175 Jahre Hermann Müller-Thurgau

Zurück in der Zukunft

Text: Thomas Vaterlaus, Foto: Siffert / weinweltfoto.ch, z.V.g., weinbaumuseum.ch

Jahrzehntelang hat sich kaum jemand für das Wirken des Schweizer Botanikers und Rebzüchters Hermann Müller, dessen bekannteste Hinterlassenschaft die Rebsorte Müller-Thurgau ist, interessiert. Nun, wo sich sein Geburtsjahr zum 175. Mal jährt, wird er als «der schweizerische Pasteur» und «Universalgelehrter» neu entdeckt. Und auch seine Züchtung erlebt ein erstaunliches Comeback.

Zehn Müller für alle Fälle

In den letzten 50 Jahren ist die Anbaufläche des Müller-Thurgaus in Deutschland und der Schweiz um annähernd 50 Prozent zurückgegangen. Dabei bringt die Sorte heute eine Reihe von Charakter-weinen hervor, weit weg von der Masse der schlichten «Mainstream-Müller» mit kitschigem Muskatton und schmeichlerischer Restsüsse. Hier zehn Müller, die man unbedingt getrunken haben sollte.

Weinbau Markus Ruch, Neukirc

Klettgau Müller-Thurgau Pet Nat 2024

93 Punkte | 2025 bis 2024

Nebst seinem in der Amphore vergorenen, ungeschwefelten Müller, liefert uns Markus Ruch nun mit dem Pet Nat eine zweite faszinierende Interpretation dieser Sorte. Animierendes Hellgelb im Glas. In der Nase reintönig, mit frisch wirkender Kernobstnote, Mirabellen, dazu ein vornehmer Anflug von Traubenwürze. Im Gaumen zupackend, viel fruchtbetontes Temperament, kernig-geradlinige Spannkraft.

22.50 Franken | cultivino.ch

Schlossgut Bachtobel, Weinfelden

Thurgau AOC Müller-Thurgau MT 2023

92 Punkte | 2025 bis 2027

Auch im Heimatkanton von Hermann Müller beweist die Sorte, dass sie Topweine hervorbringen kann. Ohne Säureabbau vinifiziert, verführt dieser Cru mit reintöniger Zitrusfrucht, floralen Noten und einem zarten Touch von Traubenwürze. Im Gaumen lebhaft und saftig, mit einem animierenden Spiel zwischen Fruchtsüsse und Säure.

24 Franken | bachtobel.ch

 

Tom Litwan, Oberdorf

Aargau AOC Riesling × Silvaner Herznach Allmend 2023, Schweiz

92 Punkte | 2025 bis 2029

Tom Litwan bringt zwei Müller-Thurgau aus zwei verschiedenen Lagen hervor. Der etwas gehaltvollere Herznach Allmend stammt von älteren Reben. Litwan baut den Wein reduktiv aus, sodass er neben Noten von Kernobst, Blüten und Kräutern auch jenen Schiesspulver-Ton erkennen lässt, den die Burgund-Fans so lieben. Auch im Gaumen zeigt er sich gut gebaut, kernig und zupackend.

19.50 Franken | vinothek-brancaia.ch

 

Francisca und Christian Obrecht, Jenins

Riesling Sylvaner Schiefer 2024 Graubünden AOC, Schweiz

94 Punkte | 2025 bis 2030

Auf Schieferböden biodynamisch angebaut, und in einer über 150-jährigen Holzbütte spontan vergoren sowie in Tonkugeln gereift, entsteht ein kerniger und temperamentvoller Müller mit leichtem Orange-Touch. Aromen von Kernobst, Wiesenkräutern und einem Hauch von Rosenblättern. Im Gaumen beschwingt und überaus trinkig. Eine höchst eigenständige und mit jedem Jahrgang aufs Neue faszinierende Müller-Interpretation.

25 Franken | obrecht.ch

 

Tiefenbrunner, Entiklar

Vigna Feldmarschall von Fenner Müller-Thurgau 2021Südtirol DOC, Italien

96 Punkte | 2025 bis 2032

Dieser Müller schwebt seit Jahren hoch über dem Durchschnittsniveau dieser Sorte. Tausend Meter über Meer mit Erträgen von lediglich 3300 Kilo pro Hektar angebaut und zu gleichen Teilen im grossen Holzfass und in Betontanks ausgebaut, entsteht ein echter Grand Cru. Ein Hauch von Blüten und Pfirsich sowie mineralische Noten, die an nassen Stein erinnern. Im Gaumen feingliedrig und klar, mit saftig animierendem Schmelz.

46 Euro | tiefenbrunner.com

 

 

Weingut Stephan Kraemer, Franken

Müller-Thurgau Silex 2019

93 Punkte | 2025 bis 2030

Etwa 20% der Trauben werden mittels intra-zellulärer Gärung verarbeitet, bevor der Wein für zwölf Monate auf der Vollhefe im grossen Holzfass reift. Ein unfiltrierter, naturtrüber Wein mit Most- und Muskatanklängen sowie rauchigen Hefenoten. Lebendige Frische, rosa Grapefruit, Maracuja. Kerniges Gerbstoffgerüst, enormes Trinkvergnügen.

16,90 Euro | weinladen-berlin.de

 

 

Weingut Clauß, Baden

Müller-Thurgau Réserve Wildfang Kapellenberg 2022

91 Punkte | 2025 bis 2030

Spontan vergoren, im Tonneau gereift, unfiltriert gefüllt – das ergibt einen Wein fernab des Üblichen. In der Nase kräuterwürzige Frische, getrocknete Blüten und gelbe Früchte. Am Gaumen saftig, straff, mit griffiger Textur und langem Zug. Kein Leisetreter, sondern ein Müller mit Format. Ein überzeugendes Statement für den Klettgau.

15,50 Euro | weingutclauss.de

 

 

Bio-Weingut Staffelter Hof, Mosel

Müller-Thurgau Smells Like Mean Spirit 2023

91 Punkte | 2025 bis 2030

Ein Teil der Trauben wurde zwei Wochen auf der Maische vergoren. In der Nase mit leich-ter Mostnote, Cidre, dazu Muskat und Holunderblüte. Ganz leichtes CO2, einladend, er-frischend, mit phenolischer Substanz. Zeigt Struktur und Tiefe, entwickelt mit Luft eine zarte Pfirsichnote. Ohne Schwefelzusatz abgefüllt. Ebenfalls bemerkenswert: das Etikett!

14,95 Euro | importweine.de

 

 

Zehnthof Luckert, Franken

Müller-Thurgau 2023

91 Punkte | 2025 bis 2030

Spontangärung, Ausbau im grossen Holzfass, biologischer Säureabbau, helles Gelb mit grünlichen Reflexen. In der Nase sortentypischer Duft, feine Muskatnote, reifer Apfel. Am Gaumen ausgewogen, mit angedeutetem Schmelz, elegantem und doch kräftigem Körper sowie aromatischem Nachgeschmack. Der Gentleman im Müller-Thurgau-Club.

10 Euro | rotweissrose.de

 

 

Weingut Karl Stein, Nahe

Müller-Thurgau Hanggarten 2022

88 Punkte | 2025 bis 2028

Ein Gegenentwurf zu den Maischeweinen: im Edelstahltank ausgebaut, animierendes Aromenspiel, natürlich ist da Muskatwürze, dann Stachelbeere, Grapefruit und Cassis. Auch im Mund klar strukturiert, saftig, frische Säure – im besten Sinne leichtfüssig. Er präsentiert sich als idealer Terrassenwein.

7,90 Euro | wirwinzer.de

 

 

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