Ein Wein von Welt

D’Issan

Mit Emmanuel Cruse

Als Spross einer alten Weindynastie ist Emmanuel Cruse nicht nur unermüdlicher Botschafter des legendären Château d’Issan in Margaux, er kümmert sich auch um drei Spitzengüter in Pauillac und Saint-Estèphe.

Die Welt verändert sich, das ist eine alte Weisheit. Man kann das bedauern, verhindern kann man es nicht. In Bordeaux, ganz besonders hier im Médoc, wird es für eine Familie immer schwieriger, ein grosses historisches Weingut zu halten, aus mehreren Gründen. Ich habe das selber erlebt. Anfang 2013 verkaufte ein Teil meiner Cousins ihre Anteile. Zum Glück wurden sie vom Vertreter einer anderen Familie erworben. Jacky Lorenzetti ist ein Pariser Unternehmer und Weinenthusiast, der 2008 Lilian Ladouys in Saint-Estèphe erwarb, Pédesclaux in Pauillac ein Jahr später und erst kürzlich auch Lafon-Rochet in Saint-Estèphe. Ich arbeite seit 2010 für ihn als Berater und verwalte in seinem Namen heute auch die anderen drei Güter.

Natürlich schlägt mein Herz ganz besonders für Château d’Issan, das ich von Kind auf kenne und schätze, ein historisches Cru Classé in Margaux, das mein Grossvater 1945 erwerben konnte. Doch ich gebe zu, in drei verschiedenen Appellationen arbeiten zu können, ist auch nicht übel. Das führt zu einem anderen, universelleren Blickwinkel. In unserem Beruf ist das besonders wichtig. Mein Vater, mit dem ich 1993 zu arbeiten begann, sah sich eher als Weinhändler denn als Gutsbesitzer und staunte nicht schlecht, als ich Reisen rund um die Welt unternahm, um über d’Issan zu sprechen. Früher war dies die Rolle des Händlers. Das hat sich geändert. Die Leiter grosser Güter verbringen vermutlich die Hälfte ihrer Existenz auf Reisen! Für die Identität eines Gutes ist das extrem wichtig. Warum soll ein Kunde Wein von d’Issan kaufen und nicht von seinem Nachbarn? Der Weinhändler, der beide im Sortiment führt, wird die Antwort schuldig bleiben, der Gutsbesitzer nicht!

Auch wenn das altmodisch klingen mag: Familien verkörpern ein grosses, historisches Gut einfach besser als eine Institution. Ein Weinfreund kann sich mit ihnen identifizieren, und genau das gefällt mir daran. Auch Entscheidungswege sind meist kürzer. Und Entscheidungen stehen an, besonders auf weniger bekannten Gütern. Der Weinkonsum schrumpft weltweit. Wer nicht Spitzenweine produzieren kann, hat wohl oder übel bald ausgedient.