Die Besten eines Jahres
Best of Franken
Text: Harald Scholl, Foto: studiozudem.de, z.V.g.

Wenn Franken seine besten Weine ins Rennen schickt, wird es ernst. Ein Tag, ein Saal voller Gläser, eine Jury mit geschärften Sinnen – und am Ende ein fossiles Symbol als Trophäe. «Best of Franken» ist mehr als ein Wettbewerb: Es ist das Schaufenster einer ganzen Region. Und ein Wettbewerb, der auch formal Massstäbe setzt.
Es ist ein früher Sommermorgen in Franken, noch bevor die Hitze des Tages den Saal füllt. Auf den langen Tischen stehen Reihen von Gläsern, gleichsam gläsernen Regimentern. Die nummerierten Flaschen, sorgsam verhüllt, keine Etiketten, keine Hinweise, warten hinter den Kulissen. Noch duftet es aus dem Vorraum nach frischem Kaffee und einer leisen Anspannung, die jeder kennt, der schon einmal bei einer grossen Blindprobe dabeigewesen ist. Man begrüsst sich, schüttelt Hände, tauscht kurze Sätze. Viele der Verkoster sind seit Jahren Stammgast bei der Verkostung, kennen sich aus dem beruflichen Umfeld. Aber bald herrscht konzentrierte Stille, es geht an die Tische, die Sitzordnung ist genauestens festgelegt. Der Wettbewerb «Best of Franken» beginnt.

Bühne der Besten
Seit mehr als 20 Jahren gilt dieser Wettbewerb als Schaufenster der Region. Seine Wurzeln liegen im Jahr 2004, als der Fränkische Weinbauverband unter massgeblicher Mitwirkung von Hermann Mengler den Wettbewerb «Best of Gold» ins Leben rief. Schon damals war die Idee klar umrissen: Aus den zahlreichen Goldmedaillen der Fränkischen Weinprämierung sollte ein zweiter Wettbewerb hervorgehen, der noch strenger selektiert. Nur die Besten der Besten sollten dabei antreten. Über zwei Jahrzehnte lang war Mengler das Gesicht und die treibende Kraft dieses Formats, er prägte Aufbau, Abläufe und das Verständnis, dass Verkostungen nicht nur Fachübungen, sondern auch Botschaften für eine ganze Region sein können. Mit der Umbenennung in «Best of Franken» öffnete sich das Konzept weiter. Neue Kategorien kamen hinzu: Sekt, Naturwein, Orange. Ein deutliches Signal, dass fränkische Weinqualität nicht bei der klassischen Silvaner-Ikone stehenbleibt, sondern sich zeitgemäss und vielfältig präsentiert. Heute sind es jährlich rund 400 Weine und Sekte, die in Iphofen eingereicht werden. Verkostet wird im traditionsreichen Hotel & Weingut Zehntkeller, einem Ort, der durch seine Architektur die Ernsthaftigkeit ebenso wie die Geselligkeit des fränkischen Weinlebens widerspiegelt. Mehr als 50 Juroren nehmen Platz, verteilt auf elf Verkostungsgruppen, die von Silvaner bis Riesling, von Rotwein bis Sekt, von Naturwein bis Cuvée reichen. «‹Best of Franken› ist in seiner Form einzigartig», betont Hermann Schmitt, Geschäftsführer des Fränkischen Weinbauverbands. «Die komplette Durchführung an nur einem Tag stellt höchste Anforderungen an Organisation, Logistik – und nicht zuletzt an die Sinne der Verkoster.»

Dass diese Logistik funktioniert, liegt auch am minutiösen Prozedere vor Ort. Von Anfang an war es oberstes Gebot, absolute Anonymität zu gewährleisten. Jede Flasche wird in blickdichte Hüllen gesteckt, jede erkennbare Spur von Herkunft oder Betrieb verschwindet. Nicht einmal das Gewicht der Flasche gibt Hinweise, denn ausgeschenkt wird nicht von den Juroren selbst, sondern von den fränkischen Weinprinzessinnen, die den Wettbewerb seit Jahren charmant und präzise begleiten. Damit ist ausgeschlossen, dass ein Kennerhandgelenk oder eine auffällige Flaschenform den Ausschlag gibt. Was zählt, ist ausschliesslich das Glas, die Nase, der Gaumen.

Die Jury ist so vielfältig wie die Szene. Neben Journalisten, Händlern und Winzern sitzen auffallend viele Gastronomen an den Tischen. Das hat Gründe. Zum einen kennen sie die unmittelbare Wirkung eines Weins im Zusammenspiel mit Speisen. Zum anderen sind sie wichtige Multiplikatoren: Ein Siegerwein, der in einem Restaurant von Rang eingeschenkt wird, kann seine Reputation vervielfachen. Manche Wirte berichten, dass Gäste gezielt nach «Best of Franken»-Weinen fragen – ein Indiz dafür, dass der Wettbewerb auch jenseits der Fachwelt wahrgenommen wird.
Die Verkostung selbst verläuft streng nach Schema. Flasche für Flasche, Glas für Glas. Keine Marke, kein Etikett, keine Erwartungshaltung. Die Juroren machen sich Notizen, vergleichen Eindrücke, tauschen sich aus. Die Diskussionen sind intensiv, aber respektvoll. Es geht nicht darum, Recht zu behalten, sondern darum, die Stärken und Schwächen eines Weins herauszuarbeiten. Wer zu viel Holz einsetzt, bekommt das ebenso klar gespiegelt wie jemand, dessen Wein zwar fehlerfrei, aber langweilig wirkt.


Dass nur Goldweine zugelassen sind, macht sich bemerkbar. Schwache Gläser gibt es kaum, doch Nuancen entscheiden. Mal überzeugt die kristalline Frische des 2022 Sulzfelder Maustal «Alter Berg» Silvaner, Weingut Roland Staudt, mal die glockenklar ausbalancierte Eleganz des 2023 Escherndorf am Lumpen 1655 Riesling Grosses Gewächs, Weingut Rainer Sauer. Und manchmal verblüfft ein gereifter Wein, wie der 2011 Sommerhäuser Reifenstein Silvaner Alte Rebe, Weingut Artur Steinmann, der zeigte, dass Franken in Sachen Lagerfähigkeit längst an der Spitze angekommen ist.
Auch die Sekte beweisen, wie sehr sich Franken verändert hat. Allen voran der 2021 Silvaner Qualitätsschaumwein, Weingut Hans Wirsching, der mit feiner Perlage und subtiler Frucht begeisterte. Dazu gesellten sich die Kreationen der Sektkellerei Höfer, die mit Blanc de Blancs und Sans Dosage zeigten, wie ernst die Region den Schaumwein inzwischen nimmt. Dass diese Kategorie Einzug in den Wettbewerb gefunden hat, geht auch auf die Vorarbeit von Hermann Mengler zurück, der früh die Zeichen der Zeit erkannte.
Unter der neuen Leitung von Ralf Schwarz, Chef-Önologe des Bezirks Unterfranken, ist «Best of Franken» in eine nächste Phase getreten. Schwarz vermeldete jüngst eine Rekordanstellung: Noch nie zuvor wurden so viele Weine und Sekte eingereicht wie in diesem Jahr. Eine Entwicklung, die zeigt, dass die Winzer den Wettbewerb als Bühne nutzen, auf der sich Tradition und Innovation gleichermassen behaupten können.
Fossil als Symbol fränkischer BödenAm Abend folgt die Preisverleihung. Dieselben Gläser erscheinen erneut, diesmal mit Etikett, Namen, Herkunft. Für viele Juroren sind es Aha-Momente: Der puristische Silvaner stammt von Roland Staudt, ein Betrieb, den ma
Am Abend folgt die Preisverleihung. Dieselben Gläser erscheinen erneut, diesmal mit Etikett, Namen, Herkunft. Für viele Juroren sind es Aha-Momente: Der puristische Silvaner stammt von Roland Staudt, ein Betrieb, den man ausserhalb Frankens nicht automatisch auf dem Zettel hat. Der brillante Riesling ist das Werk von Rainer Sauer, der längst zu den festen Grössen der Region gehört. Und die feine Rotweinüberraschung liefert der 2022 Großheubacher Bischofsberg Pinot Noir, Weingut Kremer, ein Glas, das die Stärke der fränkischen Rotweinszene unterstreicht.
Die Sieger erhalten nicht nur Applaus, sondern auch eine besondere Trophäe: einen Ceratit nodosus, einen fossilen Kopffüsser aus der Triaszeit, rund 250 Millionen Jahre alt. Keine stilisierte Statue, kein glitzernder Pokal – sondern ein Stück Geologie, das auf die Ursprünge verweist, auf die Böden, die Franken prägen. Muschelkalk, Keuper, Buntsandstein – sie sind das Fundament der Weine, die hier ausgezeichnet werden. Kaum eine Region in Deutschland hat eine vergleichbare geologische Vielfalt, und kaum eine Trophäe bringt diese Verbundenheit so prägnant zum Ausdruck.

Für die Weingüter ist ein Erfolg bei «Best of Franken» mehr als eine Auszeichnung. Es ist ein Türöffner. Gastronomen achten auf die Siegerlisten, Journalisten zitieren sie, Händler stellen die prämierten Weine ins Schaufenster. Manche Betriebe berichten, dass sich ihr Bekanntheitsgrad nach einem Sieg spürbar verändert hat. Ein Beispiel ist das Weingut Waldemar Braun, das mit seinem 2024 Sommeracher Rosenberg Sauvignon Blanc einen frischen Akzent setzte. Oder das Weingut Rothe, das mit dem 2018er Silvaner Indigenius erneut bewies, dass Orange- und Naturweine längst Teil der fränkischen Identität sind.
So unterschiedlich die Weine sind, so einig ist man sich in der Branche über die Strahlkraft des Wettbewerbs. «Best of Franken» ist kein Marketinggag, sondern ein ernstzunehmender Leistungsvergleich auf hohem Niveau. Er zeigt die Bandbreite der Region, ohne sich in Beliebigkeit zu verlieren. Dass ausschliesslich Goldweine zugelassen sind, hebt das Niveau, dass eine breit aufgestellte Jury entscheidet, sorgt für Glaubwürdigkeit.

Wettbewerb stärkt Frankens Image
Natürlich bleibt jede Verkostung eine Momentaufnahme. Manchmal gewinnt der zugänglichere, reifere Wein, manchmal der kantige, jugendliche. Doch gerade diese Spannung macht den Reiz aus. Die Sieger spiegeln nicht nur Handwerk und Herkunft, sondern auch den Zeitgeist eines Jahrgangs wider.
Und sie haben Wirkung weit über die Fachwelt hinaus. Denn in Zeiten, in denen es nicht leicht ist, Wein an den Mann oder die Frau zu bringen, brauchen Winzer Plattformen, die Aufmerksamkeit schaffen. «Best of Franken» leistet genau das. Der Wettbewerb stärkt das Image der Region, bringt Gastronomie, Handel und Konsumenten ins Gespräch und zeigt, dass Franken selbstbewusst und professionell auftritt. Für den Tourismus ist es ein zusätzliches Argument: Wer Franken besucht, kann sicher sein, dass hier eine Weinkultur gepflegt wird, die zu den besten im Land gehört.

Über die Jahre hat sich «Best of Franken» von einem reinen Prestige-Event zu einem festen Bestandteil der Qualitätskommunikation entwickelt. Mit der neuen Leitung durch Ralf Schwarz ist der Wettbewerb in eine nächste Phase getreten: offener für neue Stile, sensibler für Trends, zugleich fest verankert in der fränkischen Tradition, die Hermann Mengler über zwei Jahrzehnte lang geprägt hat.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Dieser Wettbewerb verbindet das Handwerk der Gegenwart mit der Geologie der Vergangenheit. Er ehrt grosse Namen wie Bürgerspital, Rainer Sauer oder Wirsching, öffnet aber zugleich die Bühne für Newcomer wie Roland Staudt oder Waldemar Braun, die zeigen, dass Franken voller Überraschungen steckt. Und er beweist, dass Blindverkostungen mehr sind als Punktelisten: Sie sind Begegnungen mit dem Unbekannten, mit dem Überraschenden, mit dem, was Franken ausmacht – Vielfalt, Präzision und die stete Suche nach dem Besten.