Château Les Carmes Haut-Brion
Guillaume Pouthier
Fotos: GettyImages / phbcz, Constant Forme Becherat

Château Les Carmes Haut-Brion hat eine bemerkenswerte Transformation erlebt und gehört heute zu den Topweingütern in Bordeaux. Die letzten Jahrgänge erhielten stets sehr hohe Bewertungen, der 2022er sogar fast unisono die Maximalnote. Ursprünglich im Besitz von Jean de Pontac, dem Eigentümer von Château Haut-Brion, wurde das Anwesen 1584 den Karmelitermönchen geschenkt, die aufgrund ihrer weissen Kopfbedeckung «Les Carmes Blancs» genannt wurden, was dem Weingut später seinen Namen Les Carmes Haut-Brion gab.
Der qualitative Quantensprung erfolgte 2010, als Patrice Pichet, Eigentümer der gleichnamigen Immobiliengruppe, das Château erwarb und mit Hilfe des talentierten Önologen Guillaume Pouthier Keller und Weinberge zu modernisieren begann. 2016 wurde das eindrückliche, von Philippe Starck entworfene und in der Form an ein Schiff erinnernde Kellergebäude eröffnet. Diese Veränderung war ein mehrjähriger Prozess, der gemäss Guillaume Pouthier vier zentrale Elemente enthielt.
Erstens die Mengenregulierung. Ein Teil der Ernte wurde 2011 für einen Zweitwein namens Le Clos des Carmes verwendet, was die Qualität des Hauptweins steigerte. Zweitens arbeitete Guillaume Pouthier ab 2012 vermehrt mit Ganztraubenvergärung, was eine bessere Tanninextraktion zur Folge hat, den Weinen Frische gibt und die Alkoholgradation reduziert. «Dank Ganztraubenvergärung», sagt Guillaume, «haben wir dieses Jahr trotz vollreifem Traubengut statt 14,8 nur 13,5 Prozent Alkohol.» Drittens wird seit 2015 mit der «Infusions-Methode» vergoren, was die Textur und Aromatik im Wein verbessert.
«Wenn ein Winzer sich sicher ist, alles verstanden zu haben, hat er nichts verstanden und sollte besser aufhören, Wein zu machen.»
Schliesslich leitete Guillaume eine Rückbesinnung auf die Cabernets ein, so dass der Wein heute bis zu 75 Prozent aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc besteht. Die letzten, durch den Klimawandel geprägten Jahrgänge haben Guillaume und sein Team gefordert. «Wir haben viel dazugelernt und das Zusammenspiel von Wetter, Böden und Reben studiert», sagt Pouthier und verweist auf eine Karte, die neben der Zusammensetzung, auch die Textur der einzelnen Parzellen darstellt. «Es macht für das Wassermanagement einen Unterschied, ob ein Boden aus kleinen oder grossen Kieselsteinen besteht, auch der Blattschnitt spielt eine Rolle.» So hat man im warmen, feuchten und lichtarmen Jahr 2023 30 Zentimeter mehr Laubwand stehen lassen, nicht vertikal, sondern tannenförmig zugeschnitten, so dass die Reben das fehlende Licht kompensieren konnten. Auf die Frage, welche Pläne er für Les Carmes Haut-Brion noch hege, sagt Guillaume schmunzelnd: «Ich möchte die Emotionen im Wein besser verstehen», und verabschiedet sich mit den Worten: «Wenn ein Winzer sich sicher ist, alles verstanden zu haben, hat er nichts verstanden und sollte besser aufhören, Wein zu machen.»