Überraschend kombiniert

Kaviar und Wodka

Text: Thomas Vaterlaus, Foto: Martin Hemmi

Jeder kennt Geheimtipps bei der Kombination von Wein oder Spirituosen und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen in dieser Serie vor. Zu Alpenkaviar serviert Chefredakteur Thomas Vaterlaus einen Blackwood-Diva-Wodka aus Schottland.

 

«Schickimicki»-Geniesser glauben noch heute, dass es für Kaviar und Wodka nur eine akzeptable Mariage gibt: auf dem Perlmutt-Löffelchen ein Beluga-Kaviar aus dem Kaspischen Meer, dazu im Glas ein gleichnamiger, fünffach gefilterter Beluga-Goldline-Wodka aus Russland. In berüchtigten Kaviarvertilgungsbastionen wie St. Moritz kommt es noch darauf an, aus welcher Dose der Beluga-Kaviar kredenzt wird. Zehn-Gramm-Döschen sind nur für arme Schlucker, erst mit einer Kilo-Dose gilt Mann als potent. Leider ist der Stör im Kaspischen Meer durch den unkontrollierten Wildfang inzwischen beinahe ausgerottet. Liebhaber von klassischen Kaviarsorten wie Beluga, Ossietra oder Sevruga mit einem Minimum an Verantwortungsbewusstein und Ethik sollten deshalb nur zertifizierte Produkte kaufen, die eine halbwegs artgerechte Produktion garantieren.

Wer bei Kaviar und Wodka noch immer zuerst an Russland denkt, hat die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen. Weil immer mehr Geniesser für rare Prestige-Wodkas viel Geld zahlen, werden diese längst rund um die Welt produziert. Und wie beim Single-Malt-Whisky werden heute neue japanische Selektionen oft höher bewertet als die russischen Originale. So sorgen auch West-Wodkas zurzeit für mehr Furore als jene aus Russland und Polen – der Heimat des «Wässerchens». Der Double Cross Vodka aus der Slowakei beispielsweise brüstet sich damit, nicht weniger als siebenmal destilliert und danach siebenmal gefiltert worden zu sein. Das Resultat ist perfekt ausgewogen und extrem rein. Beim Basismaterial schwören die einen auf ökologisch angebauten Winterweizen aus Kasachstan und die anderen auf Sommerweizen aus dem mongolischen Hochland. Und die «Blackwood Diva» wird auf den schottischen Shetlandinseln ausschliesslich mit Holzkohle von skandinavischen Birken gebrannt.

Beim Kaviar ist die begriffsrechtliche Situation klarer. Gemäss dem Codex Alimentarius der Food and Agriculture Organization of the United States (FAO) ist nur Kaviar vom Stör echter Kaviar. Doch spätestens seit Jahrhundertkoch Ferran Adrià seinen «sphärischen Melonenkaviar» präsentiert hat, wird fast alles als Kaviar bezeichnet, was mit einer Korngrösse zwischen zwei und vier Millimetern auf den Teller kommt. Als Ersatz für den Stör-Kaviar gibt es heute Rogen von Seehasen, Lachs, Forellen oder Felchen. Mit anderen Worten: Den Kombinationen von Wodka und mehr oder weniger aufwändig verarbeitetem Fischrogen sind keine Grenzen mehr gesetzt. So viel sei verraten: Die teuersten Mariagen sind längst nicht mehr zwangsläufig die besten.

Eine schlicht perfekte Mariage ist der edle Stör-Kaviar «No. 102» aus den Berner Alpen, der vom Tropenhaus in Frutigen in handwerklicher Weise hergestellt wird, in Verbindung mit dem vollmundigen, aber überaus harmonischen und blitzsauberen Blackwood-Diva-Wodka von den Shetlandinseln.

Versuchen Sie’s!

Die Speise

Kaviar, wildgefangen im Kaspischen Meer und nicht pasteurisiert, ist entweder selten erhältlich oder nicht bezahlbar. Zum Glück gibt es Züchter wie das Tropenhaus Frutigen im Berner Oberland. Hier wachsen die sibirischen Störe in frischem, kaltem Bergwasser auf. Weil dieser Kaviar in der Schweiz produziert wird, ist der Weg zum Geniesser kurz. Ein entscheidender Faktor bei einem Produkt, dessen Qualität von seiner Frische abhängt. Der «Oona Caviar No. 102» wird saisonal hergestellt und am Produktionstag verschickt. Er besticht mit einem vollen, reintönigen, nussig-würzigen Geschmack und einer lockeren, körnigen Konsistenz. Bei einem Preis von 152 Franken für die 30-Gramm-Dose ist «No. 102» zudem noch weit günstiger als Beluga und Co.

Der Wodka

Erste Getreideschnäpse wurden in Polen schon im frühen 15. Jahrhundert gebrannt. Heute werden die Wodkas in Osteuropa meist aus Roggen, in Skandinavien mehrheitlich aus Gerste und in Westeuropa aus Weizen hergestellt. Der Wodka ist heute ein ähnliches Trendprodukt wie Gin. Fast wöchentlich kommen neue Erzeugnisse auf den Markt. Topprodukte sind: Stolichnaya (Russland), Beluga (Russland), Kauffman (Russland), Grand Khaan (Mongolei), Ed Hardy (Frankreich), Grey Goose (Frankreich), Crystal Head (Kanada), Belvedere (Polen), Blackwood Diva (Schottland), Vallure (Deutschland), Puriste (Österreich), Double Cross (Slowakei) oder Studer Swiss Gold (Schweiz).

Die Mariage

Die einfachen Kombinationen sind die besten! Den «Oona Caviar No. 102» (oder den etwas preiswerteren «No. 103») mit einem Plastik- oder Perlmutt-Löffel auf einen Cracker, ein Stück Toastbrot, ein gekochtes Wachtelei, einen Buchweizenblini oder die Hälfte einer lauwarmen, auf den Punkt gegarten Kartoffel geben. Dazu einen gut gekühlten Wodka kredenzen. Vor allem westliche Destillate wie Grey Goose, Vallure oder Blackwood Diva harmonieren durch ihre extrem reintönige, elegante Klarheit mit Kaviar.