Eine Frage des Images

Schweizer Weine im Ausland

Text: Anick Goumaz, Foto: Shutterstock / schame

  • Mittels umfangreicher Werbekampagnen hat die Fête des Vignerons 2019 den Bekanntheitsgrad der Schweizer Weine im Ausland gesteigert.
  • Das Lavaux, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und ein beliebtes Ziel für Weintouristen ist, hält die Fahne für Schweizer Weine hoch.

Weltweit ist Schweizer Wein ein seltenes Produkt, das auf dem internationalen Markt nicht ins Gewicht fällt. Aber schaffen es unsere Weine, sich einen Ruf aufzubauen, der dem positiven Image von «Made in Switzerland» gerecht wird? Zwischen mangelnder Bekanntheit und Preiskampf: Unsere kritische Prüfung gibt einen Überblick über diesen Ruf, der entscheidende Auswirkungen auf den Absatz innerhalb und ausserhalb unserer Grenzen hat.

Auf dem internationalen Markt stellen Schweizer Weine eine Rarität dar. Bezogen auf das jährliche Produktionsvolumen liegt die Exportquote seit einigen Jahren bei 1,5 Prozent. Das Image unserer Weine jenseits unserer Grenzen hängt jedoch nicht ausschliesslich von deren Vermarktung ab. Auch Werbeaktionen von Swiss Wine Promotion (SWP), Fachjournalisten, Grossveranstaltungen wie die Fête des Vignerons und vor allem der Weintourismus, auf den seit nunmehr einigen Jahren gesetzt wird, tragen zum Bekanntheitsgrad bei. Aber weder unser nationales Tourismusbüro noch Präsenz Schweiz, das Organ des EDA, das für das Image unseres Landes im Ausland zuständig ist, verfügen über aktuelle Daten über das Renommee von Schweizer Weinen rund um den Globus. Die Fachleute beklagen alle eine allgemeine Unkenntnis. Titouan Briaux, Mitbegründer von «The Lavaux, Swiss Wine and Fondue Bar» in New York und Leiter der Domaine Chaudet in Chexbres im Lavaux, gibt zu, dass es der Schweizer Käse und insbesondere das Fondue waren, die die vor etwas mehr als zwei Jahren eröffnete Bar bekannt gemacht haben. Für seine «Big Apple»-Klientel ist die Schweiz nach wie vor ein kaltes Land, in das man zum Skifahren und nicht zum Weintrinken kommt. Sobald sie am Tisch sitzt, ist sie hingegen neugierig, liebt den Chasselas und wundert sich nicht über die Preise. «Die Marke Schweiz weist eine ausserordentliche Stärke auf. Die Kunden erwarten einen hohen Preis für ein Schweizer Produkt», bestätigt Titouan Briaux. Diese Tendenz, unsere Preise auf dem Weltmarkt mit der Zuversicht zu übernehmen, ein Publikum zu finden, wird von den befragten Fachleuten bestätigt. Wie zum Beispiel von Pierre Thomas, einem Fachjournalisten und Verkoster bei zahlreichen internationalen Wettbewerben: «Die Schweiz hat das Image eines teuren Landes. Wir sollten davon profitieren, indem wir Produkte mit hohem Mehrwert exportieren, die für gewisse Sommeliers und Verbraucher vermutlich ihren Preis wert sind! Das Sprichwort, dass die Schweiz die teuersten Weine mittlerer Qualität der Welt und die billigsten Spitzenweine hat, trifft immer noch zu, auch wenn es immer mehr relativ teure Weine gibt.» Es bleibt zu klären, was unter diesem «hohen Mehrwert» zu verstehen ist.

Nachhaltig produzieren und...warten

Abgesehen von einigen Gegenbeispielen wie dem «Raclette-Wein», den der belgisch-französische Weinjournalist Hervé Lalau zitiert, wird nur die Spitzenklasse ausserhalb unserer Grenzen verkauft, wie Nicolas Joss, Geschäftsführer von SWP, erläutert: «Die Schweiz muss das, was sie am besten kann, exportieren. Das sind kleine Mengen. Und das ist gut so! Weil die Mikroproduktion zur Identität der Schweizer Weine passt.» Jean-Paul Schwindt, Autor des Buches «Vins et vignerons suisses à l’épreuve de la mondialisation: défis et perspectives» («Schweizer Weine und Winzer auf dem Prüfstand der Globalisierung: Herausforderungen und Perspektiven»), setzt auf ein anderes Pferd: «Meiner Meinung nach ist die High-End-Strategie nicht die richtige. Wenn man in den Bereich der Spitzenweine einsteigt, befindet man sich in französischem Gefilde.

«Die Schweiz ist auf dem internationalen Weinmarkt nach allen anderen angekommen.» 

Pierre Thomas, Journalist

Die Schweiz ist viel mehr auf einer Wellenlänge mit dem traditionellen oder ökologischen Markt. Unser Image im Ausland ist immer noch das der Berge, der Reinheit, der Gründlichkeit... Ich denke, hier gibt es eine Geschichte, die man kreieren und erzählen kann. Ein ökologisches Projekt könnte langfristig das Image stärken.» Ist der Grundstein für den Weg zum ökologischen Schweizer Wein, der sich bei unseren Nachbarn durchsetzt, bereits gelegt? Das könnte man meinen, wenn man die internationale Popularität von Marie-Thérèse Chappaz, aber auch von anderen, weniger bekannten Produzenten wie der Domaine de Beudon sieht. Diese befindet sich ebenfalls in Fully im Wallis, wird biodynamisch bewirtschaftet und ist seit 1992 als Biobetrieb anerkannt. «Wir sind total angesagt. Unsere Weine haben sich im Ausland schneller verkauft als in der Schweiz», sagt Gründerin Marion Granges, bevor sie Kunden unter anderem in Burma, den USA, Frankreich und Italien nennt. Was dem Ruf der Schweizer Weine also fehlt, ist vielleicht nur...Zeit? «Die Schweiz ist ein junges Land, wenn es um Wein geht», erklärt Pierre Thomas. «Bis in die 1990er Jahre verschnitt sie ihre Rotweine munter mit ausländischem Wein (und lose importierte ausländische Rotweine mit Schweizer Wein, das haben wir ganz vergessen!), schützte einseitig ihren Weisswein und beschränkte nicht einmal die Produktion. Als sie auf Druck Europas ihre Gesetzgebung in Ordnung brachte, kam sie auf dem internationalen Markt hinter allen anderen – sogar hinter Österreich oder Neuseeland! Man kann sogar sagen, dass sie als Vorletzte angekommen ist – vor China.»

Vom Chasselas ins «flache Land»

Hervé Lalau ist ein französischer Journalist, der seit 30 Jahren in Belgien lebt. Als er die Grenze überquerte, verfiel er der Weinwelt. «Sie sind Franzose? Dann werden Sie über Wein schreiben!» Heute ist er stellvertretender Chefredakteur der Zeitschrift «In Vino Veritas» sowie einer der berühmten «5 du Vin», wie der bekannte Blog lautet. «Ich habe eine Belgierin geheiratet, deren Familie stets eine starke Verbundenheit mit der Schweiz hatte. Der Eidechsenwein (Aigle Les Murailles, Anm. d. Red.) war da nicht wegzudenken.» Das beschriebene Szenario erweist sich als verbreitet im «flachen Land» Belgien, dessen Bewohner gerne in die Schweiz fahren. «Der Belgier möchte gerne seinen Urlaub daheim aufleben lassen. In Supermärkten haben Fendant und Chasselas die Bezeichnung ‹Raclette-Weine›. So funktioniert es nicht. Da steht Fendant mit einem Preis von 12 bis 18 Euro neben Savoyer-Weinen, die für die Hälfte oder noch billiger verkauft werden. Es ist paradox: Wo «Schweiz» draufsteht, hat sie eine geringe Chance, zu gewinnen.» Der Franko-Belgier würde sich freuen, mehr Schweizer Weine auf den Speisekarten der Brüsseler Spitzenrestaurants zu sehen: «Ich habe mich von der Qualität dessen, was sie produzieren, überzeugt und bedaure, dass es so wenige Schweizer Weine gibt, obwohl viele Belgier in die Schweiz reisen und ein sehr gutes Bild von ihr haben. Wir haben das Glück, über eine gehobene Gastronomie zu verfügen. Brüssel ist die Hauptstadt der Europäischen Union, hier werden ziemlich viele wichtige Abendessen veranstaltet, mit Leuten, die bereit sind, Geld auf den Tisch zu legen, um einen guten Wein zu trinken.»

Johannisberg Mont d’Or 2021

Domaine du Mont d’Or, Sion, Wallis

12 Vol.-% | 2023 bis 2043

Mit seinem bemerkenswerten Gleichgewicht zwischen Säure und Süsse zeigt dieser Wein eine schöne Entwicklung. Jung verströmt er eine Fülle von Aromen. Dann wird er honigsüsser und würziger. Eine leicht mediterrane Note unterscheidet ihn von anderen Sylvanern. Einfach ein grossartiger Wein.

www.montdor.ch

15 Schweizer Weine in Valencia

In Paris geboren, absolvierte Edmond Gasser dort das Hotelfach und die Ausbildung als Sommelier, bevor er sich in Top-Häusern wie dem «George V» und später in München einen Namen machte. Danach zog er in die Schweiz, wo sich das Erlernen der Codes des Weinbaus als langwierig erwies. «In unserem Wein-Standardwerk in Paris, dem berühmten ‹Brunet›, nimmt die Schweiz nur einen begrenzten Platz ein. In meiner Erinnerung werden dort nur die Petite Arvine, die Grand-Cru-Lagen Calamin und Dézaley erwähnt.» Was danach folgte, war für die Karriere des Parisers entscheidend: Er übernahm den Posten des Chefsommeliers bei «Anne-Sophie Pic», zuerst in Lausanne und seit zwei Jahren in Valencia. «Unsere Klientel zeigt sich offen. Sie betritt ein Drei-Sterne-Haus mit fast grenzenlosen Vertrauen. Wir bieten heute etwa 15 Schweizer Weine an, aber eine Seite mit 30 bis 40 Namen würde in Hinblick auf den Lausanner Werdegang der Chefköchin Sinn ergeben.» Dies ist natürlich nur ein Beispiel, aber die Präsenz unserer Weine im Herzen des Rhonetals bricht mit einigen Klischees. «Es gibt keine Voreingenommenheit gegenüber Schweizer Weinen in Frankreich, nur Unkenntnis.» Mit diesen Worten bestätigt der Chefsommelier ihren Platz in den Grossstädten Paris und Lyon, bei den Sterneköchen und bei den Insidern. «Von diesen Weinen stammen 80 Prozent aus dem Wallis. Die gleichen Namen tauchen immer wieder auf: Marie-Thérèse Chappaz natürlich, zurzeit sehe ich viel Domaine de Beudon. Man findet ein wenig Waadtländer, aber nicht viel. Ich würde gerne mehr schöne Chasselas in den Brasserien finden.»

Syrah Les Tatzes 2020

Cave des Amandiers – Alexandre Delétraz, Saillon, Wallis

13 Vol.-% | 2023 bis 2038

Der erste Wein, den ich bei meiner Ankunft in Genf probiert habe, zählt zu den schönsten Syrahs. Er ist saftig und weist starke Merkmale der Rhone auf. Seine Tiefe, der Aus-druck seiner Frucht und seine Länge machen ihn zu einem der ganz grossen Syrahs dieser Welt.

www.cavedesamandiers.ch

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