Überraschend kombiniert

Appenzeller und Sherry

Text: Thomas Vaterlaus, Foto: Martin Hemmi

Jeder kennt Geheimtipps beim Kombinieren von Wein und Speisen. Die originellsten Mariagen stellen wir Ihnen in dieser Serie vor. Zum Appenzeller serviert VINUM-Chefredakteur Thomas Vaterlaus Oloroso-Sherry.

 

Schwedische Weinfreaks können im Süden von Spanien auf die verrücktesten Ideen kommen. Zum Beispiel Andreas Larsson, der 2007 mit dem prestigeträchtigen Titel «Best Sommelier of the World» ausgezeichnet wurde. An einem Frühlingstag sassen wir zusammen im kühlen Keller der Sherry-Kellerei von Bodegas Sánchez Romate in Jerez de la Frontera und tranken uns durch die Weine der Schatzkammer mit ihren über 30-jährigen Raritäten, die unter dem Edellabel «Old & Plus» in Kleinstmengen auf den Markt kommen. Gegen Ende der Verkostung nippten wir an einem mahagonifarbenen Oloroso, einem schlicht genialen Elixier voller Kraft, Schmelz und opulenter Extraktsüsse. Als die Aromenfülle mit Noten von Nüssen, Trockenfrüchten, Honig, Kaffee und Gebäck langsam den ganzen Raum füllte, sagte Andreas plötzlich: «Jetzt dazu ein Stück Appenzeller Käse, und wir wären im Himmel!»

Wenn ein schwedischer Star-Sommelier in Spanien von Appenzeller Käse schwärmt, und das noch in Anwesenheit eines Schweizers, kann dieser ein leichtes Aufkommen von Nationalstolz kaum unterdrücken. So kaufte also jeder von uns eine Flasche dieser Rarität. In den folgenden Tagen begaben wir uns in Jerez auf die Suche nach Appenzeller Käse. Wir fanden zwar Manchego und sogar einen Stilton, doch leider mussten wir feststellen, dass Andalusien eine appenzellerfreie Zone ist.

Zu Hause vergass ich den Oloroso wieder, was bei einem Wein, der schon über 30 Jahre alt ist und locker noch hundert weitere Jahre reifen kann, nicht weiter schlimm ist. Ein Jahr später kam ein Bekannter zu Besuch. Und er hatte ein ganz spezielles Geschenk dabei – einen rässen Appenzeller: einen viertelfetten Käse aus teilentrahmter Milch, der nach einjähriger Reife eine Intensität erreicht hatte, dass er auch einen Baumfäller hätte umhauen können. Das war die Chance für meinen Oloroso. Doch die Mariage ging schief. Der rässe Urschweizer narkotisierte unsere Gaumen dermassen, dass vom Oloroso nichts mehr übrig blieb. Ich hätte es wissen sollen: Die Appenzeller, übrigens ein sehr schlaues Volk, geniessen ihren Rässen seit Jahrhunderten mit saurem Apfelmost...

Am nächsten Tag wollte ich es wissen, besorgte mir alle gängigen Appenzeller-Varianten, vom Classic bis zum Extra, und begab mich mit Käse und Oloroso zu Tisch. Und siehe da: Beim würzigen Extra machte es klick, und ich hatte eines mehr von diesen raren Genusserlebnissen, die sich so gründlich in irgendeiner Gehirnwindung eingraben, dass man sie für den Rest seines Lebens nie mehr vergisst. Es ist übrigens nicht in erster Linie der intensive Geschmack, der den Appenzeller Extra zum perfekten Begleiter für den Oloroso macht. Der entscheidende Punkt ist die cremig-schmelzende Konsistenz dieses Käses, die sich perfekt mit der warmen Intensität des Oloroso vereint und im Zusammenspiel ein sensorisches Feuerwerk der besonderen Art zündet.

Versuchen Sie’s!

Die Speise

Der Appenzeller Käse ist ein würziger Halbhartkäse, der von rund 60 Käsereien in den Kantonen Appenzell Ausserrohden, St. Gallen und Thurgau aus thermisierter Rohmilch hergestellt wird. Seinen besonderen würzigen Geschmack bekommt der Käse durch das regelmässige Einreiben mit einer Kräutersulz, die sich aus Wein, Hefe und Salz zusammensetzt, sowie einer geheimen Kräutermischung, die von einem Appenzeller Bitterhersteller produziert wird. Nach Überlieferungen geht die Käseproduktion im Appenzell auf das 13. Jahrhundert zurück. Der Appenzeller der heutigen Machart hat seinen Ursprung im 19. Jahrhundert. Heute ist Appenzeller in den Reifegraden Classic (drei Monate), Surchoix (vier bis fünf Monate) und Extra (sechs Monate und mehr) erhältlich.

Der Wein

Sherrys gehören zu den gespriteten Weinen, sie werden mehrheitlich aus der weissen Sorte Palomino, die süsseren Varianten auch aus Moscatel und Pedro Ximénez gekeltert. Nach vollendeter Gärung werden die Weine mit Branntwein auf 15 bis 20 Volumenprozent verstärkt. Während Sherry- Typen wie Fino, Manzanillo und teilweise auch Amontillado unter der legendären Hefeschicht (Flor) ohne oxidativen Einfluss reifen, vollenden sich die Olorosos über Jahre oder Jahrzehnte unter oxidativem Einfluss in grossen Holzfässern. Mit zunehmendem Alter gewinnen diese Olorosos durch den permanenten Verdunstungsprozess an Kraft, Geschmack und Extrakt.

Die Mariage

Einfacher geht’s nicht. Käse bei Zimmertemperatur servieren, den Oloroso leicht gekühlt (am besten bei 14 Grad Celsius). Sehr alte Olorosos, die oft die Zusatzbezeichnung «Sacristia» tragen und eine leichte Extraktsüsse aufweisen, ergeben die perfekte Mariage mit dem Appenzeller. Mein Tipp: Versuchen Sie es mit dem Oloroso «Old & Plus» von Bodegas Sánchez Romate, wenn Sie denn ein Fläschchen von dieser Rarität auftreiben können.