AOC Bandol: mehr als nur Rosé

Die Winzer von Bandol scheinen wie überhaupt die Winzer der Provence dazu verdammt, ihre Brötchen mit Rosé zu verdienen. Das ist schade. Denn hier, auf besonderen Böden in Meeresnähe, auf Rebterrassen, die bis in dreihundert Meter Höhe reichen, findet eine Rotweinsorte ihren besonderen Ausdruck, wie sonst nirgendwo auf der Welt. Der aus Spanien stammende Mourvèdre, der anderswo nur selten eine Assemblage dominiert oder gar fast reinsortig ausgebaut wird, ergibt hier rare, langlebige Rotweine ganz besonderer Klasse.

Bandol liegt am Mittelmeer, genauer gesagt an der Côte d’Azur, etwa auf halber Strecke zwischen Marseille und Toulon. Der Name kommt vom gleichnamigen Hafenstädtchen, über dessen Hafen die hier produzierten Weine bequem verschifft werden konnten. Doch die Anbaufläche von rund 1500 Hektar schliesst auch das Hinterland mit ein. Acht Gemeinden des Departements Var nehmen die Appellation für sich in Anspruch: Bandol, Le Beausset, Le Castellet, La Cadière d’Azur, Saint-Cyr-sur-Mer, Sainte-Anne d’Evenos, Sanary-sur-Mer und Ollioules. Sie produzieren Rosé, weil der Markt das offenbar so will, aber auch hervorragende Rot- und Weissweine. Als Cru oder als Dorfappellation der Provence gehört Bandol zu den flächenmässig kleineren Herkunftsgebieten Frankreichs. Ein hübscher Teil der Produktion wird in den Restaurants der touristisch sehr aktiven Region ausgeschenkt. Das und die bescheidene Grösse der Appellation mag erklären, warum die grossen Roten und Weissen aus Bandol weiterhin nur bei Insidern bekannt und beliebt sind, die sich für besondere Raritäten interessieren.

In Bandol und in seinem Hinterland scheint die Sonne rund 300 Tage im Jahr. Diese Tatsache ist nicht nur als Vorteil zu werten. Die Region zieht Sonnenfrischler aus aller Welt an. Rebland musste in der Vergangenheit immer mal wieder Überbauungen von Appartementsblöcken weichen und Villen für neureiche Städter. In den 1970er und 1980er Jahren führten die verbleibenden Winzer einen regelrechten Guerillakrieg gegen die Grundstücksspekulanten. Der einsetzende Weinboom der folgenden Jahrzehnte hat an dieser Front wenigstens für etwas Entspannung gesorgt. Doch der Immobiliendruck bleibt. Die Rosé-Dominanz hat ein Gutes: Weil Rosé rasch ausgeliefert wird und damit für eine sichere Einnahmequelle sorgt, können die Winzer es sich mehrheitlich leisten, in Rot und Weiss nur das Beste auf die Flasche zu bringen. Weine, die voll ihrem Terroir entsprechen. Die besten Rotweine besitzen daher eine umwerfende Struktur und Fülle und reifen jahrzehntelang, erst recht, wenn sie aus grossen Jahren stammen. Man mag roten Bandol jung geniessen, doch echte Klasse erreicht er erst nach langer Kellerreife. Im Alter von 3 bis 10 oder 15 Jahren gibt er sich hingegen kantig und verschlossen.

Die Rebberge liegen in teils steiler Hanglage, in einem zum Mittelmeer hin geöffneten Amphitheater und profitieren vom Windschutz des Sainte-Baume-Massivs. Dessen höchste Gipfel reichen bis 1150 Meter über Meer. Die besten Lagen sind die der sogenannten Restanques, Terrassen von Lehm- und Kalkablagerungen. Auf den von Menschenhand geschaffenen, kargen Terrassen findet die Rebe ideale Bedingungen. Angebaut werden zwölf Traubensorten, doch der König der Appellation ist unbestritten der spät reifende Mourvèdre (50 bis 95 Prozent der Rotweinassemblagen), der wohl nirgendwo auf der Welt so gute Resultate zeigt wie hier in Bandol. Er wird ergänzt durch Grenache, Syrah, Cinsault und Carignan. Hauptsorten für Weisswein sind Clairette und Rolle.