch als Meursault vom Château de Puligny-Montrachet, der daraus ein Festtagsessen macht. Sie merken schon, wir könnten jetzt quasi endlos fortfahren. Eigentlich ist es ganz einfach: Hören Sie der Säure auf dem Teller zu, und dann vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl in Sachen Wein – manchmal geht sogar Rotwein zur salatigen Vielfalt.

Straight Chardonnay: Der cremig Kraftvolle – liebt den Käse und macht Caesar Salad noch ein wenig anregender.

Chardonnay Straight 2016
Tobias Krämer
Gau-Weinheim, Rheinhessen (D)

12,5 Vol.-% | 2018 bis 2026

«Straight», geradlinig vom Weinberg, dem weissen Kalkstein des Wissbergs, durch den Keller in die Flasche und ins Glas: heferöstig, aromatisch in warmen Gelbtönen, unprätentiös und doch charaktervoll. Wieder ein junger Winzer aus Rheinhessen, der sich nicht mit «ordentlich» zufrieden gibt, aber auch keine Experimente zur Profilierung braucht. 

Despina Frizzante: Der herbe Schäumer passt zu vielen Salat-Gerichten.

Despina Malvasia Emilia Frizzante 2015
Quarticello Roberto Maestri
Montecchio, Reggio Emilia (I)

11,5 Vol.-% | 2018 bis 2023

Ein noch relativ junges, fünf Hektar kleines Weingut eines Quereinsteigers: Roberto Maestri war Biologe, bevor er sich den Reben auf den kargen Böden in Reggio Emilia zuwandte. Seine Malvasia Candia lässt er auf der Flasche zur Frizzante werden und gesteht ihr so neben all der Aromatik (getrocknete Rosenblätter) einen geschmeidigen und doch herben Körper zu – alles zusammen nimmt sie es mit Säure, Öl und allen anderen Salatkomponenten nur allzu gerne auf. 

Gaia Rosé: Der Belebende – tanzt mit den Tomaten.

Agiorgitiko Rosé 14–18h 2016
Gaia Nemea, Peloponnes (GR)

13,5 Vol.-% | 2018 bis 2021

Von Reben auf 800 Metern bringt dieser Sommerbote frische Bergluft, aber auch Mittelmeersonne ins Glas. 14 bis 18 Stunden stehen die eingemaischten Trauben vor dem Pressen, um dem Most seine leuchtende Farbe, den klassischen Agiorgitiko-Duft nach allen Arten von Johannisbeeren und einen Hauch von Erdigkeit zu verleihen.