Birte Jantzen über starke Holznoten

Biberwein? Nein danke!

Text: Birte Janzen

Lange galten Holzfässer, ob aus französischer oder sonstiger Eiche, als das Nonplusultra für Qualität und als Garant für hochwertige Lagerweine. Wurden Fässer früher so lange wie möglich vom Winzer genutzt, wird heute oft fröhlich jedes Jahr erneuert. Resultat: Der Biber schwimmt im Glas, Frucht und Terroir ade. Muss das sein? 

Der Wein glänzte tiefrot im Glas. Meine Sinne waren ganz auf Brombeeren, Heidelbeeren, Schattenmorellen, Lakritz und pfeffrige Minze eingestellt. Vielleicht würde er auch einen Hauch von Garrigue und Graphit enthüllen. Voller Vorfreude erschnupperte ich den Duft, der aus dem Glas aufstieg. Probierte einen Schluck. Und hielt inne. Filmriss. Da war keine Frucht. Keine Würze. Und auch kein Terroir. Stattdessen baute sich vor meinen Geschmacksknospen ein ganzer Damm aus vanilligen Holznoten auf, begleitet von Karamellcreme, Spekulatius, Zimt und geröstetem Toastbrot mit Butter. Ich seufzte. Der Keller-Biber hatte mal wieder zugeschlagen und fast die kompletten aromatischen Merkmale des Jahrgangs, der Rebsorte und des Weinberges im holzigen Stausee versenkt.

Nun ja. Manch einer findet ausladende Holznoten cool. Da habe ich absolut nichts dran auszusetzen. Geschmäcker sind eben verschieden. Aber mit Wein hat das – für mich zumindest – nicht mehr viel zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein aromatisiertes alkoholisches Getränk – auf gleichem Niveau wie Grapefruit-Rosé –, meist begleitet von kräftigen Gerbstoffen und fast schon übermässig viel Extrakt, die dann auch eher vom Fass kommen als von der Rebsorte selbst. Bei solchen Weinen frage ich mich jedes Mal: Ist der Winzer, oder wahlweise der Kellermeister, in den 1990er Jahren hängengeblieben, nach dem Motto «Und täglich grüsst das parkersche Murmeltier»?

Was auch immer der Grund sein mag: Biberwein, nein danke! Egal ob es ein Einstiegs- oder ein Lagerwein ist. Egal ob die Flasche 10 oder 100 Euro kostet. Wein wird aus Weintrauben gewonnen. Ins Glas gehören Frucht, Würze, Spass, saftige Trinkigkeit. Leichtigkeit, Tiefgang. Und ja, auch ein paar gut integrierte Röst- und delikate Holznoten. Aber nicht gleich der ganze Wald von Tronçais. Wer gut ist, kann übrigens allen Ernstes dank der Röst- und Holznoten den Küfer erschmecken: Oh, dieser Wein ist ein Château Seguin Moreau. Oh, und der ein Château Wood-Chips!

Weniger ist mehr

Es gibt noch einen anderen Grund, warum mir übermässig viel neues Holz nicht «schmeckt». Jedes Jahr werden, je nach Marktlage, 550 000 bis 650 000 Eichenfässer alleine in Frankreich hergestellt, aus 120 bis 200, manchmal auch 350 Jahre alten Eichen. Eine Eiche ergibt im Durchschnitt fünf bis sechs Fässer. Jedes Jahr werden also um die 100 000 alte Bäume gefällt, die eigentlich im Ökosystem Wald eine zentrale Rolle spielen. Unter anderem als aussergewöhnliche Wasser- und CO2-Speicher, aber auch als natürliche Temperatursenker. Stichwort Klimaerwärmung. Holzfässer sind also schlicht gesagt ein Luxusgut.

Früher leisteten sie, wenn gut gehegt und gepflegt, jahrzehntelang treue Dienste. Dank winziger Poren im Holz erlauben sie während des Ausbaus des Weins eine sanfte Mikrooxygenierung. Diese patiniert Tannine und lässt Aromen aufblühen, fördert das Gleichgewicht. Und je älter das Holzfass, desto weniger gibt es seine eigenen Aromen und Gerbstoffe weiter. Mit anderen Worten: «Altes» Holz lässt dem Wein ausreichend Freiraum, durch seine eigenen Qualitäten zu glänzen. Und es ist nachhaltiger.

Heute werden Fässer, die älter als drei Jahre sind, häufig aussortiert. Her mit dem neuen Holz, egal was es kostet. Da dieses aber gerade in den ersten drei Jahren besonders viele Aromen an den Wein weitergibt, braucht der Winzer viel Fingerspitzengefühl, damit das Holz den Wein unterstützt und nicht umgekehrt. Die besten Winzer arbeiten deswegen seit ein paar Jahren wieder mit grösseren Fässern als die klassische Bordeaux-Barrique.

Tja, und dann sind da die Biberweine. Entweder weil es der Winzer als Qualität empfindet und diese Stilistik liebt, was völlig okay ist. Oder aber weil der Wein wegen fehlender Qualität aufgepeppt und aromatisiert werden musste, was nicht okay ist. Da vanillige, zimtige Noten aber einfach zu verstehen sind und eher unbewusst mit kulinarischen Leckereien assoziiert werden, fallen die arglosen Weinliebhaber vollends drauf rein und feiern diese Weine mit Begeisterung. Ich persönlich finde, der Wein verdient es, seine eigenen Qualitäten erzählen zu dürfen. Lang lebe das alte Holzfass! Biber, bleib bei deinen Leisten!

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