Wein aus dem Swartland

Trinken, kochen, essen: Lamm, Oliven, Roosterkoek… und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: StockFood / Gallo Images

Swartland, das «schwarze Land» eine Autostunde nördlich vom Kap, bildet heute die Speerspitze der südafrikanischen Weinbranche, war aber noch vor gut 20 Jahren für Wein nahezu unbekannt. Reben, Trauben – ja, die gab es dort durchaus neben all dem Getreide, den Tabakfeldern und den Weiden, aber sie verschwanden als No-Names in der Fassweinware grosser Genossenschaften.

Heute hingegen ist das Swartland, und vor allem sein Herz, der Paardeberg, Symbol einer grundlegenden Neuorientierung des südafrikanischen Weins und gleichbedeutend mit dem Anspruch auf die Weltspitze. Das beruht vor allem auf der harten Arbeit, aber auch der Vision einer kleinen Gruppe von Pionieren, den sogenannten Swartland-Revoluzzern. Doch wie fanden die ins «schwarze Land»? Dessen Name ist übrigens weder rassistisch noch vom Boden geprägt, sondern vielmehr der natürlichen Vegetation geschuldet: Das feingefiederte Graugrün des Renosterbos (wörtlich: Nashorn-Busch) wirkt im Herbst nahezu schwarz. Seit Anfang der kolonialistischen Historie Südafrikas Mitte des 17. Jahrhunderts gilt dieser Landstrich als Kornkammer des Landes, und bis heute ist das Miteinander von grossflächig aufgestellten, konventionellen und häufig sehr konservativ denkenden Farmern einerseits und der ihrerseits auf Nachhaltigkeit, Biodiversität und Naturnähe bedachten neuen Generation von Winzern beileibe kein grundsätzlich harmonisches.

Die Farmer waren nach eigenem Empfinden schon immer hier, behandeln ihre ausgedehnten Getreidefelder per Hubschrauber mit Herbiziden und fackeln nach der Ernte das verbliebene Stroh einfach ab. Das Stadtbild von Malmesbury, häufig als «Herz des Swartlands» bezeichnet (was aus heutiger Winzersicht eher der Paardeberg ist), wird von einer Reihe mächtiger Getreidesilos beherrscht. Der alkoholische Standard in Farmerkreisen ist Brandy oder allenfalls sehr günstiger Wein.

«Wir brauchen keine Boutique-Weingüter mit ‹Storys›, sondern Innovation und Aufbau, etwas, das zum Grossen beiträgt und unseren Horizont erweitert.»

Eben Sadie, Winzer im Swartland

Die Swartland-Pioniere verschlug es beinahe aus Zufall hierher. Viele von ihnen hatten die letzten Jahre der Apartheid im Ausland verbracht und auf Weingütern in Australien, Kalifornien, Südamerika oder Europa Wissen und Erfahrung gesammelt. Nach 1994 kehrten sie allmählich zurück ans Kap, wesentlich besser ausgebildet und mit den Weinen der Welt vertraut als die übrige Weinbranche Südafrikas, die von der politischen und wirtschaftlichen Isolierung gezeichnet war und sich vor allem auf die Produktion von Brandy und portweinähnlichen Weinen kapriziert hatte. Die jungen Winzer hingegen waren voller Idealismus und Tatendrang; sie wollten Wein machen, und zwar keine Bordeaux- oder Kalifornien-Imitate, sondern eigenständige Gewächse. Was ihnen dafür fehlte, waren Weinberge und Eigenkapital. Viele verdingten sich zuerst als Kellermeister bei den grossen Namen in den Winelands in Kapstadt, Stellenbosch und Franschhoek und machten nebenbei das eine oder andere Fass Wein aus gekauften Trauben.

Bis der Unternehmer Charles Back mit seinem Weingut Spice Route westlich vom Paardeberg buchstäblich neue «Jagdgründe» erschloss und die Weinbauspezialistin Rosa Kruger ihnen die Augen öffnete für das ungeheure Potenzial der alten Buschreben des Swartlands und der Vielfalt der Böden – Granithänge wie in Hermitage, Schiefer wie im Priorat und an der Mosel, roter Ton wie in der Toskana, dazu Sandstein, von zehn bis auf tausend Meter, mit ausreichend Wind… und das alles zu erschwinglichen Preisen, wenn man bereit war, alte Schuppen und Pferdeställe aus eigener Kraft zu renovieren. Wer das tat, war Revoluzzer, und machte, ach was, macht bis heute Weine, die vom Swartland erzählen, dort fest verwurzelt sind, in gewisser Weise entspannt und ländlich wirken und doch voller Charakter und Energie stecken. Wahrhaft inspirierend, nicht nur im europäischen Winterhalbjahr!

Geschichte des Weinbaus

 Das Old Vine Project

Die Erkenntnis von Potenzial und Wert alter Rebanlagen war ein entscheidender Faktor für den gegenwärtigen Qualitätsaufschwung der Weinkultur im Swartland, wobei die Weinbauspezialistin Rosa Kruger wiederum eine essenzielle Rolle spielt. Von der Zusammenarbeit mit ihr inspiriert, rief Eben Sadie 2009 das Old Vine Project ins Leben, das Einzellagen mit mindestens 35 Jahre alten Reben zertifiziert und allen Produzenten offensteht. Das Intention ist, höhere Traubenpreise zu erzielen, damit die alten Rebstöcke nicht gerodet, sondern geschätzt werden.

Klassische Mariage: Lamm-Sosaties

Lamm aus dem Swartland ist in Südafrika ein Qualitätsbegriff, und Sosaties sind sehr beliebt beim Braai, dem unverzichtbaren Grillen.

Wie auch der Kürbis-Auflauf Bobotie stammen diese Spiesse aus Lammfleisch mit Aprikosen und Zwiebeln aus der Cape-Malay- Küche mit ihren südostasiatischen Wurzeln. Sie werden mit Knoblauch, Ingwer, Currypulver und Kreuzkümmel scharf gewürzt, etwas Aprikosenkonfitüre und Essig akzentuieren die fruchtige Seite. Die weissen Cuvée-Weine aus dem Swartland kommen mit all diesen Facetten ausgezeichnet zurecht.

Dazu passen: weisse Cuvée-Weine aus dem Swartland

Die Cuvée-Weine sind meist eine Kombination aus Chenin Blanc mit allen anderen südlichen Rebsorten, von Clairette über Marsanne bis zu Palomino, sie freuen sich über die Frucht und tolerieren Schärfe.

Neue Mariage: Wildschweinragout mit Thymian, Salbei und Rosmarin

Statt mit den üblichen beinahe weihnachtlichen Wildaromen harmoniert Wildschwein auch sehr gut mit mediterranen Gewürzen.

Mit Olivenöl, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten angebraten, dann mit Rotwein abgelöscht, duftet es wunderbar herbstlich aus dem Schmortopf. Da fühlen sich die Weine aus den ursprünglich portugiesischen Sorten, die im Swartland seit beinahe einem Jahrhundert wachsen, ganz besonders wohl; Klima und Böden ähneln in weiten Teilen der Situation am Douro im Norden Portugals. Als erster Europäer landete 1488 Bartolomeu Dias, ein portugiesischer Entdecker, in Südafrika.

Dazu passt: Tinta Barocca aus dem Swartland

Tinta Barocca wird häufig mit Touriga Nacional verschnitten, beide Sorten sind seit nahezu einem Jahrhundert im Swartland zu finden. Es sind feinbeerige, duftige und doch tanninkräftige Weine, die perfekt zum Ragout passen.

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