Und jetzt: Spüren, woher es kommt!
Die grosse Verkostung
Text: Harald Scholl; Verkostung: Harald Scholl und Nicole Harreisser

Österreichs Herkunftssystem ist ein durchdachtes Bauwerk – mit den Ortsweinen als tragender Mittelschicht. Sie liegen über den Gebietsweinen, die die breite Basis bilden, und unter den Riedenweinen, dem Feinsten vom Feinen. Ortsweine erzählen im besten Fall, wie ein Ort schmeckt: eigenständig, typisch, aber nicht uniform. Und damit man weiss, woher der Wind weht, steht der Ortsname gleich vorne drauf.
Ortsweine sind mehr als ein Zwischenstück in der Herkunftspyramide. Sie sind ein Versprechen: für Profil, Wiedererkennung und Herkunft im Glas. Wer sie ernst nimmt – und das tun immer mehr Winzer –, nutzt sie als Bühne für das, was ein Ort wirklich kann. Und genau das zeigt sich jetzt eindrucksvoll im Jahrgang 2023. Die Bedingungen waren ideal für präzise, sortentypische, aber nie banale Weine. Gerade bei den Weissweinen bringt das Ortsweinsegment eine verblüffende Vielfalt auf die Bühne, sowohl stilistisch als auch qualitativ.
Grüner Veltliner dominiert naturgemäss das Bild, aber ohne in beliebige Routine zu verfallen. In vielen Ortsweinen zeigte sich eine neue Ernsthaftigkeit: weniger Frucht, mehr Struktur, mehr Zug. Besonders im Kamptal, im Traisental und im westlichen Weinviertel sind Veltliner dabei, ihren Ausdruck zu schärfen, zeigen sich nicht laut, sondern klar. Wer sich mit dem Jahrgang 2023 beschäftigt, wird feststellen: Das ist kein Showstar-Jahr, sondern eines für alle, die auf Balance und Herkunft stehen. Ähnlich ist es auch beim Sauvignon Blanc. Er profitiert von der frischen, aber nicht grünen Stilistik des Jahrgangs. In der Südsteiermark – ohnehin eine Art Heimat für Ortsweine mit Anspruch – gelingen Weine, die nicht auf Exotik setzen, sondern auf Präzision. Viele Betriebe verzichten bewusst auf die tropische Aromatik früherer Jahre und zielen auf Geradlinigkeit, Kräuterwürze und salzige Kühle. Das tut der Sorte gut und dem Ortswein-Profil ohnehin. Weissburgunder und Chardonnay spielen in vielen Regionen eine stille, aber zunehmend wichtige Rolle. Im nördlichen Burgenland, in Teilen der Thermenregion und im Traisental entstehen Weine, die leise auftreten, aber lang nachwirken. Gerade der Weissburgunder zeigt im Jahrgang 2023 viel Textur, dabei aber keine Schwere, ergo: ein idealer Speisenbegleiter mit Herkunft. Chardonnay wiederum wirkt in den besten Fällen fast kalkig, nie fett, oft hat er einen feinen Biss und eine elegante Reife.
Die rund 150 verkosteten Weine aus den Jahrgängen 2023 und einigen frühen 2024ern zeigten deutlich: Der Ortswein hat sich emanzipiert. Er will nicht mehr nur der Übergang sein vom Gebietswein zur Riede. Sondern Ausdruck eines Ortscharakters, den man schmecken kann. Viele Betriebe beweisen inzwischen grosses Fingerspitzengefühl in der Vinifikation, lassen Weine spontan vergären, gönnen ihnen mehr Zeit auf der Hefe, arbeiten mit gebrauchten Fässern statt mit Technik aus dem Labor. Wer zuhört, wird merken: Es spricht nicht die Rebsorte, es spricht der Ort.
Die Top 10 der verkosteten Weine
Rang | Beschreibung | |
---|---|---|
1 | 95/ 100 Punkte | Niederösterreich, Österreich Weingut Bründlmayer |
2 | 93/ 100 Punkte | Burgenland, Österreich Weingut Andi Kroiss |
3 | 93/ 100 Punkte | Steiermark, Österreich Weingut Tement |
4 | 93/ 100 Punkte | Niederösterreich, Österreich Weingut Stadt Krems GmbH |
5 | 93/ 100 Punkte | Niederösterreich, Österreich Weingut Pichler F.X. GmbH |
6 | 92/ 100 Punkte | Burgenland, Österreich Weingut Birgit Braunstein |
7 | 92/ 100 Punkte | Steiermark, Österreich Gerhard Wohlmuth |
8 | 92/ 100 Punkte | Steiermark, Österreich Weingut Sattlerhof GmbH |
9 | 92/ 100 Punkte | Niederösterreich, Österreich Weingut Fred Loimer |
10 | 92/ 100 Punkte | Burgenland, Österreich Hammer Wein |