Interview mit Kurt Josef Zalto, einer der bekanntesten Glasdesigner unserer Zeit

«Ein perfektes Weinglas hat die Leichtigkeit einer Feder»

Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: z.V.g.

Beim grossen VINUM-Gläser-Test in der letzten Dezember-Ausgabe landete das Universalglas No. 2 von der Josephinenhütte klar auf Platz 1. Kreiert wurde dieses Glas von Kurt Josef Zalto, einem der bekanntesten Glasdesigner unserer Zeit. VINUM sprach mit dem 61-jährigen Österreicher über seine Vision vom perfekten Weinglas und seine Pläne für die Zukunft.

Vor rund drei Jahren ist Ihre neue Josephinenhütte-Kollektion auf den Markt gekommen. Wie beurteilen Sie die Reaktionen der Fachwelt?

Ich empfinde die Resonanz als überwältigend. Wenn man jahrelang an einem neuen Glas getüftelt hat, das sich vom Design her doch stark vom Bestehenden unterscheidet, ist da natürlich auch viel Erleichterung. Die positiven Reaktionen halten übrigens bis heute an.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Kürzlich hat uns die Domaine de la Romanée-Conti mitgeteilt, dass sie ihre Weine beim nächsten Event in New York gerne in unserem Universalglas Josephinenhütte No. 2 präsentieren möchte. Das freut mich natürlich ungemein. Obwohl, das innovativste Glas in unserer Kollektion ist für mich die No. 3.

Warum?

Nun, über Generationen von Glasentwicklern hinweg galten Bordeaux und Burgund in Bezug auf das ideale Glas als unvereinbar. Es gab das klassische Rotwein-, beziehungsweise eben das Bordeauxglas und das extrem bauchige Burgunderglas. Unsere No. 3 hat den Anspruch, diese legendären Weintypen gleichermassen optimal zur Entfaltung zu bringen.

Was sind Ihre frühesten Erinnerungen mit Wein?

Als ich im VW-Käfer meines Vaters mitgefahren bin, wenn er Wein kaufen ging, im Kamptal oder in der Wachau, das war ja nicht weit von uns, so eine Stunde Fahrzeit. Ich fand die Winzer von Anfang an sehr gesellige und vor allem lustige Typen. Ihre Türen standen immer offen, und die Menschen spazierten rein und hatten es lustig. Das war schon ein Erlebnis für einen Buben aus dem Waldviertel, wo es doch ein bisschen stiller zuging.

Ja, Brand-Nagelberg, wo Sie aufgewachsen und immer noch zuhause sind, liegt nahe der tschechischen Grenze im nördlichsten Zipfel Österreichs, nicht gerade der Mittelpunkt der Welt, oder?

Nun ja, aber es gibt da viel Holz und Quarz, also die wichtigsten Ressourcen, um hochwertiges Glas zu produzieren. Ein Grund, warum meine Familie da heimisch wurde und seit dem 18. Jahrhundert verschiedenstes Glas-Handwerk produziert. Gesellschaftlich war es ein typisches Glashütten-Dorf, von der Arbeiterschaft geprägt.

War es für Sie von klein auf klar, dass Sie auch ins Glasgeschäft einsteigen?

Nicht unbedingt. Aber etwas Künstlerisches sollte es auf jeden Fall sein, es hätte auch in Richtung Innenarchitektur gehen können. Bei uns zuhause wurde immer musiziert und vor allem gezeichnet. Ich war ein Einzelkind und kann mich gut erinnern, wie ich an den langen Winterabenden mit meinem Vater am Tisch sass und zeichnete.

Damals aber noch keine Gläser, oder?

Nein, wir haben vor allem Porträts von Personen gezeichnet.

Sie sind dann aber früh in den Familienbetrieb eingestiegen. Trotzdem sollte es ein halbes Berufsleben dauern, bis Sie mit dem Design des Zalto Denk’Art die Weinszene aufmischen sollten…

Wir produzierten das klassische Sortiment einer Glashütte. Dazu gehörten auch Gläser, aber bekannt waren wir eher für Vasen, andere Accessoires, darunter auch aufwendige Unikate wie Personenporträts, graviert auf Glas und verfeinert mit Transparenzmalerei, für welche die Farben jeweils von Grund auf neu gemischt wurden. Erst als ich auf die 40 zuging, begann ich mich systematisch mit der Entwicklung von Weingläsern zu beschäftigen.

Der Markt war damals fest in der Hand weniger Anbieter. Für Newcomer wie Sie war es wohl nicht einfach, mit Ihrer ersten Kollektion Zalto Denk'Art mitzumischen, oder?

Das war damals fast unmöglich. Bei Privatkunden hatten wir zwar schnell guten Erfolg, aber die Winzer und Gastronomen wollten nichts von einem neuen Glas wissen. Die sagten mir alle, dass sie das beste Glas schon hätten. Letztlich halfen mir unsere Christbaumkugeln.

Christbaumkugeln?

Eine der wichtigsten Weinpersönlichkeiten jener Zeit war Weinpfarrer Hans Denk, dem wir zu Weihnachten jeweils Christbaumkugeln spendeten, die dann die Kinder in seiner Pfarrei bemalten. Über den Kontakt wegen dieser Christbaumkugeln brachte ich ihn dazu, unser neues Glas auszuprobieren. Er war begeistert.

Rückblickend haben Sie nicht nur positive Erinnerungen an dieses Projekt, oder?

Bis 2006 produzierten wir die Zalto-Gläser in unserem Betrieb. Dann wurde die Sache grösser, neue Investoren kamen als Partner dazu, es wurde komplizierter. 2009 bin ich ausgestiegen, doch mein Name blieb leider Teil der Marke. Eigentlich spreche ich heute nicht mehr darüber und habe mit dem unerfreulichen Verlauf dieser Partnerschaft abgeschlossen.

«Je weniger Wein eingeschenkt wird, desto besser kann das Glas seine Qualitäten ausspielen.»

Fünf Jahre später begannen Sie mit der Entwicklung der Josephinenhütte-Kollektion…

Ich habe nie aufgehört, weiter nach dem möglichst perfekten Weinglas zu suchen.

Was ist das Entscheidende, um bei dieser Suche erfolgreich zu sein?

Man muss gut beobachten können, wie sich der Wein im Glas bewegt. Beim Einschenken, aber auch während des Trinkens.

Tendieren Sie zu Riesling oder eher zu Gewürztraminer?

Ich bin ein Anhänger von frischen, belebenden Weinen, also ganz klar der Riesling-Typ.

Dann schmecken geradlinig frische Weine in Ihren Gläsern am besten?

Persönliche Vorlieben spielen beim Entwickeln von Gläsern keine Rolle. Vielmehr geht es um Winkel und Durchmesser, um den Dekantiereffekt in der Kuppa, die Fliessgeschwindigkeit des Weines im Glas und viele andere Fragen. Mathematik ist ebenso nützlich wie Weinwissen… Letzlich ist es die absolute Passion für Glas, Handwerk und Wein, die den Erfolg bringt.



Wie haben Sie die Josephinenhütte-Kollektion entwickelt?

Nun, ich habe fast fünf Jahre lang an diesem Glasdesign gearbeitet, ich begann mit ersten Überlegungen zu einer veränderten Kuppa, was später dann als Knick bezeichnet wurde. Ich konnte in der ganzen Gestaltungsphase auf ein eingespieltes Team von fünf befreundeten Personen zählen, keine Winzer, eher Weinliebhaber mit grossem Interesse an hochwertiger Handwerkskunst. Ich habe erste Formen entwickelt, aus denen wir dann jeweils bis zu fünf Gläser produzieren liessen. Aus diesen Gläsern haben wir gemeinsam verkostet, und die Eindrücke und Kommentare dienten dann als Grundlage für die nachfolgenden, optimierten Formen. So ging das immer weiter. Letztlich waren mehrere hundert Formen notwendig, bis wir die vier Glas-Typen der Josephinenhütte-Kollektion fertig hatten.

Haben Sie sich während dieses Prozesses mit anderen Glasdesignern ausgetauscht?

Oh nein, das ist alles topsecret. Glasdesigner tüfteln immer für sich allein im stillen Kämmerchen. In diesem Metier sind gute Ideen leider nie sicher. Ich habe darum beim Bestellen der Prototypen sogar absichtlich falsche Angaben gemacht. Anstelle «Weinglas» schrieb ich zum Beispiel auf den Bestellzettel «Kerzenleuchter » oder «Destillierkolben». Und nachdem Denk’Art von Zalto ja von der Industrie wirklich gnadenlos kopiert worden ist, zielten wir bei der neuen Kollektion bewusst auch auf ein Design ab, das nicht mehr so leicht nachgeahmt werden kann.

Ihre Gläser zeichnen sich alle durch ihre Filigranität und Leichtigkeit aus…

Wenn ich an ein perfektes Weinglas denke, sehe ich immer eine Feder vor mir. Ja, die Filigranität ist für mich der Inbegriff für den edlen Charakter eines Weinglases, das gleichermassen für Schönheit und Funktionalität steht. Das ist an sich nichts Neues. Bereits in Italien wurden in der Kulturepoche der Renaissance, später auch von den Wiener Werkstätten, überaus filigrane Trinkgefässe gefertigt. Daran möchte ich mit der Josephinenhütte-Kollektion anschliessen. Aber wie gesagt: Das Glas soll nicht nur haptisch feingliedrig und edel wirken, die Filigranität hat auch eine Funktion, ganz besonders, was den Mundrand anbelangt. Je feiner das Glas in diesem Bereich ist, desto exakter kann der Wein über die Lippen dosiert und letztlich genossen werden. Auch bei der Wahrnehmung der Kohlensäure bei Schaumweinen ist die Feinheit des Mundrandes der entscheidende Faktor.

Was stört Sie am meisten in Bezug auf Weinservice und Glas?

Wenn zu viel Wein in das Glas gegossen wird. Es gibt ja mittlerweile Restaurants, die haben extra grosse Weingläser, damit der Kellner gleich zwei Deziliter reingiessen kann. Da reduziert sich die Wirkung des Glases natürlich auf die Funktion eines reinen Behältnisses. Denn je weniger Wein im Glas ist, desto besser kann das Glas seine Fähigkeiten ausspielen. Die Josephinenhütte-Gläser funktionieren dann am besten, wenn sie nur bis zum Knick gefüllt sind.

Werden Sie irgendwann nochmal ein noch besseres Weinglas auf den Markt bringen?

Wenn Sie mich das jetzt so fragen, würde ich sagen, dass die Josephinenhütte-Kollektion mein perfektes Werk ist. Aber man hat natürlich immer wieder neue Ideen, es muss ja nicht unbedingt Wein sein.

An was für Genussmittel denken Sie da beispielsweise?

Ich beschäftige mich zurzeit ausgiebig mit Bier und Whisky, beides hoch interessante Elixiere. Mal sehen, wo das hinführt.

Wie arbeiten Sie heute? In einem Team oder als Individuum?

Jetzt im Alter von 61 Jahren habe ich das grosse Privileg, in meinem Atelier in Brand-Nagelberg, das sich in meinem Wohnhaus befindet, meinen Gestaltungsideen frei nachgehen zu können. Ich lebe allein, in einem reduzierten Umfeld, einige wenige schöne Dinge genügen mir völlig. Und dann gehe ich jeden Tag zweimal spazieren mit meinen Hunden. Da habe ich die besten Ideen.

Durch den Erfolg der Kollektion investieren Sie auch in neue Produktionsanlagen?

Ja, einen neuen Ofen haben wir kürzlich in Betrieb genommen. Wir haben die Vision, das Brand-Nagelberg wieder zum Ort einer hochwertigen industriellen mundgeblasenen Glasproduktion wird. In den letzten Jahrzehnten war die Glasproduktion hier stark mit dem Tourismus verknüpft. Wir empfingen bis zu 30 000 Besucher im Jahr, die natürlich auch unsere Produkte gekauft haben. Aber was ich anstrebe, ist eine professionelle, handwerkliche Manufaktur, die mundgeblasene Gläser produziert, für die weltweit eine grosse Nachfrage besteht. Ich habe bereits täglich Anfragen für Besuche in Nagelberg aus der ganzen Welt, aber dafür wollen wir die Renovierung der Hütte und den Ausbau erst einmal abschliessen.

Die Glasproduktion ist sehr energieintensiv. Haben Sie da kein Bauchweh, angesichts der gegenwärtigen Entwicklung mit den rasant steigenden Kosten?

Wir sind gut abgesichert. Wichtig ist, dass wir mittelfristig vom Gas wegkommen und jetzt auf Elektrizität setzen. Und dass wir nicht nur Elektrizität verbrauchen, sondern auch erzeugen. Wir haben Pläne für den Bau regionaler Photovoltaikanlagen. Mein Traum ist es, die Josephinenhütte in naher Zukunft komplett klimaneutral zu betreiben.

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