Wein-Matching

Goscha-Salat und Filou-Zigarren

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 26. 10. 2020


DEUTSCHLAND (Heilbronn) – Wenn man den Enthusiasmus der Studierenden an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) mit Sitz in Heilbronn erlebt, ist eines klar: hier spielen jugendlich freies Denken, Lehrkompetenz, regionaler Bezug, handwerkliches Können, weinkulinarische Emotionen und zukunftsorientiertes Wirtschaften in perfekter Weise zusammen. Hoch interessant empfand ich den vorgestellten Studiengang „BWL Food Management“ und „Wein Technologie Management“ im Rahmen der unter Corona-Bedingungen erschwerten aber äußerst gelungenen „Heilbronner Weindorf Auslese“. 

Hinter den Studierenden stehen neben erfahrenen Dozenten, vertreten durch Rektorin Prof. Dr. Nicole Graf, auch Experten der Region, darunter die renommierte Sommelière Natalie Lumpp, der Kulinarik- und Weinexperte Otto Geisel und der Direktor des Staatsweingutes Weinsberg Dr. Dieter Blankenhorn. Organisatorisch begleitet das weinkulinarische Projekt die Heilbronner Marketing GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Steffen Schoch.

Blaupause für jede Weinregion

Wie so viele Weinregionen in Deutschland haben auch die Heilbronner mit der Anerkennung ihrer „Hausweine“ zu kämpfen, wenn diese über die regionalen Grenzen hinaus markttechnisch Aufmerksamkeit erhalten sollen. Und so wurde die Idee im Zusammenspiel mit den genannten Protagonisten, Winzern und Studierenden geboren: neue, leckere, machbare und bezahlbare Street-Food-Gerichte zu kreieren, die den regionalen Wein perfekt ergänzen, dabei nachhaltig und zeitgemäß sind und nicht zuletzt den angestaubten Geschmack auf die Ebene 4.0 heben können.

Die vorgestellten Gerichte, die eine Gruppe von Journalisten verkosten durfte, waren im Einzelnen geschmacklich hoch interessant, gesundheitlich verträglich sowie wirtschaftlich durchdacht, regional konzipiert und jedes für sich ein Highlight. Ich stelle Euch diese von Studenten der DHBW erstellten Speisen kurz vor und kommentiere ganz bewusst auf subjektive Weise.

Das Motto: „Snacks machen Weine wieder jung“ könnte man unterschreiben mit: „Food Parings auf regionaler Ebene – wie sich heimische Erzeugnisse ergänzen und befruchten können“. Aber jetzt wollen wir probieren …

 

Ochsenkuss kalt – Goscha-Salat

Die Hauptkomponenten, das hauchdünne Maul-, Zungen- und Gaumenfleisch der Rindermaske, mariniert mit Verjus und Miso, treffen auf gepickelte Gurken und Zwiebeln, Senfkaviar, Kartoffel-Speck-Knusper und Kresse-Salat, fein abgeschmeckt mit einer Vinaigrette aus Essig und Öl sowie weiter kombiniert mit dünnen Zwiebelringen und Schnittlauch. Die Empfehlung, dazu Bauernbrot oder Bratkartoffeln zu reichen, ist meines Erachtens eher eine individuelle Ergänzung, allein das Knabbern am begleitenden Leinsamenchip macht den Snack geschmacklich rund.

Der Ochsenkuss, im schwäbischen Raum auch „Goscha-Salat“ genannt, ist eine überaus gelungene moderne Interpretation dieses im süddeutschen Raum gerne und traditionell genossener Speise. Als Zielgruppe haben die DHBW-Studierenden „alteingesessene“ Schwaben und Baden ausgemacht, aber auch junge Menschen, die noch nie Innereien probiert haben. Als Vesper mit Brot könnte dieser Snack für durchaus vertretbare acht bis zehn Euro pro Portion angeboten werden, so die Kalkulation der Studenten. Serviert wird der Ochsenkuss in einer Einweg-Schale mit Gabel aus Zellulose. Dank Deckel kann der Snack auch bequem transportiert werden.

Das Studenten-Team: Silvio Petras, Luise Blatt, Felix Metzger

Kommentar

„Oh my gosh“ – wie lecker ist das denn! So fein, so pikant, so vielschichtig erscheint mir dieser Snack. Für eine gehobene Weindorf-Gastronomie perfekt, zwar aufwendig in der Herstellung, aber alle Komponenten können vorbereitet werden. Ich empfand dieses Gericht als absolut passend für die Zielgruppe, hervorragend im Geschmack mit überzeugender Frische, feiner Säure und einem wunderbaren Aromen-Potpourrie gesegnet. Ganz klar: der Ochsenkuss hat das Zeug, im Heilbronner Ratskeller sowie auf allen ambitionierten Württemberger und Badener Restaurants auf der Karte zu stehen. Perfekt passend dazu als Weinbegleiter der „Weißer Sommer“, ein Cuvée aus Rivaner, weißem Burgunder und Scheurebe vom Weingut G.A. Heinrich, der die Aromenvielfalt des Snacks noch unterstrich.


Wengerter-Vesper – Brot mit Roastbeef

So traditionell, wie der Titel vorgibt, ist das nicht, denn im Brot ist der Trollinger eingearbeitet, der sich nicht nur farblich, sondern auch angenehm geschmacklich mit Dinkelmehl, Dinklelweinhochstück und Dinkelsauer verträgt. Und gibt man dem Teig ausreichend Ruhezeit, dann wird daraus ein überaus schmackhaftes Brot mit kernig, kräftiger Kruste. Und das Roastbeef wird ebenfalls bei der Zubereitung vom Trollinger geküsst und darf sich danach gleichwohl ordentlich ausruhen. Schließlich kommen dann noch zwei feine und kongeniale Partner hinzu, eine kräftige Traubensauce, die behutsam mit verschiedenen Zutaten inklusive Trollinger einreduziert wird sowie eine feine Kräutersauce als eine Art Pesto kreiert. Mit einem Salatblatt, Gurken- und Tomatenscheiben garniert haben wir einen äußerst schmackhaften, nach mehr verlangendem „Württemberger Burger“.

Die Wengerter-Vesper richtet sich an Freunde regionaler Küche, an nachhaltig und regional denkende Genießer wie ebenso an alle Burger- und Bratwurst-Fans, die weg wollen vom Einheitsgeschmack und die sich ein pikantes Geschmackserlebnis ohne Industriezutaten wünschen. Der heimische Anteil vom Trollinger dürfte diesem sättigenden Snack zusätzlich Beliebtheit bescheren. Der Preisvorschlag von 7,50 Euro ist fair kalkuliert.

Das Studenten-Team: Adrian Seefried, Laura Meister, Daniel Eilers

Kommentar

Trollinger-Brot, zwei pikante und feine Saucen sowie das Roastbeef, letztere mit Trollinger verfeinert, sind ein Quartett für eine gehobene Vesper und gleichzeitig aber auch auf der Hand jederzeit unkompliziert und positiv gemeint, rustikal zu verschlingen. Ich habe diesen auf geniale Weise dekonstruierten Burger komplett verspeist – echt lecker. Wer den „Wengerter Vesper“ – ich würde ihn frech „Heilbronner Burger“ nennen, anbietet, kann sich vor Zulauf wohl nicht retten. Der dazu gereichte Trollinger von alten Reben des Weinguts G.A. Heinrich zeigte, was an echten Food&Wein-Pairings so im Heilbronner Land möglich ist. Einfach top!


Veganer Räucherlachs-Bagel

Die Zubereitung erscheint aufwendig, aber andererseits ist sie diffizil und jedenfalls raffiniert innovativ gedacht im Hinblick, um den avisierten Fischgeschmack in eine Möhre zu transferieren. Ich war skeptisch ob diesem Anspruch, der nachweislich konzeptionell, produktionstechnisch, wirtschaftlich und zielgruppenorientiert überlegt und ohne Frage sehr gut gelungen ist. Die kongeniale Meerettichmouse und der umhüllende Dinkelbagel sind mittragende Komponenten, um daraus einen handlichen, geschmacklich geschmeidigen Snack zu bilden.

„Zur Zielgruppe gehören die sogenannten LOHAS (lifestyle of health and sustainability) mit bewusstem und nachhaltigem Konsum, Experimentierfreudigkeit, Interesse an innovativen Speisen und überwiegend pflanzlicher sowie gesundheitsbewusster Ernährung“, konstatieren die Studi-Produzenten dieses veganen Bagels, der aufgrund seiner „Exklusivität“ als Snack für sechs Euro angeboten werden könnte.

Das Studenten-Team: Theda Leiseder, Nele Berg, Tamara Elbl

Kommentar

Fisch-Möhre – wie cool! – Allerdings, Mouse und der Dill ließen mich an Fisch denken. Die Möhre entfaltete am Gaumen subtile Aromen und war schmackhaft, nur fischig in Sachen Konsistenz war sie nicht, jedenfalls für meinen Geschmack. Schwer tat ich mir mit dem Dinkelbagel, der mir die Aromenaufnahme der „Fisch-Möhre“ in Kombination mit der Mouse durch zu viel trockenen Brotanteil im Mund erschwerte. Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, statt mit einem Dinkelbagel, diesen Snack mit einem „feineren“ oder im Sinne des Volumens „leichteren“, eventuell gerösteten brotähnlichen Begleiter zu gestalten.

Auch zu diesem Snack perfekt ausgesucht ein Weißer Burgunder vom Weingut G.A. Heinrich, den ich als sehr angenehmen Allrounder empfand und der auch zum Ochsenkuss gut gepasst hätte.


Filou ‚o‘ Forelle (Fisch-Zigarren)

Alle Zutaten dieses „Schmacko-Fatz“ stammen aus Baden-Württemberg, sind teilweise ganzjährig erhältlich. Dieser Snack aus Forellen-Kartoffelstampf mit Kräutern gewürzt und von einem leichten Filouteig umhüllt, zeichnet sich durch seine schon erahnbare leichte Verdaulichkeit aus, ist eine Protein-und Vitaminquelle, enthält Omega-3-Fettsäuren und Mineralstoffe. Das Zusammenspiel mit den beiden begleitenden Dips, einer Kombination aus erstens Meerrettich und Roter Bete (rot) und zweitens einer Knoblauchcreme (weiss) mit den dazu gereichten Weinen harmonierte wunderbar und war gleichzeitig kulinarisch sehr spannend. 

Filou ‚o‘ Forelle passt bestens in eine Gruppe jung oder jung gebliebener Genussmenschen bei sommerlichen Treffen oder zum Ausklingen eines Weinabends, meint das DHBW-Produktteam. Dieser Snack, jeweils mit drei „Zigarren“ und zwei Dips (rot-weiss) könnte für 4,50 Euro angeboten werden. Zielgruppe seien Pescetarier, Flexitarier im Alter zwischen 40 – 50 Jahren, für die Nachhaltigkeit und Regionalität  hohen Stellenwert hat.

Das Studententeam: Anna Schneider, Luna Faßbender

Kommentar

Augenbraunen nach oben! Besonders gelungener, sehr subtiler, feiner und eleganter Snack. Ich empfand den „roten“ Dip sehr spannend zur „Zigarre“ in Kombination mit dem Muskateller von der Kellerei Flein-Thalheim, der sich überbot in fruchtiger Harmonie – sehr feines Pairing. Ebenfalls delikat und gleichzeitig elegant umgarnte das Cuvée „Mrs. X“ vom Weingut G.A. Heinrich die Knoblauchcreme. Sportlich gesehen wäre meine Wertung 1:0 für rote Creme und Muskateller. Jedenfalls, diese weinkulinarischen Kombinationen könnte ich mir nicht nur bei rustikalen Festen, sondern auch und vielmehr zu einem Lunch auf einer sonnendurchfluteten Terrasse oder in einem Dinner im heimeligen Wintergarten mit Genussfreunden und ohne Frage, auch in der gehobenen Gastronomie vorstellen.


Über die DHBW Heilbronn

Die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) ist die erste duale, praxisintegrierende Hochschule in Deutschland. Gegründet am 1. März 2009 führt sie das seit über 40 Jahren erfolgreiche duale Prinzip der früheren Berufsakademie Baden-Württemberg fort. Mit mehr als 35.000 Studenten ist die DHBW die größte Hochschule des Landes.

Die DHBW Heilbronn ist das jüngste Mitglied unter dem Dach der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Mittlerweile hat sie sich mit ihrem einmaligen Studienangebot zur ersten Adresse für die Lebensmittelbranche entwickelt. Fast 1.300 Studierende sind derzeit in den BWL-Studiengängen Handel (B.A.), Dienstleistungsmanagement (B.A.), Food Management (B.A.) und im Studiengang Wein-Technologie-Management (B.Sc.) in Kooperation mit der LVWG Weinsberg eingeschrieben. Ab Herbst 2020 ergänzen die neuen digitalen Studiengänge Wirtschaftsinformatik (B.Sc.) und BWL-Digital Commerce Management (B.A.) das Studienprofil der DHBW Heilbronn.

Als aktiver Gestalter der Wissensstadt Heilbronn befindet sich die Studienakademie auf dem modernen Bildungscampus der Dieter Schwarz Stiftung und verfügt über ein State-of-the-Art Laborzentrum, das DHBW Sensoricum.  Gemeinsam mit über 700 Dualen Partnern bildet die DHBW Heilbronn im dreimonatigen Wechsel zwischen Theorie und Praxis in drei Jahren akademischen Nachwuchs aus.


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