Überraschend kombiniert

Merlot und Schokolade

Text: Benjamin Herzog, Foto: Martin Hemmi

Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von Wein und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen in dieser Serie vor. Zur zartbitteren Schokolade serviert Benjamin Herzog fruchtig-jungen Rotwein.

 

Rotwein und Schokolade – diese Kombination überrascht den kulinarisch interessierten Weintrinker schon lange nicht mehr. Unzählige Seminare und Workshops werden dazu angeboten, und kein Buch zum Thema Wein und Speisen kommt ohne ein Kapitel zu dieser Mariage aus. Eine gelungene Schokolade-Wein-Kombination kann in der Tat grossen Genuss bieten, doch falsch kombiniert ist diese Mariage ein Greuel.

Ich erinnere mich noch gut, als die Schweizer Schokoladenhersteller begannen, den Kakaogehalt ihrer dunklen Kreationen gross auf die Verpackung zu schreiben. Es wirkte fast so, als ob der eine den Kakaogehalt des anderen immer weiter überbieten wollte. Damals konnte ich mit hochprozentiger Schokolade gar nichts anfangen. Doch mit dunkler Schokolade verhält es sich wie mit Wein oder Kaffee – je mehr man davon probiert, desto offener wird man für das Extreme. Für meinen aktuellen Geschmackssinn liegt der optimale Kakaogehalt einer dunklen Schokolade bei 60 bis 65 Prozent. Bei stärker konzentrierten Schokoladen ist mir der Geschmack zu herb und belegend. Aber 65 Prozent, das ist doch schon mal was.

Es ist noch nicht sehr lange her, als ich bei der Confiserie Vollenweider in meiner Heimatstadt Winterthur eine Tafel Schokolade mit einem Anteil von 65 Prozent Kakao aus Venezuela und dem Zusatz Fleur de Sel entdeckte. Die 65 Prozent erfüllten also mein Kriterium für eine gute dunkle Schokolade, und das mit dem Salz dazu kannte ich nur vom Hörensagen. Wow! War das eine Geschmacksexplosion. Nur dieses kleine bisschen Salz auf der Unterseite der Schokoladentafel liess diese zu etwas völlig Neuem, für mich bis dahin Unbekanntem werden. Sie war vollmundiger als alle Schokoladen, die ich bis zu diesem Tag genossen hatte, zeigte ein unglaubliches Gaumenspiel, einen animierenden Schmelz und einen wunderbar salzig-herben Abgang. Ich muss sagen, diese dunkle Tafel war für mich eine Offenbarung, und das erste Mal in meinem Leben verspürte ich die Lust, zu einer Schokolade einen Rotwein zu probieren.

Ich schenkte mir also ein Glas des Tessiner Merlots ein, der noch offen stand. Wow! Schon wieder! Die so schon perfekt ausgewogene, gesalzene Schokolade gewann durch die Fruchtigkeit des Weines zusätzlich an Komplexität und wurde aromatisch unendlich lang. Es ist eine der Kombinationen, von denen ich gar nicht genug kriegen kann. Bis entweder die Flasche leer oder die Schokoladentafel aufgegessen ist.

Seit diesem Erlebnis habe ich öfters Rotwein und dunkle Schokolade probiert, letzthin habe ich eine 60-prozentige Kreation mit eingearbeiteten Brombeeren gekauft und entdeckt, dass diese hervorragend mit dem gerade geöffneten Garnacha aus Nordspanien harmonierte. Ich denke, das wird nicht mein letztes Schokoladen-Wein-Experiment gewesen sein. Ein wirklich faszinierendes Paar.

Versuchen Sie’s!

Die Speise

Basis jeder Schokolade ist die Rohmasse, die aus Kakaobohnen hergestellt wird. Ihre Herstellung hat durchaus Parallelen zu der von Wein. So muss die Kakaofrucht zum Auslösen der einzelnen Bohnen zunächst fermentiert, also vergoren, werden. Dabei werden Aromenvorstufen gebildet, die später in der Schokolade auftauchen und chemisch mit Weinaromen verwandt sind. Auf der anderen Seite weisen Barrique-gereifte Weine oft röstartige Aromen auf, die mit Schokolade in Verbindung gebracht werden – diese rühren meist von einem weiteren Arbeitsschritt, dem Rösten der Kakaobohnen, her. Für die Kombination mit einem trockenen Rotwein ist eine dunkle Schokolade mit einem Kakaogehalt von 60 bis 70 Prozent zu wählen.

Der Wein

Zu dunkler Schokolade passen junge, fruchtige Rotweintypen, zum Beispiel aus den Sorten Merlot oder Grenache gekeltert. Würzigere Schokoladen können aber auch mit einem geschmeidigen, nicht allzu eleganten Pinot Noir kombiniert werden. Wer auf der Suche nach einer süsseren oder herberen Kreation ist, sollte sich an Milchschokolade und restsüssem Riesling oder wirklich starker Schokolade und einem gespriteten, oxidativen Süsswein probieren.

Die Mariage

Um eine perfekte Symbiose aus Schokolade und Wein erleben zu können, sollte man sich entweder auf den Rat eines Sommeliers oder Freundes einlassen oder – noch besser – spontan drauflos probieren. Die hier beschriebene Kombination vereint fruchtig-jungen Rotwein mit der bitteren Herbe einer hochprozentigen Schokolade. Die oft etwas grünlichen, trocknenden Tannine des jungen Weins vereinen sich überraschend gut mit der herb-sauren Intensität dunkler Schokolade. Spürbar ist das vor allem im Nachhall, der durch das Zusammenspiel harmonisiert wird. In der Schokolade verarbeitete Früchte oder Gewürze, deren Aromatik auch im Wein wiederzufinden ist, unterstützen das Gelingen dieser Mariage zusätzlich.