Keine Angst um Riesling, aber Furcht vor Sonnenbrand, Erosion und Wassermangel
25.10.2010 - R.KNOLL
DEUTSCHLAND (Monsenheim) - Es gibt ihn zweifelsfrei, den Klimawandel, in manchen Ländern und Kontinenten macht er sich stark bemerkbar, in anderen weniger. Doch Einflüsse auf den Wein sind unausweichlich, aber nicht so, wie sie manchmal prophezeit werden. „Nein, es wird auch in Zukunft im Rheingau und anderen deutschen Regionen Riesling geben. Er wird nicht verdrängt von internationalen Rotweinsorten wie Syrah und Merlot“, stellte Dr. Hans-Reiner Schultz, Professor in Geisenheim und seit April 2009 auch Direktor der international renommierten Forschungsanstalt, bei einer Fachtagung im Boos von Waldeck’schen Hof in Meisenheim am Glan (Anbaugebiet Nahe) fest.
Denn Schultz wurde schon mehrfach in den Medien mit der Aussage zitiert, dass die traditionellen Rieslinggebiete durch den fortschreitenden Klimawandel in den nächsten 30 Jahren kaum mehr bestehen würden. „Da wurde ich völlig missverstanden“, ärgerte sich der 51-Jährige, der sich seit 1995 mit dem Thema befasst. Es gebe zwar einen unteren Schwellenwert für diese Sorte, der bekannt sei und in verschiedenen Riesling-Erzeugerländern unterschiedlich ist. „Aber ein oberer Wert ist nicht bekannt“, informierte Schultz. „Deshalb macht es keinen Sinn, die Anpflanzung anderen Reben zu empfehlen, obwohl die Temperaturen sicher in den nächsten 20 Jahren zunehmen werden.“
Nach dieser Entwarnung in Sachen Riesling machte der Geisenheim-Professor allerdings an diesem Abend auf einige Probleme der Zukunft aufmerksam. Wissen wollten das Nahe-Winzer wie Dr. Peter Crusius, Werner Schönleber (Emrich-Schönleber) und Matthias Adams (Weingut von Racknitz) sowie Hausherr und Gastgeber Christian Held, der nicht nur einer der Eigentümer des Weingutes Klostermühle Odernheim ist, sondern auch noch im Vorstand des Institutes für Klimaschutz, Energie und Mobilität – Recht, Ökonomie und Politik e.V. sitzt und in dieser Eigenschaft ein Berater des Landes Rheinland-Pfalz für deren Energiekonzepte ist. Er sah die Gesprächsrunde als „Auftakt für weiteren Gedankenaustausch.“
Die Produzenten nahmen zunächst die gute Botschaft von Schultz in Sachen Riesling gern an und berichteten von eigenen Erfahrungen mit dem Klimawandel. Schönleber verwies darauf, dass es Klimaschwankungen in der langen Geschichte des Weinbaus immer schon gegeben habe. Er habe sich bis vor wenigen Jahren dagegen gewehrt, das als Problem zu sehen. Denn in den letzten gut zehn Jahren seien die Trauben stets viel besser ausgereift als früher, richtig unreife Jahrgänge seien lange nicht mehr zu verzeichnen gewesen. Aber es kam 2000 und 2006 zu anderen Schwierigkeiten (schnelle Fäulnis). Und dann fiel Schönleber auf, dass es häufiger Sonnenbrand auf Trauben gab. In der Runde wollte man hier nicht allein den Klimawandel dafür verantwortlich machen. Die verstärkte Luftreinhaltung könne ebenfalls zu einer Intensität der Sonnenstrahlen beitragen, weil im Vergleich zu früher ein Puffer fehlt.
„Viel und gezielte Blattarbeit“ empfahl Hans-Rainer Schultz. Durch die oft extremen Witterungsschwankungen, die ihre Ursache wohl im Klimawandel haben, wachsen auch die Schwierigkeiten mit der Erosion in den Weinbergen. Plötzlichen starken und ausdauernden Regenfällen wie im August könne man aufgrund der nur kurzen und zudem unsicheren Wetterprognosen nicht vorbeugen. Manche Maßnahme wie eine Bodenlockerung, die man im Vertrauen auf gutes Wetter durchgeführt habe, könne sich als falsch und fatal heraus stellen, wurde in der Runde ausgeführt.
Peter Crusius befürchtete, dass sich Krankheiten wie eine unerwünschte Botrytis, die nicht für die Edelfäule taugt, künftig stärker bemerkbar machen. Er sieht nach einem nassen Sommer wie 2010 zudem die Gefahr, dass es zu Problemen mit der Trockenheit kommt und meint, es werde künftig viel schwieriger, aus Spitzenlagen regelmäßig große Weine zu erzeugen.
Schultz griff den Ball auf und sprach die Notwendigkeit an, Wasserreservoire zu schaffen. Er verwies aber zugleich auf bürokratische Hürden. Während in anderen Ländern einfach die natürlichen Möglichkeiten für die Anlage von Seen und Erfassungsbecken genutzt werden, gebe es in Deutschland zu viele und regional oft unterschiedliche Vorschriften zu überwinden. Dazu der Traisener Crusius: „Bei uns fließt die Nahe vorbei, aber es ist nicht erlaubt, auch nur einen Tropfen Wasser zu entnehmen.“
Wasser und Wein, das ist ein weit reichendes Thema, das die Deutschen zwar beschäftigt (die Bewässerung der Weinberge ist seit 2002 zugelassen), aber in anderen Ländern noch mehr Beachtung findet.
„Global betrachtet werden für die Produktion einer Flasche Wein 720 Liter Wasser benötigt“, rechnete der Experte aus Geisenheim vor. Die echten Probleme habe eine Region wie La Mancha in Spanien. Dort wurden laut Schultz zwar mit EU-Mitteln umfangreiche Bewässerungsanlagen in die Weinberge integriert: „Doch jetzt weiß man nicht, wo man das Wasser dafür nehmen soll.“ Er verwies außerdem darauf, dass rund 70 Prozent des Frischwassers für die Landwirtschaft gebraucht werden und der Bedarf hier noch steigen wird. Denn in 40 Jahren müssen auf der Erde 8,7 Milliarden Menschen ernährt werden. „So etwas macht landwirtschaftliche Flächen zu Spekulationsobjekten, der Weinbau kann hier durchaus unter Druck kommen.“
Schultz erwartet in den nächsten Jahrzehnten schon einige Verschiebungen in klassischen Weinregionen. So hätten Champagnerhäuser in England tausende Hektar landwirtschaftliche Fläche erworben, um von hier vielleicht langfristig den nötigen leichten, säurebetonten Grundstoff für prickelnde Weine zu erhalten.
Angesprochen wurde der durch die höhere Reife (und mehr Winzerkönnen) herbei geführte geschmackliche Wandel beim deutschen Wein in den letzten 15 Jahren, der Riesling und Co. in der Gastronomie erfolgreich werden ließ. Die Stilrichtung vorher mit hoher Säure und betonter Herbe war schwer vermarktbar gewesen. Einig war sich die Runde, dass künftig 1b-Lagen, die heute keine bedeutenden Weine liefern, durch den Klimawandel in der Wertigkeit aufsteigen können, auch deshalb, weil sie ein neues Säuremanagement möglich machen und helfen, allzu schwere und zugleich säurearme Weine zu vermeiden.
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