Goldene Zukunft

Angelus

Mit Stéphanie de Boüard-Rivoal

Angelus steht für ein dreimal am Tag rezitiertes Gebet, für ein aussergewöhnliches, von drei Kirchen umgebenes Weingut und für ein ehrgeiziges Gesamtkunstwerk, über das selbst die Götter staunen!

Um zu wissen, wohin wir gehen, müssen wir wissen, woher wir kommen. Ich vertrete die achte Generation der Familie de Boüard de Laforest. Angelus leite ich seit 2012. Das ist eine Verpflichtung, eine grosse Ehre – und eine immense Freude. Unser Vorfahre Jean de Boüard de Laforest, Mitglied der königlichen Garde, hat 1782 in Saint-Émilion einen Flecken Land erworben, den er seiner Tochter überlassen hat. Für die konsequente Ausrichtung auf den Weinbau ist mein Urgrossvater Maurice verantwortlich, zusammen mit meinem Grossonkel. Als diplomierter Weinfachmann und Berater mit immenser Erfahrung erneuerte mein Vater Hubert nicht nur Rebberge und Keller: Er arbeitete auch intensiv am Ruf des Gutes und an der Verteilung der Weine. Angelus hat ihm enorm viel zu verdanken.

Ich bin in dieser umtriebigen Atmosphäre aufgewachsen. Angelus leiten wollte ich schon als Kind von sieben Jahren. Natürlich winkten Vater und Onkel zuerst ab und sagten, ich solle erst mal in der Schule gute Arbeit leisten. Ich habe daraufhin Finanzwesen studiert und sieben Jahre in England gearbeitet. Mittlerweile hat sich mein Traum verwirklicht. Doch ich wollte mich nicht einfach in ein gemachtes Nest setzen, das liegt mir nicht. Ich hatte eine klare Vision für die Zukunft unseres Unternehmens – und bin dieser in den vergangenen Jahren einen stolzen Schritt näher gekommen.

Als Erstes wollte ich natürlich den Platz von Angelus im Weinuniversum konsolidieren. Dahinter steckt die Pflege auch des kleinsten Details. Angelus sollte ferner Zentrum eines Gesamtprojekts werden, eines kleinen Kosmos, für dessen Elemente die gleichen qualitativen und ästhetischen Ansprüche gelten sollten wie für Angelus selbst.

Zuerst wollte ich den eigentlichen Weinbaubetrieb ausbauen. Als ich die Verantwortung übernommen habe, kultivierten wir hier knapp 30 Hektar Reben. Heute sind es 85 Hektar in drei verschiedenen Terroirs von Saint-Émilion. Sie kommen in erster Linie unserem anderen Wein zugute, Carillon, der nach und nach zu einem eigenen Stil, einer eigenen Identität gefunden hat. Er wird heute in einem separaten, hochmodernen und architektonisch beeindruckenden Keller in Saint-Magne-de-Castillon gekeltert und ausgebaut, der besonders präzises und schonendes Arbeiten erlaubt. Doch wir feilten auch am Stil von Angelus weiter. So bauen wir heute unsere Cabernet Franc in vier grossen Eichenfudern aus. Das hat zu noch grösserer aromatischer Reinheit und Finesse geführt.

«Angelus (rechts) ist Zentrum eines Gesamtwerks, zu dem zwei Restaurants gehören, die künftig mit Zutaten aus eigener Produktion beliefert werden können!»

Stéphanie de Boüard-Rivoal

Als Nächstes arbeitete ich an der Verteilung unserer Weine, die durch eine stolze und damit unübersichtliche Anzahl Kanäle abgesetzt wurden, die wir nicht immer in genügender Menge beliefern konnten. Ich beschränkte den Vertrieb auf qualitativ hochstehende Handelspartner, die unserer Philosophie entsprachen.

Daraufhin konnte ich mich auf meine Vision des Angelus-Gesamtwerks konzentrieren: Es fehlte uns ein Restaurant für unsere zahlreichen Besucher. Wir übernahmen daher das «Logis de la Cadène» im Herzen von Saint-Émilion, das älteste Restaurant des Städtchens. Und ich fand den jungen Küchenchef Alexandre Baumard, mit dem ich mich auf Anhieb verstand. Das Projekt ging allerdings in eine andere Richtung, als ich mir das ausgemalt hatte: Nach drei Jahren hatten wir einen Michelin-Stern und erwarben ein zweites Restaurant in bester Lage in Bordeaux, «Le Gabriel », das mittlerweile ebenfalls einen Stern besitzt.

Das gab mir die Gelegenheit, eine weitere Vision zu verwirklichen. Eine gesamtheitliche, nachhaltige Sichtweise bestimmte schon lange unser Denken, denn im Weinbau ist sie unabdingbar. Ich wollte noch einen Schritt weiter gehen. Historisch gesehen gehört Weinbau zur Landwirtschaft, viele Weingüter sind aus Gemischtwirtschaftsbetrieben entstanden. Wir hatten zwei Sterne-Restaurants, in denen wir möglichst lokale Produkte verarbeiteten – warum nicht aus eigenem Anbau? Ich habe daher kurzerhand Land erworben, um einen Bauernhof aufzubauen. Er liegt zwischen Saint-Émilion und Bordeaux, in etwa gleicher Distanz zu unseren beiden Restaurants, in denen wir nun Gemüse, Früchte und sogar Fleisch aus eigener Produktion anbieten können. Und Pilze! Champignons, Morcheln, Austernpilze, Wolkenpilze! Wir nutzen dazu unsere «Carrières» unter dem Park, die einst beim Abbau von Kalkstein entstanden sind. Sie sehen: Ich langweile mich noch lange nicht!