Birte Janzen übers Bio-Marketing
Das gut versteckte Bio-Label
Text: Birte Janzen

Während meiner Verkostungen stolpere ich hin und wieder über bio-zertifizierte Weine, auf deren Label kein Bio-Zertifikat angezeigt ist. Falls der Winzer vor mir steht, folgt stets eine lebhafte Diskussion, bei der fast immer das gleiche Argument angeführt wird: Man will nicht mit Bio-Marketing punkten. Hallo???
Schon das französische TV-Sternchen Nabilla sprach: «Du bist ein Mädel und hast kein Shampoo? Das ist, als würde ich sagen: Du bist ein Mädel und hast keine Haare!» Genauso geht es mir mit zertifizierten Bio-Weinen ohne sichtbares Bio-Label. Da ackert sich der Winzer im Weinberg ab, kämpft mit Bergen an Papierkram, nimmt in Kauf, dass es in schwierigeren Jahrgängen eng werden könnte, engagiert sich für Nachhaltigkeit und Biodiversität, akzeptiert sogar eventuell als «woke» abgestempelt zu werden und erträgt stoisch die (unbegründete) Kritik der Nicht-Bio-Winzer. Und dies alles, nur um dann, wenn das hart erarbeitete Zertifikat endlich da ist, es dem Konsumenten zu verschweigen. Die angeführten Vorwände: Bio werde für Marketing missbraucht, der Kunde solle sich lieber an Qualität als an Zertifikaten orientieren, man wolle in Sachen Image ungebunden bleiben usw. Ich kann nur sagen: Die Welt steht auf dem Kopf!
Nur mal so nebenbei: Der Endkunde ist kein Hellseher. Wenn er vor dem Weinregal im Laden steht und nichts auf dem Label angezeigt ist, wird er garantiert nicht erst googeln, um herauszufinden, ob der gewünschte Wein nun bio ist oder nicht. Falls er sich überhaupt die Frage stellt, wird er also schlicht und einfach davon ausgehen, dass der Wein konventionell produziert wurde. Vielleicht ist es ihm egal, und er kauft trotzdem. Wer jedoch auf Nachhaltigkeit Wert legt, kauft nicht!
Hinzu kommt, dass viele Winzer heute zwar bio-inspiriert arbeiten, jedoch in schwierigen Jahrgängen in ihren Entscheidungen frei bleiben möchten oder dann eben doch mal zu Anfang der Saison ein «praktisches» Herbizid spritzen wollen. An dieser Philosophie ist im Grundsatz nichts auszusetzen, solange man gegenüber Kunden und Journalisten nicht behauptet, man sei ja eigentlich bio, aber... Denn genau in diesem Augenblick wird für mich das Ganze zum TikTok-Bio – man will die Fassade, die Aura, aber ohne die Nachteile. Das Bio-Zertifikat ist der beste Weg, sich von solchen Winzern zu unterscheiden. Na klar gibt es Weingüter, die sich aus reinen Image-Gründen bio-zertifizieren lassen. Diese Art von Motivation mag zwar fragwürdig sein und auch im Weinberg zu Schwierigkeiten führen – Bio kann man nicht halbherzig umsetzen –, was jedoch gleich bleibt, ist der positive Effekt auf Umwelt und Natur.
Gib mir das Bio-Label!
Die Weinrebe ist, genau wie alle Kulturpflanzen, aufgrund der heute vorherrschenden Monokultur anfällig für zahlreiche Krankheitserreger, allen voran Falschen und Echten Mehltau, aber auch Esca und Schwarzfäule sowie für viele Schädlinge. Also, egal wie man Wein anbaut, kommt man um Pflanzenschutz nicht herum. Ist dessen Einsatz im Bio-Weinbau stark eingeschränkt (circa 30 erlaubte Substanzen), steht einem davon im konventionellen Weinbau eine breite Palette zur Verfügung (circa 400 erlaubte Substanzen). Letztere birgt nicht zu unterschätzende agroökologische Risiken, zum Beispiel schädliche Auswirkungen (direkt und indirekt) auf zahlreiche Nichtziel-Organismen in den betroffenen Ökosystemen. Im Angesicht der Tatsache, dass viele Konsumenten aber noch immer keinen richtigen Unterschied machen zwischen Bio- und konventionellem Weinbau, sollte man hier vielleicht noch einmal kurz erklären, wofür genau ein Bio-Label steht. Bio heisst unter anderem: Der Einsatz von Herbiziden und Kunstdüngern ist verboten, der Pflanzenschutz im Weinberg ist streng reglementiert, Begrünung, Biodiversität und der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit werden aktiv gefördert. Bio ist also ein wesentlicher Beitrag zu einer giftfreien Umwelt.
Viele Bio-Winzer sind jedoch nicht durch Umweltschutzgedanken auf biologischen Weinbau gekommen, sondern wurden von der Qualität der Trauben überzeugt. Ein guter Wein wird eben im Weinberg gemacht, nicht im Keller, und ein funktionierendes Bodenleben sowie ein ausgewogenes Ökosystem tragen massgeblich dazu bei.
Wenn ein Wein also bio-zertifiziert ist, gibt es definitiv keinen Grund, das Bio-Label nicht auf das Etikett zu drucken. Zumal dies – übrigens – gesetzliche Vorschrift ist, und zwar EU-weit. Und wenn man schon den Arbeitsaufwand auf sich nimmt und in die Nachhaltigkeit investiert, sollte man auch stolz darauf sein und dafür einstehen, egal, was andere sagen oder machen. Es liegt beim Kunden zu entscheiden, ob er dabei ist oder nicht!
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