Die Neue Welt duftet nach Rhône
Was Grenache, Syrah & Mourvèdre aus Südafrika & Co können
Degustation: Thomas Vaterlaus, Miguel Zamorano; Text: Miguel Zamorano

Burgund, Bordeaux, die Rhône. In der (Neuen) Weinwelt führen die Wege früher oder später zurück in eines dieser französischen Weingebiete. Oder zumindest zu den Sorten, die sie gross gemacht haben. Die Rhône-Trauben nehmen dabei eine besondere Stellung ein: Grenache, Syrah und Mourvèdre – kurz GSM – wurden in unterschiedlichem Mass und mit wechselndem Erfolg exportiert. Wobei Grenache ursprünglich aus Aragon in Spanien stammt. Ungeachtet dessen hat es nur Syrah/Shiraz geschafft, einen ähnlichen Rang wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Chardonnay zu erlangen, mit rund 190 000 Hektar Anbaufläche rangiert sie weltweit auf Platz sechs. Zwar folgt danach Grenache Noir, dessen Hauptanbaugebiet jedoch weiterhin in der Alten Welt liegt, namentlich in Spanien, Frankreich und Sardinien. Dass Syrah besonders in Australien und Südafrika Ausbreitung fand, liegt an dem Briten James Busby, der nach einem Weinbaustudium in Frankreich die GSM-Sorten Mitte der 1820er Jahre nach Down Under brachte. Das gilt als gesichert. Auf dem Weg dorthin soll der Vater des australischen Weinbaus auch in Kapstadt Setzlinge hinterlassen haben. Oder war es doch der Niederländer Simon van der Stel, knapp 150 Jahre davor? In jedem Fall sind die Rebsorten heute ein wesentlicher Bestandteil des Weinbaus in diesen ehemaligen britischen Kolonien. Ein anderes Kolonialreich – das spanische – sorgte dafür, dass Grenache und Mourvèdre nach Südamerika gelangten. Franzosen waren wiederum für die Verbreitung dieser Sorten weiter im Norden verantwortlich, also in Kalifornien und in Washington.
Die heutige Popularität des Syrah spiegelt sich in diesem Guide wieder. Viele Händler haben ihre Weine zur Verfügung gestellt. Und wie die Zahlen zeigen, haben dabei die südafrikanischen Erzeuger mit 65 Anstellungen die Nase vorn.
Resultate, Analysen, Statements

Waren einst Kolonialreiche für die GSM-Verbreitung mitverantwortlich, sind es nun die Konsumenten der Alten Welt, die mit ihrem Glas mitentscheiden, welche Sorte wie weit verbreitet wird. Und man darf behaupten: Syrah aus der Neuen Welt hat sich hierzulande fest etabliert. Die Weine aus dieser Sorte bilden mit gut 80 Prozent der hier verkosteten Anstellungen die Mehrheit. Die Händler haben diesbezüglich volle Arbeit geleistet. Aber auch bei den deutlich weniger angebotenen Sorten Garnacha und Mourvèdre (nur zwei Anstellungen) sind die Bewertungen hoch genug, dass man den Griff zu diesen Neue-Welt-Weinen durchaus wagen sollte. Dass die GSM-Cuvée dabei numerisch an die zweite Stelle rückt – nur knapp zehn Prozent der verkosteten Weine – mindert nicht deren Qualität. Die Südafrikaner Savage Wines und Rall Wines haben ihre Cuvées teilweise mit Cinsault oder Carignan verfeinert, aus GSM wird CSM, ihre Weine zählen zu den besten ihrer Kategorie.
«Grenache mit Frische und Leichtigkeit, das ist nicht nur eine Sache von Erzeugern der Alten Welt.»
Miguel Zamorano VINUM-Redakteur
Der Argentinier Matias Riccitelli hält dagegen an der GSM-Rhône-Formel fest. Spannende Grenache hat auch dieser Argentinier geliefert, gemeinsam mit Savage Wines aus Südafrika und dem fetzigen K-Vintners-Brand des US-Wuschelkopfs Charles Smith aus Washington. Dass diese Sorte auch mit Frische und bezaubernder Leichtigkeit gelingt, ist nicht nur eine ausgemachte Sache von Erzeugern der Alten Welt.
Alles wird kopiert – in der Weinwelt ist es nicht anders als in Musik, Kunst oder Malerei. Der Schlüssel liegt darin, es so zu tun, dass man es nicht merkt. Im Fall des Syrah darf ein Liebhaber dieser Sorte wirklich nur von Glück sprechen, wenn den Neue-Welt-Erzeugern das Abkupfern von den Rhône-Vorbildern gelingt.

Was mich seit mehr als zehn Jahren positiv überrascht, ist die qualitative und stilistische Entwicklung der südafrikanischen Topweine. Auch in dieser Verkostung überzeugten die Gewächse aus roten Rhône-Sorten vom Kap mit viel Persönlichkeit und Spannkraft. Die Mehrheit der Weine tendiert zu Eleganz und Frische, weniger zur Üppigkeit. Damit unterscheiden sie sich von den Gewächsen aus Australien, dem zweiten Neue-Welt-Land, wo Rhône-Sorten wie Syrah, Grenache und Mourvèdre eine wichtige Rolle spielen. Die Australier haben die vergangenen 20 Jahre auch abgespeckt, zeigen aber immer noch eine Spur mehr reife Fruchtfülle und eine Kräuterwürze, die oft an Eukalyptus und Kokosnuss erinnert.
«Wir verkosteten keine Rhône- Kopien, sondern schlicht und einfach eigenständige, grosse Weine.»
Thomas Vaterlaus VINUM-Chefredakteur
Die Rhône-Interpretationen aus Kalifornien oder Südamerika liegen irgendwo dazwischen. Ich glaube, dass in Südafrika heute die Rhône- Sorten die mithin interessantesten Rotweine überhaupt hervorbringen. Damit zeigt sich dieses Land von einer neuen, sehr spannenden Seite. Als die Weine vom Kap nach dem Ende der Apartheid Mitte der 1990er Jahre in Europa einen Boom erlebten, sorgten vor allem Cabernet, Merlot sowie Blends mit diesen zwei Sorten für Furore. Folglich wurden die Kap-Weine jener Zeit vor allem mit den Crus aus Bordeaux verglichen. Später setzte sich der Pinotage vermehrt in Szene, auch als Teil der sogenannten Cape-Blends zusammen mit Bordeaux-Sorten. Wie diese Verkostung beweist, sind es heute vor allem Syrah und Grenache, die Weine hervorbringen, die den Superlativ «Weltklasse» verdienen. Und auch wenn sie ähnliche Tugenden zeigen, sind die Kapweine keine Kopien der legendären Crus aus dem Rhônetal, sondern schlicht und einfach grosse Weine.
Die Top 10 der verkosteten Weine
Rang | Beschreibung | |
---|---|---|
1 | 97/ 100 Punkte | Stellenbosch, Western Cape-Coastal Region, Südafrika Uva Mira |
2 | 96/ 100 Punkte | Swartland, Western Cape-Coastal Region, Südafrika Boekenhoutskloof Winery |
3 | 95/ 100 Punkte | Overberg, Western Cape-Cape South Coast, Südafrika Raka Wines |
4 | 95/ 100 Punkte | Stellenbosch, Western Cape-Coastal Region, Südafrika Rust en Vrede Wine Estate |
5 | 95/ 100 Punkte | Yarra Valley, Victoria, Australien Yarra Yering Vineyards |
6 | 94/ 100 Punkte | Western Cape, Südafrika Minimalist Wines |
7 | 94/ 100 Punkte | Cape Agulhas, Western Cape-Cape South Coast, Südafrika Minimalist Wines |
8 | 94/ 100 Punkte | Western Cape, Südafrika Gabriëlskloof |
9 | 94/ 100 Punkte | Tulbagh, Western Cape-Coastal Region, Südafrika Saronsberg |
10 | 94/ 100 Punkte | Stellenbosch, Western Cape-Coastal Region, Südafrika De Trafford |
Die Verkostung
Alle Weine wurden von Produzenten weltweit und von Weinhändlern in der Schweiz angefordert. Thomas Vaterlaus und Miguel Zamorano verkosteten am 18. und 19. August in den VINUM-Räumlichkeiten in Zürich-Schlieren. Die Flaschen wurden verdeckt ausgeschenkt.