Wiener Wein

Trinken, kochen, essen: Schnitzel, Aufstrich, Tafelspitz… und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: StockFood / Brigitte Sporrer

Wien und Wein, das gehört sicher schon zwei Jahrtausende zusammen, war aber in der neueren Gegenwart bis vor kurzem meist gleichbedeutend mit Weinseligkeit und Heurigenstimmung – wogegen an sich nichts einzuwenden ist. Aber da geht so viel mehr im Glas, wie eine neue Generation von Winzern nun schon seit Jahren zeigt.

Ob die Menschen und die Mammutherden der Wiener Altsteinzeit bereits wilde Trauben gegessen oder gar Wein getrunken haben, sei dahingestellt, für die Kelten der Eisenzeit sind Fermentationsversuche durchaus anzunehmen. Doch als dann das keltische Vindobona, wo heute Hofburg, Oper und Burgtheater vom Ring umgeben das Zentrum Wiens bilden, vor 2000 Jahren von den Römern als Militärlager und Grenzstadt zur Sicherung ihrer Provinz Pannonien annektiert wurde, ging es ernsthaft zur Sache mit dem Rebbau, denn wie allerorten im Imperium mussten die Kaiser ihre Truppen mit Wein versorgen. Die Lage am Strom der Donau, weit im Osten des weströmischen Reichs, war günstig für den Handel, aber auch exponiert; Völkerwanderungen sorgten für reichliches und beileibe nicht immer friedliches Wogen. Langobarden, Awaren, Slawen, Franken, Baiern, Ungarn, Babenberger und schliesslich – wenn sich dies in der Geschichte je so sagen lässt – Habsburger, mit türkischen und französischen Zwischenauftritten, dem berühmten Wiener Kongress… Wein war zweifellos immer im Spiel.

«Meine Vision ist die Umsetzung des Wienerischen im Wein. Eine Sorte ist ein Instrument, ein Gemischter Satz ein ganzes Orchester.»

Fritz Wieninger, Wiener Winzer in dritter Generation

Wer auf sich hielt, servierte allerdings importierten Wein aus Frankreich, Spanien oder (drittrangig) Ungarn. Getrunken wurde der lokale «Säuerling» dennoch, von den einfachen Leuten, die weder Hof noch auf sich hielten, sondern Ausgleich für die tägliche Schufterei suchten. In den Weindörfern ausserhalb der alten Stadtmauern – in Grinzing, Sievering, Neustift und Nussdorf, in Stammersdorf, Strebersdorf und Liesing – sass man direkt neben den Reben beim Heurigen aus den Trauben des letzten Jahrgangs. Noch Ende der 1960er Jahre beruhte der Ruf des Wiener Weins so vor allem auf der sprichwörtlichen Wiener Gemütlichkeit, unterstützt von Buschenschank, Schrammelmusik und Brettljause. All das war extrem beliebt – die wirtschaftliche Lage der Weinhauer blieb aufgrund der enormen Zersplitterung in kleinste Rebflecken und des Vordringens der Stadtrandbesiedlung trotzdem misslich, die Versuchung, mit illegal zugekauftem, einfachstem Wein ein wenig extra zu verdienen, war dementsprechend gross.

Bereits ab den 1970ern suchten einzelne Produzenten nach einem Ausweg, bemühten sich, das Potenzial der Wiener Lagen allgemein und des Wiener Gemischten Satzes im Besonderen im Glas zu beweisen. Ab der Jahrtausendwende hatten ihre Anstrengungen und vor allem die der folgenden Winzergeneration, die eigentlich als revolutionär zu bezeichnen ist, Erfolg. 2008 ernannte die Slow- Food-Bewegung den neuen alten Wein aus mehreren Sorten zum Presidio, zehn Jahre später wurden die besten Lagen ins Portfolio der Österreichischen Traditionsweingüter aufgenommen. Heute sind die Wiener Weinberge vor Bebauung oder Vernachlässigung längst amtlich geschützt. Wien ist weltweit die einzige Metropole mit derart direkter, hochwertiger Weinversorgung. Dies tut der Gemütlichkeit samt Musik und Brettljause keinen Abbruch.

Geschichte des Weinbaus

Wiener Gemischter Satz

Der Gemischte Satz, also das Pflanzen und Ernten mehrerer Rebsorten zugleich in einem Weinberg, ist eine früher weit verbreitete Methode, sich als Winzer gegen die Widrigkeiten der Natur zu schützen: Wenn eine Sorte leidet, liefern die anderen immer noch Trauben; ausserdem vereint sich so Reife mit Frische, Tiefe mit Aromatik. In Wien hat er sich nicht nur besonders lange gehalten, sondern geniesst seit 2013 auch DAC-Status; die Weine müssen aus mindestens drei weissen Qualitätssorten, die jeweils einen Anteil von höchstens 50 und mindestens 10 Prozent haben.



Klassische Mariage: Wiener Schnitzel

«Das Wiener Schnitzel […] ein mit Mehl, dann geschlagenem Ei und Semmelbrösel paniertes Kalbsschnitzel, […] in Schweineschmalz goldgelb herausgebacken und mit einer Zitronenspalte oder -hälfte serviert», sagt das österreichische Landwirtschaftsministerium.

Es handle sich um eine Festtagsspeise, deren genauer Ursprung sich in der Historie verliere; auf alle Fälle sei es heute eine «Lieblingsspeise der österreichischen Bevölkerung». Was das Ministerium nicht erwähnt: wie gut ein (gutes!) Wiener Schnitzel zum Wiener Gemischten Satz passt. Der bringt ausreichend Körper für die schmalzduftende Panier mit, aber auch viel Frische und Aromatik, so dass die Zitrone beinahe überflüssig ist.

Dazu passt: Wiener Gemischter Satz

Er begleitet ein Wiener Schnitzel mit ausreichend Körper, um der Panier auf Augenhöhe entgegenzutreten, und unterstreicht die Leichtigkeit des dünnen Fleisches mit viel Frische und Aromatik.

Neue Mariage: Rotes Kürbis-Curry

Eigentlich ist noch richtig Sommer, und doch liegen schon die ersten Kürbisse im Gemüseregal: Der Herbst naht! In einer roten Currysauce mit Chili, Ingwer, Limette und Kokosmilch ist besonders die Sorte Hokkaido eine perfekte Grundlage für die feine fleischlose Küche.

Diese wird von Grünem Veltliner aus Wien hervorragend, ja nicht nur begleitet, sondern förmlich ergänzt. Er bringt neben Kräutern viele Fruchtaromen mit, erinnert an Minze und Wacholder, Tabak und weissen Pfeffer, aber auch Grapefruit und Birne. Die Säure ist reif und doch frisch, was den Duft von Zitronengras, Galgant und Koriander unterstreicht und der Chilischärfe schmeichelt.

Dazu passt: Grüner Veltliner aus Wien

Er ergänzt mit Kräuter- und Fruchtaromen den Duft des roten Currys, die reife Säure schmeichelt der Chilischärfe. Er unterstreicht ausserdem die nussigmürbe Art des Kürbisses.

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