Weinmacher

Drei Macher ganz privat

Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: Daniel Schneider

Obwohl die folgenden drei Weinmacher alle im Vorstand sitzen, könnte ihr Privatleben unterschiedlicher nicht sein. Der eine liebt es, Dreitausender zu bezwingen, der andere findet Ruhe zwischen seiner Schafsherde. Und der Jüngste hat mit nur einem Job offensichtlich nicht genug.

Es braucht einen ausgeglichenen Charakter und viel Power, um sich als Vorstand einer Winzergenossenschaft zu gerieren. Man vertritt das Unternehmen nach innen und außen, ist verantwortlich für Organisation und Geschäftspolitik – und entscheidend beteiligt an der Markenbildung. Wer da kein entsprechendes Gewicht in die andere Waagschale des Lebens wirft, ist nicht gut beraten. Die Begegnung mit drei charismatischen Typen der württembergischen Weinwelt gab Aufschluss über Strategien zur nötigen Balance. Dirk Mosthaf arbeitet als geschäftsführender Vorstand bei den Winzern vom Weinsberger Tal, die letztes Jahr einen Umsatz von 9,5 Mio. Euro einfuhren: kein Global Player, aber für den 48-jährigen Betriebswirt genau die richtige Größe zwischen Mammut-Kellerei und Boutique-Weingut. Ausgelastet ist er mit ca. 325 Hektar Rebfläche in der Hochlage des Sulmtals ohnehin. Und stolz auf sein Team: «Unsere Wengerter sind schon immer ihre eigenen Wege gegangen, richtige Rebellen, die sich gegen die Obrigkeit stellen.» Mosthaf selbst stellt sich in seiner Freizeit den Naturgewalten in schwindelerregenden Höhen: Statt Keuperböden in heimatlichen Weinlagen bezwingt er Dachsteinkalk beim Erklimmen der Spitze des Watzmanns. Eine komplett andere Leidenschaft setzt Michael Schmitt als Detox gegen zu viel Stress ein. Er meditiert inmitten seiner Schafsherde. Abgesehen davon, dass das Coburger Fuchsschaf sich perfekt zur Landschaftspflege eignet, also auch Schmitts Parzellen sauber hält, ist diese Schafsrasse genügsam. «Es gibt nichts Schöneres, als sich nach einem turbulenten Arbeitstag zu den Tieren zu setzen und sie zu beobachten. Das macht den Kopf frei», sagt der Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende der Weingärtner Markelsheim. Wenn Mathieu Bubeck sich eine Auszeit zwischen Vorstandsarbeit beim Collegium Wirtemberg, seiner mobilen Bistro Bar und dem Management des «1819 Bistro» neben der Grabkapelle auf dem Württemberg nehmen will, dann chillt der 35-Jährige. Wo? Natürlich im Wengert: «Wegträumen im Weinberg nenne ich das. Gern auch mit einem Wein des Collegiums.»


Mathieu Bubeck

Als er 16 war, erschien ihm die Weinlese im elterlichen Wengert alles andere als prickelnd. An den Wochenenden wollte er raus, mit seinen Freunden Party machen. Auch während des Zivildienstes hatte Mathieu Bubeck andere Pläne, als Winzer oder Kellermeister zu werden: «Ich arbeitete auf einer Jugendfarm mit Tieren und konnte mir gut vorstellen, etwas in dieser Richtung zu machen.» In seinem 20. Lebensjahr platzte der Knoten, und er entschied sich für den Wein. Die Rebflächen des Großvaters waren ja schon da, und mit dem Wein habe er schließlich alles gehabt.

«Ich war der Erste, der Souvignier Gris im Collegium gepflanzt hat.»

Doch Mathieus anfänglicher Enthusiasmus wurde erstmal durch den Vater gebremst: Der wollte, dass der heute 35-Jährige auch die technische Seite des Winzer-Berufs mit an Bord nimmt. Mathieu Bubeck setzte dies durch ein Weinbau- und Önologiestudium um. Parallel dazu schöpfte er den praktischen Teil bei Reichsrat von Buhl und auf dem Weingut Kuhnle ab. Heute ist der gebürtige Stuttgarter Vorstandsmitglied beim Collegium Wirtemberg, wo er die Kellerarbeit, den Verkauf und die Kundengewinnung unterstützt. Die Trauben seiner eigenen fünf Hektar liefert er selbstredend an das Collegium. Ausgelastet scheint der Sohn einer Französin und eines Schwaben offensichtlich noch nicht zu sein. Im März 2020 eröffnete er mit Ehefrau Ina das «1890 Bistro» an der Grabkapelle auf dem Württemberg: «Da oben gab es gastronomisch nichts. Als zur Disposition stand, dort ein Outdoor-Lokal zu eröffnen, wollte ich nicht, dass da Pommes oder Pizza verkauft werden.» Mathieu bekam den Zuschlag und serviert stattdessen schwäbische Leckerbissen und exklusiv die Weine des Collegiums. Und, wenn ihm das alles doch mal zu viel wird, geht Mathieu zum Wegträumen – in den Weinberg.

Mein Wein

Collegium Wirtemberg

«Katharina»

Weisswein-Cuvée 2024

Eine Verschmelzung rieslingtypischer Frische mit den fruchtintensiven Noten des Chardonnays. In dieser Cuvée finden sich Aspekte von Zitrusfrüchten, herber Birne und etwas Karamell – stoffig, erfrischend und harmonisch.

8,50 Euro |  shop.collegium-wirtemberg.de


Vita

Name Mathieu Bubeck

Funktion Geschäftsführender Vorstand

Alter 35 Jahre

Familie Verheiratet, eine Tochter

Ausbildung 2012 bis 2016 Weinbau- und Önologiestudium in Neustadt an der Weinstraße, Ausbildung bei Reichsrat von Buhl in Deidesheim und im Weingut Kuhnle im Remstal.

Genossenschaft mit 215 Mitgliedswinzern, die 125 Hektar bewirtschaften, zählt das Collegium Wir­temberg zu den erfolgreichsten Vereinigungen Württembergs. Aushängeschild der Stuttgarter sind ihre von Bordeaux inspirierten Rotwein-Cuvées und der Chardonnay Reserve.


Michael Schmitt

Die Kirchenglocken läuten im Hintergrund beim Interview mit Michael Schmitt. Das sei die Kilianskirche, keine 300 Meter Luftlinie von hier: «Das Läuten erinnert daran, dass es Zeit ist, Mittagessen aufzusetzen.» Im Fall des 57-jährigen Winzers bereitet Ehefrau Andrea, gelernte Hauswirtschaftsleiterin, gerade Käsespätzle in der Küche zu. Häufig gibt es bei den Schmitts ein Lammgericht, denn sie besitzen 25 Coburger Fuchsschafe, eine Schafsrasse mit rotbrauner Färbung. Nicht nur, dass die Fuchsschafe die Begrünung in Anlagen, wo Michael Schmitt die Reben höher erzieht, kurzhalten, «die Tiere strahlen eine unglaubliche Ruhe aus. Wenn ich runterkommen will, setze ich mich zu ihnen und beobachte sie». In solchen Momenten tankt der Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende der Weingärtner Markelsheim Energie für seinen Job.

«Die Weinberge für unsere Piwis sind acht bis zehn Jahre alt. Die müssen sich noch etablieren.»

180 Hektar Rebfläche hat die Winzergenossenschaft im Taubertal und 130 aktive Mitglieder: «Als Vorstand bin ich gesamtverantwortlich vom Personalbezug bis zum wirtschaftlichen Ergebnis, vom Weinberg bis zum Vertrieb.» Viel Zeit, in Schlüsselmomenten seiner Laufbahn zu zögern, war ihm nie geblieben. Sein Vater verstarb, da war Michael Schmitt gerade 20, und er übernahm den Winzerbetrieb. Als 21-Jähriger wurde er in den Aufsichtsrat der Weingärtner gewählt und mit 27 zum Vorsitzenden. «Ich war immer der Jüngste. Heute bin ich der Dienstälteste.» Aber einer, der generationenübergreifend denkt: «Wir dürfen uns nicht nur auf die Best Ager konzentrieren und müssen die Generation X und die Millennials genauso mitnehmen.» Deshalb stehen Nachhaltigkeit und Zukunftsweine in der Unternehmensphilosophie für den Manager ganz weit oben.

Mein Wein

Weingärtner Markelsheim

Souvignier Gris 2024

«Edition Lust»

Im Duft saftige Birne und Aprikosenhaut, daneben Aromen von Ananas und Litschi. Eine subtile Rauchnote. Harmonische Struktur, gute Süße-Säure-Balance. Sein Fruchtcharakter macht diesen Zukunftswein zu einem tollen Begleiter zu Party-Salaten.

6,80 Euro | markelsheimer-wein.de


Vita

Name Michael Schmitt

Funktion Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender

Alter 57 Jahre

Familie Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung Nach seiner Winzerlehre Ende der 1980er im elterlichen Weinbaubetrieb nahm Michael Schmitt sein Studium an der Hochschule Geisenheim University auf. Als Diplom-Ingenieur für Weinbau und Getränketechnologie führt er den elterlichen Betrieb.

Genossenschaft Seit 2018 ist Schmitt Vorstandsvorsitzender der Weingärtner Markelsheim eG im lieblichen Taubertal. Etwa 250 Weingärtner aus sieben Weinbaugemeinden sind angeschlossen und bewirtschaften eine Rebfläche von 180 Hektar.


Dirk Mosthaf

Das Rebellische liegt ihm im Blut. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Winzergenossenschaft, der er vorsteht, eine Weinlinie namens «Bergrebell» im Sortiment führt. Dirk Mosthaf liebt sowohl das eine als auch das andere: die Weine der Löwensteiner Winzer oberhalb des Sulmtals. Und die Faszination der Bergwelt, in der er sich beim Besteigen des Großglockners oder der Watzmann Ostwand an den Gipfel kämpft. «Bei mir geht es immer bis zum Gipfel», bemerkt der 48-Jährige. «Ganz oben gibt es einen Gipfelblick und einen Gipfelschluck. Ich hole dann eine Viertelliterflasche roten Bergrebell aus dem Rucksack und genieße die atemberaubende Aussicht».

«Der Wein ist für mich nicht nur Beruf, er ist Berufung.»

Dass Mosthaf dem bezwungenen Berg anschließend auch einen Schluck von der Rotwein-Cuvée gönnt, fügt er augenzwinkernd hinzu. Ganz nebenbei gewinnt er neue Kunden in seinen liebsten Urlaubsregionen Berchtesgaden und den österreichischen Zentralalpen: «Die Menschen aus den Bergen sind oft Weintrinker. Mit dem Bergrebell haben wir dort einen verlässlichen Kundenkreis erschlossen». Alles hinter sich zu lassen, sich den Kopf im Hochgebirge frei zu pusten, scheint ein angemessener Ausgleich zu Mosthafs Job als geschäftsführender Vorstand der Löwensteiner Winzergenossenschaft. Zukünftig möchte er seine Passion für Württembergischen Wein indes mit der Reise-Industrie verknüpfen: Ende 2025 wechselt der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann in den Fremdenverkehr. Als Geschäftsführer des Tourismusvereins e.V. im Weinsberger Tal wird Dirk Mosthaf die Region mit ihrer idyllischen Weinlandschaft nach außen vermarkten. «Der Weinbau bleibt Kernthema. Mit meinem gewonnenen Fachwissen zu den regionalen Einzellagen, Rebsorten und Events rund um die hiesige Weinkultur will ich dieses vinophile Tal noch weiter in den touristischen Fokus rücken».

Mein Wein

Winzer vom Weinsberger Tal

BergRebell Rotwein

Diese Rotweincuvée mit fruchtig-beerigem Duft überzeugt am Gaumen mit reifen Kirschen, schmeichelnder Tanninstruktur und zarten Vanillearomen. Perfekter Begleiter zu Pastavariationen, Steak, aber auch zu Ziegenkäse.

6,95 Euro | weinsbergertal-winzer.de


Vita

Name Dirk Mosthaf

Funktion Geschäftsführender Vorstandsvorsitzender

Alter 48 Jahre

Familie Verheiratet, drei Kinder

Ausbildung Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann, Weiterbildung zum Handelsfachwirt und Betriebswirt bei der IHK.

Genossenschaft Als geschäftsführender Vor-standsvorsitzender arbeitet Dirk Mosthaf seit 2018 bei den Winzern von der Weinsberger Tal eG. Die Weine der Wizergenossenschaft wachsen auf Keuper und buntem Mergel in Einzellagen wie Paradies, Sommerhalde oder Wohlfahrtsberg. Hauptrebsorten sind Trollinger, Riesling, Lemberger und Spätburgunder.