Vertikalverkostung
Brane-Cantenac

In den letzten 25 Jahren hat sich das zweitklassifizierte Gewächs technisch und puncto Rebbau laufend dem jüngsten Stand angepasst. Eines ist geblieben: die unnachahmliche Margaux-Eleganz
Henri Lurton ist kein Mann grosser Worte. Er weiss, dass seine Weine für ihn sprechen, und die haben einiges zu sagen. Unsere Vertikale belegt es: Seit bald 30 Jahren keltert er mit sicherer Hand grosse Weine, die dank Stilsicherheit, Eleganz und Präzision seit rund zehn Jahren regelmässig ganz oben auf dem Podest anzutreffen sind. Anteil am Erfolg hat auch seine tüchtige Equipe, die mit Begeisterung bei der Sache ist. Henri weiss seit langem, dass das eigentliche Potenzial von Brane seine erstklassigen Lagen sind. Er setzt alles daran, dieses Potenzial zu erhalten. «Die letzten Jahrgänge haben gezeigt, wie gut die Rebe sich ändernden klimatischen Bedingungen anpasst. Für Bordeaux gilt das ähnlich. Wir haben noch nie so gute Weine gekeltert. Nicht, weil wir die Hände in den Schoss legen, sondern weil wir uns laufend hinterfragen. Alle Spitzengüter engagieren sich heute für nachhaltigen Rebbau. Auf Brane pflanzen wir Bäume, selbst wenn wir dafür wertvolles Rebland opfern müssen», so Henri.
Seinen jüngsten Jahrgang widmet Henri dem kürzlich verstorbenen Vater, der auf Brane, wo er lebte, die Reise in andere Gefilde antreten konnte. Das Werk seines Sohnes wird er von da weiter verfolgen. Er kann stolz auf ihn sein.
VERTIKALVERKOSTUNG
1999
Henri Lurton hat Brane 1992 übernommen. Sieben Jahre später konnte er eine neue, mit natürlichen Baustoffen errichtete Kellerei in Betrieb nehmen, die für die damalige Zeit geradezu revolutionär war. Das erlaubte präziseres Arbeiten. Ausserdem wurde die Fassreife von 12 auf 18 Monate verlängert. So konnte Henri zum ersten Mal zeigen, zu welchen Klasseweinen sein Gut fähig war. 1999 war recht kühl und regnerisch und damit alles andere als einfach, mit einer der grössten Erntemengen, die Bordeaux je eingefahren hat. Dank seiner Menthol-Frische, seinem schlanken, eleganten Bau und den abgebauten Tanninen, kann sich der 1999er Brane- Cantenac bis heute sehen lassen.
2005
Jahre die auf Fünf enden, geraten in Bordeaux immer gross, heisst es. 2005 hatte daher top zu sein, erst recht nach vier Jahrgängen, deren Qualität nach damaligen Gesichtspunkten nicht über alle Zweifel erhaben war. Wir schienen damals die Einzigen zu sein, die 2001, 2002 oder 2004 mit ihren eleganten Weinen nicht weniger schätzten, als den bulligen 2005er. Immerhin: Brane präsentiert sich heute trotz spürbarer Fülle und tragender Struktur erfreulich zivilisiert und harmonisch und kommt seinem Margaux-Stil sehr nahe. Er macht heute grosse Freude und kann doch weiter reifen.
2015
Ab der Jahrtausendwende galt Brane weltweit als grosser Margaux. Für uns kam die echte Wende zehn Jahre später. Brane beeindruckte uns nicht länger durch Dichte und Fülle und höchsten technischen Stand, sondern durch absolute Präzision, betörende Fruchtigkeit, Delikatesse, Spannkraft, Mineralität und Länge, genau das also, was uns an Weinen aus Margaux so gefällt. Der 2015er macht da keine Ausnahme. Er besitzt bereits heute immense aromatische Komplexität und erscheint – nach etwas Belüftung – bereits erstaunlich harmonisch und trinkig, auch wenn er lange weiter reifen kann.
2019
Vorliegende Vertikale kam ein paar Wochen vor der Primeur-Verkostung zustande. Wir kürten dabei 2019 einstimmig zum besten Brane aller Zeiten. Wer bereits unsere Primeur- Notizen gelesen hat, weiss, dass wir zum «besten abgefüllten» hätten schreiben müssen. Vieles hat zu diesem grossartigen Resultat geführt, unter anderem die Tatsache, dass Brane 2019 nur aus den alten Reben der besten Lagen gekeltert wurde, die rund 40 Prozent des Rebbestandes ausmachen. Ideale Balance von Kraft, Struktur und Rasse, perfekter Tanninschliff, immense aromatische Komplexität, enorme Länge, grosses Reifepotenzial: ein Jahrhundertwein.