Tourismus & Reisen

«Von Glas zu Glas im Bikersattel»

Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: www.linsenbub.de, z.V.g., www.linsenbub.dewww.gbayerl.com, Touristikgemeinschaft Heilbronner Land, Lukas Fenzl

Köstliche Weine, regionale Leckerbissen, herzliche Gastfreundschaft und Schnappatmung bei der Aussicht auf Landschaften sind garantiert. Das Weinland Württemberg macht den Spagat zwischen Hightech und Romantik möglich: Trekking-Bikes, GPX-Tracks auf der einen und Wahnsinnslandschaften, Kellereien, kulinarische Intermezzi auf der anderen Seite.

Stellen wir uns kurz eine Weinradel-Tour in den 1970ern vor. Frauen im Minikleid, Männer mit Schlaghose ruckeln auf Hollandrädern über holprige Weinberge. Im Gepäck zerknitterte Landkarten, Mückenspray, Picknickdecke und Proviant. Der Heimatfilm mit ungewolltem Road-Movie-Charakter unter dem Titel «Immer die Radfahrer» zeigt 1958 gar ein Altherren-Trio, das in bayrischen Lederhosen und «Kein schöner Land zu dieser Zeit» pfeifend die Kärtner Bergwelt auf dem Radl einatmet. Immer der Nase nach, an der Sonne orientiert oder den Gastwirt nach dem Weg gefragt. Hat was Romantisches. Szenenwechsel: Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist das Improvisieren auf einer Weinbiker-Tour zwar zur Nebensache herabgesunken – der wissenschaftliche und touristische Fortschritt lässt das Erfahren von Weinkultur in Deutschland auf dem Drahtesel dafür zum professionellen Event avancieren. Den Spagat zwischen Romantik und Hightech schaffen landesweit alle Weinbauregionen.

GPX-Tracks zum Download oder Trekkingbikes sind weniger entzaubernd als einfach nur praktisch. Auch Adressen fürs Wein-Schlafen und zertifizierte Guides bedeuten einen zeitsparenden Faktor. Gerade das Weinland Württemberg mit seinem milden Klima, den sonnenverwöhnten Hängen, hervorstechenden Weingärtnern, historischen Spots und mundwässernder Gastronomie gewährt ein Eldorado für genuss- und kulturaffine Biker. Denn neben Leitsorten wie Lemberger, Trollinger und Riesling sowie regionaler Küche alias Maultaschen, Zwiebelrostbraten und Winzersalat bieten durchdeklinierte Routen, historische Zwischenstationen und Stopps in Kellereien einen Rahmen, der den eigenen Akku auflädt. Eine Herausforderung war es allemal, unter den vielen spannenden Weinradel-Routen im Ländle drei herauszufiltern. Erwähnenswert wäre jede einzelne: von der Treue-Weiber-Tour bis zum Alb-Neckar-Weg. Unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, lange, mittlere und kurze Entfernungen waren ein Kriterium. Ein anderes zwang den Fokus auf attraktive Weinbaubetriebe, packende Landschaften und Kulturstätten rund um den Neckar zu zoomen. Da, wo puristische Einsteiger einen «Kurztrip» von 25 Kilometern suchen, garniert mit ein paar Degustationen vor Ort und einem Zwischen-Stopp im Besen, wollen anspruchsvolle Routiniers eine Strecke im dreistelligen Bereich mit professionellen Verkostungen und einem Kultur-Programm de luxe. Die viertgrößte Weinregion Deutschlands hat jedes Format in der Pipeline. Unsere Weinbikertrip-Tipps spiegeln einen Querschnitt und liefern Radfans mit Genuss-Faible drei Touren.

Tipp 1

Weltkulturerbe am Wegesrand

Die Hammertour par excellence. In jeder Hinsicht: 97 Kilometer Tourenlänge, die als Rundweg durch das schwäbisches Weltkulturerbe, an sonnigen Südhängen in Deutschlands Rotweinlandschaft vorbei und teils entlang des Flusses Enz verläuft. Kirchheim am Neckar heißt die Start-Adresse für mit dem Zug Angereiste. Endstation ist das mittelalterliche Besigheim rund 25 Kilometer nördlich von Stuttgart. Dem Outdoor-Aktivisten laufen in der Naturoase mit ihren Streuobstwiesen, schattigen Wäldern und Wein-Plateaus die Augen über.

Tour 1:

Württemberger Weinradweg, Nebenroute Stromberg

Der Kulturversessene findet sein Glück im Römer-Museum, Kloster Maulbronn und der historischen Altstadt von Bietigheim. Eine durchgehende Beschilderung auf überwiegend asphaltierten Weinberg- und Wirtschaftswegen sorgt für entspanntes Etappen-Biking. Was wir überall an regionaltypischer Gastlichkeit vorfanden, war grandios: Von rustikal bis modern interpretiert waren die empfohlenen Württemberger Besen, in denen wir es uns schmecken ließen. Nach einem Stopp beim Trollinger Tracking am Michaelsberg bei Cleebronn, wo wir mithilfe von GPS-Geräten auf kleine Schätze wie Viertele-Gläser und Korkenzieher stießen und am Ende zum Picknick zusammenkamen, ging es zum Weinlehrpfad am Stausee Ehmetsklinge und nach erholsamem Schlaf auf einem Urlaubs-Winzerhof weiter zum Kloster Maulbronn, einer ehemaligen Zisterzienserabtei und UNESCO-Weltkulturerbe. Die zweite Hälfte des Marathons inklusive Wein-Schlafen auf Winzerhöfen widmeten wir neben dem Besuch ausgewählter Vinotheken und Weinterrassen einschließlich der Burg Löffelstelz unweit der Enz und der Fachwerk-Altstadt Bietigheim, dem Ziel. Fazit: eine rund 100 kilometerlange Liebeserklärung an radelnde Genussmenschen.


Der passende Wein

Weingärtner Stromberg-Zabergäu

Chardonnay 2018

13,0 Vol.-%

Melisse und Aprikose steigen in die Nase. Schöne Frucht entfaltet sich auch am Gaumen, fein eingewobene Säureader, geprägt von Limonenakzenten. Seidig in Farbe und Textur. Ananas, Melone und Stachelbeere schieben sich hinterher. Fein strukturiert, schöne Balance. Angenehm trockene Tropenfrucht im Finale – optimaler Seafood-Begleiter.

Preis: 7,50 Euro | www.wg-stromberg-zabergaeu.de

 

Tipp 2

Von Schiller zum Geocaching

Hier geht es nicht rund, sondern rauf – und zwar von Marbach am Neckar hoch nach Heilbronn. Einheimische bezeichnen den 32 Kilometer langen Weinradweg gern als «Entenmörder», da die Route auf einer alten Bahnstrecke durch die Flusstäler von Bottwar und Schozach verläuft. Die Nähe zum Wasser ist eine nahezu nahtlose Attraktion und verlockt vielerorts, die Picknickdecke auszubreiten. Unser Picknickkorb war randvoll mit Kulturellem und Kulinarischem. In Marbach sogen wir hoch über dem Neckar mit Blick auf Wiesen und Weinberge das historische Flair der Geburtsstadt Schillers auf. Nächster Stopp auf unseren E-Bikes, die problemlos an Aufladestationen aufgetankt wurden, war die Vinothek der Bottwartaler Winzer (erstklassige Lemberger und Rieslinge) und Burg Lichtenberg mit Rittersaal, Kapelle und Bildergalerie aus Mittelalter und Renaissance.

Tour 2:

Nebenroute Schozach-Bottwar

Der Ökologische Weinlehrpfad in Beilstein, den Rebsortentafeln und Aufklärung, etwa zum Thema pilzresistente Sorten (Piwis), zieren, und anschließende Besuch der Burg Hohenbeilstein forcierte den Appetit. Ein Dinner in einem der vielen Besen unterwegs – zuvor relaxten wir in der renaturierten Schozach-Aue – und Übernachtung im familiengeführten Hotel «Sonne» in Talheim machte fit für die nächste Etappe. Flein ließ mit seinem Weinlehrpfad und dem Weinausschank am Fleiner See Abschiedsstimmung aufkommen, denn es waren nur noch wenige Kilometer bis zum Etappenziel Heilbronn. Unsere Leidenschaft fürs Geocaching zwang uns dann doch noch einen Tag dranzuhängen, um an einer digitalen Schatzsuche in der Weinmetropole Heilbronn teilzunehmen.


Der passende Wein

Bottwartaler Winzer

Riesling Spätlese feinherb 2017

11,5 Vol.-%

Schmelzigzart in der Nase. Leichter Ansatz von Küchenkräutern, mineralische Noten bis hin zu Feuerstein und Jod. Weiches Mundgefühl, tropische Frucht, vor allem Ananas. Nektarinenschale und etwas Pampelmuse folgen. Holunderblüte und Zitronenmelisse vollenden den komplexen Gaumeneindruck. Softe Textur bis ins Finish. Zum französischen Rohmilchkäse eine Offenbarung.

Preis: 6,50 Euro | www.bottwartalerwinzer.de

 

Tipp 3

Bergauf, bergab durch Märchen-Täler

Mit 62 Kilometern reiht sich die KJ7 4-Tälertour in die mittlere Kategorie. Gegen den Uhrzeigersinn gilt es in die Pedale zu treten. Die Tour durch die Täler von Kocher, Neckar, Sulm und Brettach verläuft von Neckarsulm Richtung Südosten bis zum Breitenauer See, von da nördlich bis Bretzfeld, um weiter gen Westen in Bad Wimpfen zu landen.

Tour 3:

KJ7 4-Tälertour

Die Tour gleicht einem Füllhorn. Vollgepackt mit Weinbaubetrieben, Museen, Weinstuben und Freizeit-Spots. So blieb wie bei den beiden anderen Touren nur die vorherige selektive Routenplanung. Wir steuerten als ersten Erlebnispunkt das Aquatoll, ein Freizeitbad mit Sauna-Landschaft in Neckarsulm an, um unsere Waden zu lockern. Ein Muss hiernach war die Besichtigung der Burgruine Weibertreu aus dem 11. Jahrhundert im malerischen Weinsberg. Die Übernachtung im Löwensteiner Landgasthof Roger füllte unsere Akkus auf, und so ging es tief entspannt zum und um den Breitenauer See, einem Bade- und Surfer-Paradies. Das Wengertshäusle an diesem Märchensee darf man keinesfalls links liegen lassen, allein wegen der Chardonnays und Lemberger. Links liegen ließen wir das Möricke-Museum in Cleversulzbach und stürzten uns in die Freilichtspiele in Neuenstadt, wo wir uns die Volkskomödie «s’Konfirmandefescht» gaben und von der inszenierten Völlerei angeheizt, den Ferienhof Laurentius anpeilten: Die nach Rebsorten benannten Zimmer ließen die Herzen ebenso hüpfen wie die hauseigenen Weine von den Hängen des Kochertals. Endstation hieß für uns das Café und Hotel Schell in Gundelsheim, wo in der familieneigenen Schokoladenmanufaktur edler Wein auf feinste Schokolade trifft.


Der passende Wein

Genossenschaftskellerei Heilbronn

Sankt Kilian Cuvée Blanc 2018

13,5 Vol.-%

Rauchige Nase, Feuerstein, trockene Himbeere. Das Barrique ist schmeckbar, der intensive Saft der weißen Burgundersorten dringt tief in den oberen Gaumen. Kompakt und druckvoll. Klare Linie, weniger filigran als komplex. Bleibt sehr lange haften. Schöner Begleiter von gereiftem Bergkäse oder Tortilla-Muffins.

Preis: 11,90 Euro | www.wg-heilbronn-shop.de