Eiswein passé

Das Ende eines Synonyms

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 10. Februar 2020


DEUTSCHLAND (Bodenheim) – Es gibt keine Hoffnung mehr für den süßen teuren Nektar aus Deutschland. Der diesjährige warme Winter begründet die nüchterne Tatsache, dass in den 13 Anbaugebieten zum wiederholten Mal in der Geschichte des deutschen Weinbaus nur eine Minderheit von fünf Weingütern Eiswein produzieren konnten. Die generell dafür nötigen Fröste gab es in diesem Winter nicht und wenn, dann offensichtlich nur in speziell günstigen Kleinklimata. Winzer, die für den Eiswein noch Trauben am Stock hängen liessen, sind enttäuscht.

„Eine Reihe von warmen Wintern hat die Eisweinproduktion in der vergangenen Dekade immer mehr eingeschränkt“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI) in Bodenheim bei Mainz. Und in der Tat, in 2017 schafften es nur sieben Produzenten, Eiswein zu erzeugen, noch weniger waren es in 2013, damals meldeten nur fünf deutsche Winzer, wie jetzt auch in 2019, eine erfolgreiche Eisweinernte.

„Wenn sich die warmen Winter in den kommenden Jahren häufen, werden Eisweine aus den deutschen Anbaugebieten bald eine noch teuere Rarität werden, als sie dies bereits sind“, sagt Bücher. Laut DWI sei im 20. und 19. Jahrhundert durchgängig Eiswein produziert worden. Man gehe davon aus, dass in den zwei vergangenen Jahrhunderten seit 1830 – damals wurde erstmals urkundlich belegt Eiswein in Deutschland produziert – stets auch erfolgreiche Eisweinlesen stattfanden. Dabei beziehen sich die Chronisten auf Aufzeichnungen und auch auf die Tatsache, dass das Klima im 19. Jahrhundert durchgehend kälter war.

Passion Eiswein

Die Herstellung von Eiswein obliegt gewissen sich bedingenden Kriterien. Neben einem straffen Qualitätsmanagement im Weinberg während der gesamten Vegetationsperiode sind vor allem ein ertragsreduzierender Rebschnitt und eine strenge Reduktion der Trauben vor der eigentlichen Lese eine Grundvoraussetzung. Winzer, die ihre Eisweinproduktion mit Passion betreiben, achten peinlich auf gesundes Lesegut, möglichst ohne Botrytis-Befall, der für die sogenannte Edelfäule verantwortlich ist. Die Sorgfalt um die Trauben eines zukünftigen Eisweins, übers Jahr gesehen, machen genau den geschmacklichen Unterschied zu den verwandten edelsüßen Vertretern Beerenauslese (BA) und Trockenbeerenauslese (TBA) aus, bei denen mit Edelfäule (Botrytis) befallende Trauben eher eine Hauptrolle spielen. 

Nur in Wintern mit ausreichender Durchfrostung bei anhaltenden streckenweisen Minusgraden zur rechten Zeit von durchschnittlich 8 °C unter null werden die am Stock gefrorenen Trauben in der Regel bis Ende Januar/Anfang Februar geerntet. In den Trauben trennt sich bei solchen Minustemperaturen das Wasser von der Fruchtsäure. Beim vorsichtigen Pressen unter kühlen Bedingungen im Keller verbleibt durch diese Trennung der Flüssigkeiten ein hoch konzentrierter Saft als die Essenz eines Eisweins. Das Risiko des Ernteverzichts auf einen Teil gesunder Trauben, das Pflegen und Warten auf Frosttage, die aufwendige Art im Dunkeln am frühen Morgen die gefrorenen Trauben zu lesen mit begleitender aufwendiger Vinifikation, machen verständlich, wenn hierzulande nur geringe Mengen von Eiswein zu adäquaten Preisen produziert werden.

Süßweinländer & Absatzländer

Angrenzend zu Deutschland produziert Luxemburg in „Mini-Dosen“ Eiswein. Aber vor allem gehört Österreich zu den Weinbauländern mit großer Erfahrung in der Herstellung von Süßweinen, darunter auch Eiswein. In Ungarn ist es der Tokayer, der allerdings nicht aus gefrorenen Trauben, sondern aus teilweise edelfaulen, geschrumpften Trauben mit Botrytis-Befall gekeltert wird. Beste Bedingungen für Eiswein aus gefrorenen Trauben herrschen auf der Niagara-Halbinsel (Kanada/USA). Dort im nördlichen Teil des US-Staates Michigan und im US-Staat Ohio, hier im Ashtabula County nahe dem Eriesee, werden seit 1975 Eisweine produziert. 

Die Hauptanbaugebiete für Eiswein in Kanada sind die Provinzen Ontario im Osten und British Columbia im Westen. In Kanada wurde der süße Nektar erstmals 1973 vom deutschen Einwanderer und Winzer Walter Hainle produziert. Heute ist Kanada der größte Eiswein-Produzent der Welt. 

Dennoch ist Deutschland noch das Synonym für Eiswein, das sich aufgrund anhaltender Klimaverhältnisse in eine traurige Geschichte verwandeln und somit auch seine angestammte Bedeutungsgleichheit verlieren könnte. Laut DWI gehören zu den wichtigsten Märkten für deutschen Eiswein die asiatischen Länder Japan und China, sowie Skandinavien und die USA. Es sind ebenso die Märkte, die sich die womöglich letzten Eisweine Deutschlands leisten werden.

Die Erfolgreichen

Zitat aus der Meldung des Deutschen Weininstituts (DWI): „Neben dem Weingut Zimmerle aus dem württembergischen Remstal, das am 22. Januar bei minus –8 °C Eisweintrauben der Sorte Riesling mit einem Mostgewicht von 155 Grad Oechsle gelesen hatte, waren nach jüngsten Mitteilungen bereits am 5. Dezember 2019 auch die Sasbacher Winzerkeller aus Baden am Kaiserstuhl, die Winzer eG Herrenberg-Honigsäckel im pfälzischen Bad Dürkheim-Ungstein mit einer Eisweinlese der Sorte Riesling sowie das Weingut Annenhof aus dem rheinhessischen Sprendlingen mit einer Eisweinlese der Sorte Silvaner erfolgreich.“

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