Kellermeister im Fokus – kreative Teamarbeit

Behind the Scenes

Text: Anne Krebiehl, Matthias F. Mangold, Fotos: Tobias Vollner, Andreas Durst

Manche Gesichter der Weinwelt kennt man allzu gut: Ihr Job ist es, zu ­repräsentieren, zu verkaufen. Ihr Los ist eine ständige Botschafterrolle und nahezu pausenloses Reisen. Weinberge und Keller jedoch beanspruchen ebenfalls vollste Aufmerksamkeit. Deshalb gibt es sie, die zweiten Frauen und Männer, die Kellermeister, die zuhause tagein, tagaus Regie führen. Sie haben Lagen und Weine ebenso verinnerlicht, bleiben aber oft im Hintergrund. Heute richtet sich unser Blick auf sie.


Schloss Proschwitz Zadel über Meissen, Sachsen

Pionierarbeit im Schloss

Da haben sich zwei gesucht und gefunden und leben jetzt eine gemeinsame Vision des sächsischen Spätburgunders. Der südafrikanische Kellermeister Jacques du Preez aus Stellenbosch, der seine «R» immer noch wie im muttersprachlichen Afrikaans rollt, ist «total verliebt in Dresden – es ist die schönste Stadt, die ich je gesehen habe». Weder der Diplom-Agraringenieur und Ex-Unternehmensberater Professor Dr. Georg Prinz zur Lippe noch der junge Südafrikaner hatten Hemmungen, sich aufeinander einzulassen; zumal der Prinz am Kap landwirtschaftliche Praktika absolviert hatte. Du Preez verbrachte einige Kindheitsjahre in Deutschland, absolvierte eine Weinausbildung in Südafrika und kam dann zur Technikerausbildung nach Weinsberg in Württemberg. «Deutschland war ein Land, mit dem ich mich identifizieren konnte», meint er. Seit Prinz zur Lippe mit seiner Frau Alexandra das Familienweingut nach der Wende wieder aufbaute, sind 28 Jahre vergangen. Mit nahezu 80 Hektar Anbaufläche ist Schloss Proschwitz, ausserhalb von Meissen gelegen, heute das grösste private Weingut  in Sachsen.

«Uns beiden ist wichtig, einen wiedererkennbaren Wein zu produzieren, der so natürlich wie ­möglich ausdrückt, was wir sind. Wir wollen unser sächsisches Klima ins Glas bringen.»

Zur Lippe schätzt die Einstellung des Südafrikaners sehr und meint: «Ich habe alles hier auf eine Karte gesetzt, und Jacques tut das auch.» Du Preez fing 2012 auf Proschwitz an. Er liebt die Herausforderung, zusammen mit dem Prinzen herauszufinden, wohin es im sächsischen Weinbau gehen könnte: «Ich finde es schön, eine ganz alte Welt wiederzubeleben», sagt du Preez. «Wir merken jetzt, was für ein Potenzial hier ist. Wir haben die Chance, die Geschichte neu zu schreiben. Die nächste Etappe wird sehr spannend.» Prinz zur Lippe schildert die Diskussionen der beiden, gibt zu, dass es stilistische Änderungen gibt, dass man vieles in Frage stellt. «Wir definieren nochmal alles neu.» Er schätzt die Expertise des Kellermeisters und meint: «Da ich hier in Gummistiefeln im alten Obstlagerhaus anfing, selbst Wein zu machen, haben wir ungefähr die gleiche Einschätzung, wo wir hinwollen. Wir versuchen, etwas zu machen, was authentisch ist.» Du Preez stimmt zu: «Kreative Freiheit habe ich ganz viel, denn der Prinz weiss, dass Menschen nur kreativ sein können, wenn sie die Freiheit haben, sich ausdrücken zu können. Ich denke, das Vertrauen ist da. Aber wir haben auch Glück, dass wir ähnlich ticken.»

Weingut Schloss Proschwitz
Heiliger Grund 2, 01665 Meissen
www.schloss-proschwitz.de

Eigentümer 
Prof. Dr. Georg Prinz zur Lippe 
Kellermeister
Jacques du Preez

Lieblingswein des ­Kellermeisters

Schloss Proschwitz

Pinot Blanc Sekt B.A. Brut 2012

11.5 Vol.-% | 2018 bis 2022

«Wir sind im Sektbereich sehr gut aufgestellt, unsere Sekte sind sehr geradlinig und frisch. 
Ich habe eine sehr grosse Leidenschaft für Pinot Noir, aber ich habe genau die gleiche Leidenschaft für Sekt», sagt Kellermeister Jacques du Preez über die Wahl seines Lieblingsweins.


Preis : 19 Euro | www.proschwitzer-weinshop.de

 


Weingut Heymann-Löwenstein Winningen, Mosel

Stimmigkeit auf den Terrassen

Es war die Suche nach der rechten Hand, die Reinhard Löwenstein und Kathi Starker zusammenführte. Die Kellermeisterin fühlt sich auf dem Weingut so wohl, dass sie sich gleich zweimal einstellen liess. Die erste Begegnung hatten die beiden bei einer Handelsverkostung, als die damalige Studentin einem befreundeten Weingut aushalf. Löwenstein erzählt: «Ich erinnere mich, dass Kathi mir gegenüber stand und ich dachte, die Frau will ich für mein Gut.» Vor dem Geisenheimer Abschluss ging Starker jedoch zuerst nach Neuseeland. Frisch zurück, reiste sie direkt vom Flughafen zum Vorstellungsgespräch an die Terrassenmosel: «Wir haben über alles gequatscht, ausser meinen Abschluss», lacht Starker. «Zwei Wochen später, Ende Juni 2009, hab ich angefangen. Bis heute habe ich hier noch kein Diplomzeugnis vorgezeigt. Das Menschliche muss passen.» 2012 ging Starker noch einmal auf Reisen, nach Neuseeland und Asien: «Das Reisefieber war einfach noch zu stark», meint sie. «Es war dann eine glückliche Fügung, dass ich 2013 wieder anfangen konnte.» Sowohl Region als auch Weingut gefallen ihr: «Es ist eine Gegend, die einzigartig ist.

«Es ist immer ein Austausch. Nur weil mein Name nicht  auf der Flasche steht, heisst es nicht, dass da weniger Herzblut drinsteckt.» 

Von der Arbeit sagt es mir auch sehr zu, da wenig Traktorarbeit involviert ist, das ist nicht so mein Ding. Hier ist es Handarbeit durch und durch, und das kommt mir zugute. Ich hatte keine Probleme, mich hier langfristig niederzulassen.» Was Weinstil anbelangt, waren die beiden schon «auf einer Linie», meint Starker. «Es ist ja keine Kreation von mir, sondern eine Stilistik, die Reinhard und seine Ehefrau Cornelia zusammen wiederbelebt haben, die mir sehr zugesagt hat: spontan vergorene Rieslinge aus der Steillage, nach den Parzellen ausgebaut, ohne Schnickschnack.» Löwenstein sagt: «Aktiv im Keller bin ich eigentlich nicht, machen tut’s die Kathi. Wir reden aber darüber, wie wir es machen. Es ist ein Wissenstransfer von meiner Seite, aber auch ein Abgeben von Verantwortung.» Starker jedoch meint: «Lassen wir mal die Kirche im Dorf, es ist immer eine Gemeinschaftsentscheidung. Es geht um den Wein. Wichtig ist, dass man Gehör findet.»

Weingut Heymann-Löwenstein
Bahnhofstr. 10, 56333 Winningen
www.heymann-loewenstein.com
Eigentümer
Cornelia Heymann-­Löwenstein und Reinhard Löwenstein
Kellermeisterin
Kathi Starker

Lieblingswein der ­Kellermeisterin

Heymann-Löwenstein

Riesling GG Winninger Uhlen Blaufüsser Lay 2015 in Magnum

13 Vol.-% | 2018 bis 2038

«Das Jahr 2015 war kraftvoll, aber trotz des warmen Wetters hat der Wein Feingliedrigkeit, typische Blauschiefereleganz, tolle Lagenausprägung, Terrassenmosel pur», erklärt Kellermeisterin Kathi Starker ihre Wahl.


Preis: 65 Euro | www.hlshop.de 

Weingut Van Volxem Wiltingen, Saar

Gegensatz und ­Einklang

Verschiedener könnten zwei Menschen nicht sein, aber darin liegt wohl das Gelingen der Zusammenarbeit. Es fing mit einer charakteristisch kompromisslosen Annonce in den Weinfachzeitschriften Deutschlands an: Aufstrebendes Mosel-Saar-Ruwer-Weingut sucht qualitätsbesessenen Kellermeister. «Dieses Wort hab ich unterstrichen und in Grossbuchstaben gedruckt», erklärt Roman Niewodniczanski. Dominik Völk, der relativ schnell nach seiner Ankunft 2004 im Keller auch noch den Aussenbetrieb übernahm, fing mit 23 Jahren bei Van Volxem an. «Ich habe mich direkt nach der Technikerschule beworben, und es war das erste Weingut, das mir zugesagt hatte», meint Völk. Um Stil musste nicht diskutiert werden, meint Niewodniczanski: «Von Anfang an ging es um sehr haltbare, im Alkohol moderate, den Weinberg widerspiegelnde Weine. Das war immer die Überschrift: leicht, aromatisch und trinkfreudig. Der Stil hat sich dann im Laufe der Jahre, auch durch das Engagement von Herrn Völk, dahingehend angepasst, dass die Weine heute noch strahlender und filigraner geworden sind.» Völk sagt ganz knapp: «Ich bin ein Abarbeiter von allem, was die Natur und der Jahrgang verlangen. Die Kunst ist, der Natur im Kopf zwei Wochen voraus zu sein, um zu wissen, was die richtige Entscheidung ist. Es ist ein Schauen nach vorne, danach handeln wir.

«Es geht jedes Jahr darum, optimale Traubenqualität zu erzielen, und danach ordnet sich alles. Man darf sich dem Lernen nicht verschliessen, dann weiss man jedes Jahr mehr.» 

Grosse Qualität entsteht im Endeffekt dadurch, dass alle Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt die richtige Arbeit durchführen, das ist meine Aufgabe.» Niewodniczanski erklärt: «Wir beide sind beseelt von Qualität, von einem Wein, der in den Menschen Vertrauen hervorruft. Wir haben fast jeden Tag Diskussionen, wie das in einer guten Ehe üblich ist, und haben durchaus auch unterschiedliche Ansichten, weil wir auch andere Perspektiven haben. Es ist ein lebendiger Prozess, den wir zusammen zum Ziel führen. Es gibt Situationen, in denen ich mich durchsetze, aber auch Situationen, wo er nein sagt. Und das erwarte ich auch von einem Topmann.» Über seine persönliche Entwicklung will Völk nicht sprechen. Der wortkarge Franke drückt das lieber über den Wein aus, der «noch geradliniger, noch puristischer geworden ist».

Weingut Van Volxem
Dehenstr. 2, 54459 Wiltingen
www.vanvolxem.com
Eigentümer
Roman Niewodniczanski 
Kellermeister
Dominik Völk

Lieblingswein des ­Kellermeisters

Van Volxem

Riesling GG Scharzhofberger Pergentskopp 2016

12 Vol.-% | 2018 bis 2038

«Den 2016er habe ich ausgesucht, weil er Fülle, Dichte, Kraft, Eleganz und Präzision hat und trotzdem Leichtigkeit. Aber ich werde ihn erst  in zehn Jahren trinken», erklärt Dominik Völk  die Wahl seines Lieblingsweins.


Preis: 99,95 Euro | www.bauer-vinothek.de 

Bürklin-Wolf Wachenheim, Pfalz

Viel Vertrauen in ­
einen ­jungen Mann

Es war ein Schock, als im Sommer 2012, ein paar Wochen vor der Lese, Fritz Knorr, Kellermeister bei Bürklin-Wolf in vierter (!) Generation, überraschend und urplötzlich verstarb. Bettina Bürklin-von Guradze überlegte nicht lange und fragte den blutjungen Nicola Libelli, der zwei Jahre mit Knorr gearbeitet hatte, ob er sich vorstellen könnte, die Verantwortung zu übernehmen. «Ich sagte ihm, er müsse sich nicht gleich entscheiden, sondern könne noch mal ein paar Nächte darüber schlafen», konstatiert von Guradze in der Rückschau, «doch das ‹Ja› kam mehr oder weniger sofort.» Nun ist Bürklin-Wolf nicht irgendeine Klitsche, sondern das für trockene Rieslinge wohl bedeutendste, weil kompletteste Weingut Deutschlands und damit der Welt. Nach aussen hin repräsentiert Bettina Bürklin-von Guradze den Betrieb seit 1990, als die Geisenheim-Absolventin ihn von ihrer Mutter übernommen hatte. Und dann übergibt man einem Youngster eine Jahresproduktion von 500 000 Flaschen? Die Ruhe, die die Weine von Bürklin-Wolf ausstrahlen, steckt in der gesamten Betriebsphilosophie. Keine Hektik, kein Aktionismus.

«Es geht immer um Zeit, Zeit, Zeit. Die wir geben. Beim Pressen, beim Gären. Dem Hefekontakt oder der Fasslagerung. Das macht uns und unsere Weine aus.» 

«Bürklin bleibt Bürklin», so Libelli, «kein Hype, sondern eine Bank. Es gab schon immer eine Evolution, weil Fritz Knorr sich viel bewegt hat, immer interessiert war an Neuerungen. Ich habe nicht den Drang, mich hier gross selbst zu verwirklichen, ich schliesse da an.» Umgekehrt sagt Bürklin-von Guradze: «Es geht um Vertrauen in einen Menschen. Nicola Libelli muss mir nichts vorschlagen, er macht einfach. Wir probieren viel zusammen, sind eng beieinander am Produkt, etwa beim Zusammenlegen von Fässern. Und wir kommunizieren sehr offen, auch mit dem Vertrieb.» Libelli kommt äusserst gut zurecht mit seiner Rolle im Hintergrund. Zwar geht auch er auf Präsentationen, doch Teil dieses Teams zu sein, ist für ihn auch so etwas wie die Erfüllung eines Traumes. Das Grundkonstrukt mit Gradlinigkeit, Biodynamie und den prägenden Lagen wie Kirchenstück oder Pechstein ist geblieben. Und drumherum darf er ruhig ganz viel ausprobieren. Eine für ihn ideale Konstellation.

Weingut Dr. Bürklin-Wolf
­Weinstr. 65, 67157 Wachenheim
Tel. +49 (0)6322  953 30 www.buerklin-wolf.de
Eigentümerin 
Bettina Bürklin-von Guradze 
Kellermeister 
Nicola Libelli

Lieblingswein des ­Kellermeisters

Wachenheimer Böhlig

Riesling P. C. 2016

13 Vol.-% | 2018 bis 2036

«Diese Lage ist eine unserer Spitzen-Premier-Crus und zeichnet sich durch eine dicke Kalkunterlage aus», erklärt Kellermeister Nicola Libelli. Auf Kalkböden wachsende Rieslinge würden immer eine ausgewogene Balance zwischen Fülle und Salzigkeit zeigen. Zudem mache die griffige Phenolstruktur den Wein spannend.

Preis: 29 Euro | www.buerklin-wolf.de

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