"Venus" und "Diva" im Carnuntum

20.12.2010 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Göttlesbrunn) - Es war vor zehn Jahren auf der VieVinum in Wien, als eine junge Dame Hilfestellung an einem Verlagsstand leistete und bei der Gelegenheit erzählte, dass sie - entgegen früherer Pläne - drauf und dran sei, ins elterliche Weingut einzusteigen, im Vorfeld einen Weinmanagementkurs in Krems besucht habe und jetzt noch die Weinbauschule Klosterneuburg anhängen wolle. Ihren ersten Wein hatte sie damals schon hinbekommen - einen Riesling, von dem sie als „weiße Königin“ schwärmte. Die Eltern schenkten der Berufsanfängerin so viel Vertrauen, dass sie ihr bereits die Verantwortung für den Keller anvertraut hatten. Zuhause war Birgit Wiederstein in Göttlesbrunn, einer Ortschaft im Anbaugebiet Carnuntum.

 

Schon mal gehört? Wenn nein, warum nicht? Denn das ist immerhin eine der Aufsteigerregionen in Österreich. Aber die Weinfluren im Osten von Wien umfassen lediglich 950 Hektar. Orte wie Göttlesbrunn, Höflein, Arbesthal und Prellenkirchen haben nicht so berühmte Namen wie Dürnstein, Langenlois, Gumpoldskirchen, Krems, Rust, die Kenner des österreichischen Weines sofort zuordnen können.

Das Anbaugebiet Carnuntum, dessen Boden förmlich gespickt ist mit Zeugnissen der römischen Kultur (eine Hinterlassenschaft der römischen Provinz vor 2000 Jahren), grenzt an die Region Neusiedlersee im Burgenland an, gehört aber zu Niederösterreich. Man profitiert hier von der Nähe zu Wien (über die Autobahn allenfalls 30 Fahrtminuten). Die Gastronomie hat sich ausgezeichnet entwickelt, deshalb werden viele Tagesausflüge ins Gebiet unternommen und bei der Gelegenheit der Kofferraum mit Wein voll gepackt. Ein Archäologiepark sowie der Nationalpark Donauauen sind beliebte Ausflugsziele.

Noch in den neunziger Jahren hatte Carnuntum keine klare Identität. Damals gab es ein Anbaugebiet Donauland-Carnuntum, das kaum jemand richtig einordnen konnte. Die längst selbstständige Region Wagram, gelegen zwischen Krems und Wien, gehörte dazu. Dass es zudem weiter westlich ein Kamptal-Donauland mit Krems und Langenlois als Zentren gab, trug ebenfalls nicht zur Orientierung bei.

Die Österreicher schafften eine vernünftige Neuordnung und gaben damit dem nun eigenständigen Gebiet Carnuntum neue Möglichkeiten an die Hand. Früher war hier nur ein Winzer überregional bekannt (Johann Pitnauer in Göttlesbrunn). Heute sind Namen wie Markowitsch (Gerhard und Lukas), Artner, Glatzer, Pimpel, Netzl, Böheim in ganz Austria populär. Sogar ein berühmter Portugiese tummelt sich hier. Dirk van der Niepoort heiratete die Wiener PR-Lady Dorli Muhr, die einen Weingarten in Prellenkirchen besaß, hier aber nie eigenständig Wein machen wollte. Doch wenn man sich einen Weinmacher angelacht hat, der für viele verrückte Dinge zu haben ist, dann war klar: es musste etwas geschehen. Das Paar lebt inzwischen zwar nicht mehr zusammen, aber das mittlerweile auf sechs Hektar gewachsene Weingut besteht weiterhin.

Die Geschichte von Birgit Wiederstein ist eine andere. Sie übernahm nicht nur 2002 das Familien-Weingut und betreibt es seitdem mit Mutter Grete als „Weiberwirtschaft“ auf sechs Hektar, die nach naturfreundlichen Kriterien bewirtschaftet werden. Inzwischen ist sie auch zweifache Mama (Felix, 6, und Paula, 2). Ehemann und Vater Christian Assl ist ein Berufsverwandter; er betreibt eine beliebte Gastwirtschaft im nicht weit entfernten Götzendorf an der Leitha.

Zum Weinbau angesteckt wurde Birgit 1998, als sie bei einem besonders guten Wein entdeckte, welche Aromenvielfalt in einem Glas stecken kann. Seitdem ist sie immer auf der Suche nach feinen Düften und hat deshalb schon etliche Weinregionen in Frankreich, Italien, Ungarn, Slowenien und sogar Kalifornien bereist. „Wein ist für mich ein Traum und ein Abenteuer“, sagt sie.

Ihre Stilrichtung ist eigenständig, die Weine nicht unbedingt im ersten Moment mit großer Strahlkraft gesegnet. „Ich mag es grazil mit einer femininen, ehrlichen Frucht, die nicht sofort ein Feuerwerk versprüht, aber natürlichen Charme verkörpert“, beschreibt sie es selbst mit zarter Poesie. Ihre Weißweine sind herzlich wie die Winzerin selbst. Der Grüne Veltliner von alten Reben hat das typische Pfefferl im Aroma, der Sauvignon blanc duftet nach Paprikagemüse und lässt (beim Jahrgang 2009) hohe Reife durchschimmern.

Umfangreich ist die rote Kollektion, für die sich die auch im Marketing pfiffige Birgit einige ungewöhnliche Namen einfallen ließ. „Rhea“ heißt zum Beispiel der Zweigelt, nach der Tochter der Erdmutter Gaia, der mit Pflaume und Feige die Nase kitzelt, sehr komplex und straff ist, aber seine Bestform erst nach einigen Jahren erreicht.

„Die Venus“ ist eine beerige, saftige Cuvée von Blaufränkisch und Merlot. „Seinerzeit“ heißt der Blaufränkisch solo, bei dem die Winzerin so wenig wie möglich im Keller macht - wie das früher der Fall war. Heraus gekommen ist ein stabiler, angenehm geschmeidiger Wein, dessen Etikett noch im traditionellen Buchdruck hergestellt wurde, um der Bezeichnung zu entsprechen.

Das Aushängeschild ist sicherlich der Pinot Noir, genannt „Die Diva“, ein Wein mit zarter Cassis im Aroma und viel Tiefgang, der aber Zeit braucht, um sich nach dem Entkorken richtig zu öffnen. Geduld schenkt hier besonderen Genuss. Ein Sekt („Perlenspiel“) sowie die von Mutter Grete fabrizierten würzig-temperamentvollen Trester und Weinbrand runden das Sortiment der „Weiberwirtschaft“ ab.

Damit auch wirklich alles funktioniert, gibt es noch einen Mann im Hintergrund. Birgits „Papa ante portas“, mit Vornamen Franz, ist für das natürliche Gleichgewicht in den Reben verantwortlich.

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