Lautes Wiener Blut • Dossier Österreich 2022

Interview mit Nino Mandl

Interview: Eva Maria Dülligen, Foto: Michael Liebert

Vor seinen Konzerten trinkt Der Nino aus Wien gern mal ein Bier und isst Beef Tatar mit Toast und Butter. Privat liebt er es eher wienerisch. Seine Leibspeise ist das Surschnitzel, sein Lieblingswein der Gemischte Satz. Wahrscheinlich, weil der junge Liedermacher im 19. Bezirk zur Welt kam – direkt am Nussberg, wo einige der besten Weine Wiens entstehen.


Nino, du verkörperst die junge Generation des Austro-Pop. Eins deiner bekanntesten Lieder ist wohl «Es geht immer ums Vollenden ». Es verfügt über sprengstoffartige Poesie. Gab’s Vorbilder?

Mich haben immer Menschen inspiriert, die mit Worten und Stimmungen arbeiten. Für mich sind Lennon und Dylon grosse Dichter. Und das Solo-Album «The Madcap Laughs» von Syd Barrett, dem Pink-Floyd-Gründer, hat mir sozusagen das Gitarrespielen beigebracht.

Mit dem Soundtrack «Zirkus» hast du genremässig neue Fässer aufgemacht. Was hat dich daran gereizt, diese musikalischen Zirkusnummern zu schreiben?

«Zirkus» vom bekannten Liedermacher Ernst Molden und mir war eine Auftragsarbeit für den Film «Ein Clown – ein Leben» über Bernhard Paul und den Zirkus Roncalli. Ernst Molden und ich haben da zum ersten Mal gemeinsam Songs geschrieben. Manchmal hatte er einen Refrain und ich die Strophe. Dann war es umgekehrt. Unsere gemeinsamen Zirkuseindrücke haben wir zu Liedern gemacht, die sowohl als Filmsoundtrack als auch als Album sehr gut funktionieren.

In deinen Liedern kommt das Lebensgefühl von Wien lyrisch schön auf den Punkt. Wie würdest du es prosaisch beschreiben?

Der Wind hat einen grossen Einfluss auf die Stadt und ihre Menschen. Ich fühle mich entweder von ihm vorangetrieben oder ich muss gegen ihn ankämpfen. Windstille lässt mich ratlos zurück. Der Wind beschreibt die schwierige Lage der Stadt. Er kann dich fliegen lassen, und es gelingt alles mit Leichtigkeit, er kann dir aber auch eine in die Gosch’n haun – und dann fängt es üblicherweise auch noch an zu regnen.

Das klingt schon ein bisschen melancholisch. Kann dich da vielleicht ein guter Wein aufheitern?

Unbedingt. In einer Grossstadt zu leben, wo Wein wächst, ist nicht das Schlechteste. Wenn in Wien mal wieder Sauwetter herrscht, motiviere ich mich mit dem Gedanken, dass dieses Wetter doch gar nicht so schlecht sein kann, wenn hier so guter Wein entsteht. Ich bin in Nussberg, Wien-Döbling, geboren. Der Nussberg ist berühmt für seinen Gemischten Satz. Auch wenn ich in Nussberg nur zur Welt kam und gleich danach in den 22. Bezirk verfrachtet worden bin, liegt mir Wiener Wein im Blut.

So sehr im Blut, dass du dem Wiener Gemischten Satz mit Haut und Haaren verfallen bist?

So weit würde ich jetzt nicht gehen. Der Gemischte Satz ist eh faszinierend. Ich hatte kürzlich wieder einen von Fritz Wieninger. Man kann tatsächlich Wien in diesem Wein schmecken. Aber in letzter Zeit habe ich auch den Wiener Riesling für mich entdeckt. Davon liegt noch eine Flasche aus dem Ried Alsegg von Mayer am Pfarrplatz auf meinem Balkon.

Ausser dem Wein kommt das Wiener Kaffeehaus in deinen Liedern vor. Was für eine Bedeutung hat dieses immaterielle Kulturerbe der UNESCO in deinem Leben?

Ich bin oft in Kaffeehäusern. Mittlerweile eher auf einen Kaffee, früher, also vor Corona, war ich dort meistens auf einen weissen Spritzer. Manchmal bin ich im «Alt-Wien», ab und zu im «Café Korb» oder im «Bräunerhof». Kaffee ist eh ein spannendes Thema. Ich trinke am liebsten Espresso Doppio oder einen grossen Mokka. Ohne Milch und Zucker. Aber den besten Kaffee habe ich wohl in Triest getrunken. Die Italiener machen den besten Espresso der Erde.



Du schreibst Songs, die philosophisch sehr aufgeladen sind. Ich denke da an «Taxidriver » oder «Davids Schlafplatz». Läuft das Schreiben bewusst ab oder fliesst dir das einfach aus der Feder?

In der Arbeit bin ich schon sehr genau. Es geht um jedes Wort, um jeden Moment und um jeden Akkord. Manche Lieder kommen schnell, andere bedeuten jahrelange Arbeit. Text und Musik sind mir dabei gleich wichtig. Und ich bin extrem streng mit mir. Die Momente der Inspiration kommen manchmal. Aber auch nicht geschenkt. Ich habe unterm Strich wesentlich mehr schlechte Lieder geschrieben als gute.

Gibt es irgendwas, was du dir, ausser Liedermacher zu sein, vorstellen kannst zu machen?

Über die Jahre habe ich einige Anfragen aus der Filmindustrie und vom Theater bekommen, habe aber kaum was davon angenommen. Das Schauspielern steht ziemlich weit unten auf meiner Wunschliste. Da würde ich vorher noch daran denken, ein Bild zu malen oder ein Kochbuch zu schreiben.

Gehst du öfter mal zu einem der Wiener Heurigen, wenn dich der Hunger plagt?

Ich gehe gern zum Heurigen, wenn auch zu selten. Aber, wenn ich dort bin, geniesse ich es. Egal, ob in Döbling oder Oberlaa. Und wenn es dann ein Surschnitzel mit Mayonnaise- Salat gibt, greife ich zu. Ich liebe auch Aufstriche wie Liptauer und Käferbohnen- oder Schwarzwurzelsalat.

Warst du abgesehen von der Weinstadt Wien schon in anderen österreichischen Anbaugebieten?

Für das «Grüne Album», eine Zusammenarbeit mit Natalie Ofenböck, war ich zur Recherche in der Südsteiermark. Da habe ich mich in den Welschriesling verliebt. Herrlich: ein Glas kühler Welschriesling in der frühherbstlichen Nachmittagssonne mitten in der Steirischen Toskana. Im Nordburgenland haben wir gerade mein neues Album «Eis Zeit» aufgenommen und wurden dabei bestens mit feinem Pinot Noir vom Weingut Jagschitz versorgt.

Würdest du den Wiener Wein für unsere Leser mit einem Vierzeiler würdigen?

Rau und fein
Soll er sein
Das ist mein
Wiener Wein