Nordgriechenland ist so vieles in einem

Nordgriechenland: Wildschwein, Lamm, Riesenbohnen ... und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / UNYKA / zoom-zoom / Dar1930 / vaaseenaa / zi3000 / Stanislav Ostranitsa

Von den Hängen des Pindos in Epirus im Westen die Ägäisküste entlang durch Makedonien und Thessalien bis nach Thrakien im Osten, von Thessaloniki bis an die Hänge des Olymp – Nordgriechenland ist so vieles in einem. 

So viele Landschaften: Strände und Seen, Wälder und Bergschluchten, Baumwollfelder und Olivenhaine – und Weinberge. So viel Tierwelt: Schafe und Ziegen natürlich, wie überall in Griechenland, aber auch Bären und Wildschweine, Delphine, Flamingos und Pelikane, Brassen, Barsche und Oktopusse. Und so viel Vergangenheit: Steinzeitrelikte in feuchten Höhlen, Hügelgräber aus der Eisenzeit, die goldenen Überreste der makedonischen Könige. Nicht nur in Thessaloniki stehen heute antike Ruinen in architektonischer Anarchie neben modernen Wohnhäusern. Makedonier, Illyrer, Römer, Byzantiner, Slawen und Osmanen sind durchgezogen und haben ihre Spuren hinterlassen, was selbstverständlich auch für die Küche gilt, die einen grossen historischen Bogen von den alten Habsburgern bis nach Anatolien schlägt.

Ganz und gar griechisch ist jedoch die Art, Essen am liebsten als ausgedehntes Fest an der langen Tafel zu inszenieren. Zuerst füllt sich der Tisch mit Meze aller Art, mit Feta und Oliven, Thunfisch und Sardellen, gerösteten Paprika und kleinen Köfte, um den Tsipouro zu begleiten, den häufig mit Anis aromatisierten, allgegenwärtigen Tresterbrand. Dann gibt es vor allem im Landesinneren, Mittelmeerdiät hin oder her, Fleisch: Oregano-duftendes Lamm vom Grill, Souvlaki-Spiesse, Geschmortes... dazu frische Gemüse als Salat, Joghurt mit Kräutern, Kartoffeln. Und Wein, natürlich. Schliesslich: starker, schwarzer Kaffee und Süsses – viele Schichten Teig in unterschiedlichsten Formen, mit duftendem Sirup getränkt. Spätestens an diesem Punkt ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Musik ins Spiel kommt, gesungen wird, vielleicht auch getanzt, aus reiner Lebenslust, der Freude am Miteinander.

«Xinomavro ist eine Primadonna! Doch ihr Reifepotenzial ist bemerkenswert, und sie erinnert an Barolo – nicht durch DNA-Verwandtschaft, aber durch stilistisch sehr ähnliche Weine.»

Stellios Boutaris, CEO & Winemaker, Ktima Kir-Yianni

Vielfalt und Miteinander haben auch den gegenwärtigen Aufschwung der Weinszene bestimmt. Nach dem Run auf die internationalen Sorten stehen längst die heimischen Trauben im Vordergrund, wie Malagousia und Athiri, Limnio und Xinomavro. Alte Methoden werden behutsam modernisiert, eingefahrene Klischees korrigiert. Zum Beispiel Retsina: Geharzter Wein muss nicht zwangsläufig billig und furchtbar sein, er kann frisch und elegant daherkommen, er kann wunderbar rosé leuchten und nach frischen Beeren schmecken, ja, sogar Assyrtiko, der weisse Star der griechischen Rebsorten, kann sich mit dem Harz der Aleppo-Kiefer grossartig vertragen...

Es gibt also viel zu entdecken und zu erleben von Epirus bis Thrakien. Ein erster Schritt dahin: Freunde und Nachbarn einladen. Kochen, Flaschen öffnen. Und dann essen, trinken, lachen, singen, vielleicht sogar miteinander tanzen – yamas.

Der griechische Rotwein-Star: Die Heimat des Xinomavro

Obgleich er in ganz Nordgriechenland angebaut wird, ist die Heimat des Xinomavro – der vielleicht edelsten einheimischen roten Rebsorte Griechenlands – Naoussa im Herzen von Makedonien, am Fuss und an den Osthängen des Vermio, auf 150 bis 450 Metern Höhe. In Verbindung mit den Schiefer- und Tonkalkböden sowie ausreichend Niederschlag ergeben sich durch Säure und herbe Tannine gut strukturierte, komplexe Weine, die nicht nur langlebig sind, sondern sich erst mit den Jahren richtig entfalten.



Klassische Mariage: Moussaka

Angebratene Kartoffeln, Auberginen und Tomatenragout mit Lammhack geschichtet und mit cremiger Käse-Béchamel überbacken: In seiner Bestform kann dieser Klassiker grossartig sein.

Limnio, eine der ältesten roten Sorten Griechenlands, begleitet das Moussaka sehr erfrischend und nicht zu schwer mit Kräuter- und Beerenfruchtaromen sowie diskretem Gerbstoff. Cabernet Sauvignon aus den höchsten Weinbergen Nordgriechenlands in Metsovo harmoniert vollmundig und elegant mit Gemüsen und Fleisch. Eher ungewöhnlich zu Moussaka ist Assyrtiko aus Drama, stoffig und lang, mit gelbroten Noten, die mit der Säure und Frucht der Tomaten tanzen.

Limnio wirkt erfrischend und nicht zu herb.

Cabernet Sauvignon aus Metsovo ist vollmundig und elegant.

Assyrtiko aus Drama tanzt mit den Tomaten.

Neue Mariage: Wok-Gemüse mit Tofu

Frische Gemüse wie Brokkoli, Sprossen, grüne Bohnen, Paprika und Zuckerschoten knackig kurzgebraten, dazu Tofu. Alles mit Ingwer, Chili, Sojasauce und Sesamöl gewürzt: Ein solches Gericht zeigt die Vielseitigkeit der nordgriechischen Weine.

Roditis mit seiner Zitronenmineralik passt unkompliziert und erfrischend, gerne auch als Cuvée mit Sauvignon Blanc. Malagousia mag gewagt erscheinen, da die alte weisse Sorte als floral und eher leicht gilt, doch Pfirsich- und Apfelaromen harmonieren bestens mit all dem Grün, der Wein ist komplex genug für Chili und Sesam. Noch mutiger: Retsina als Rosé aus Xinomavro! Bringt schöne feinrauchige und beerige Noten ins Spiel.

Roditis erfrischt unkompliziert mit seiner Zitronenmineralik.

Malagousia harmoniert mit dem frischen Grün aus dem Wok.

Retsina aus Xinomavro fügt feinrauchige Noten hinzu.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren