Interview mit Lenz Moser, Weinmacher, und Sun Jian, CEO
Auf dem Rücken des roten Drachen
Text: Miguel Zamorano, Fotos: Ricardo Bernardo, z.V.g.

Der Österreicher Lenz Moser ist mittlerweile seit über 20 Jahren in China aktiv. Mit Château Changyu hat er als einer der ersten Weinmacher aus dem Westen im Reich der Mitte Fuss gefasst und damit ein neues Kapitel der Weingeschichte geschrieben. Gemeinsam mit Changyu-Chef Sun Jian spricht er über die Herausforderungen dieses Projekts.
Herr Moser, diesen Herbst kommt der neue Wein von Château Changyu in Europa auf den Markt. Sie haben im Keller daran mitgewirkt. Was kann man in China machen, was in Europa nicht möglich ist?
Wenn ich mal einen Plan habe, dann geht es in China viel schneller. Die Chefs von Changyu und ich haben im Juni 2015 unser erstes Gespräch geführt, im September des darauffolgenden Jahres habe ich die Ernte eingebracht. Da wurde nicht lange gefackelt. Ich habe meine anderen Firmen in Europa verkauft und mich komplett dem Projekt verschrieben. Wann bekomme ich die Chance, als Österreicher so ein Game-changing-Projekt zu verantworten?
Was hatten die Leute hinter Changyu vor?
Wir wollten mit Mouton, Lafite oder Grange auf einem Tisch stehen. Im Jahr 2015 war das eine provokante Ansage, denn die Weine waren damals noch nicht so weit. Doch für Mr. Sun war die Sache klar, er sagte mir: «Du machst jetzt den Wein, und zwar nicht irgendeinen Wein, sondern einen, der zu den Besten der Welt gehört.»
«Ich übersetze das, was der Markt möchte. Ich schaue dem Publikum aufs Maul.»
Lenz Moser
Was bedeutete das für Sie?
Jeder Wein entsteht im Kopf eines Weinmachers. Alle sagen: Weinberge, Terroir, Böden… alles in Ordnung. Aber wenn man keinen Plan hat, wird das nichts Gutes. Man muss viele Dinge zusammenbringen. Ich habe vom ersten Tag an immer zwei, drei gute Flaschen im Koffer gehabt und diese mit meinem Winemaker-Team verkostet. Opus One, Ornellaia, Penfolds, Léoville Las Cases… – das war die Richtung, in die wir gehen wollten. Einen sauberen, perfekten Wein – zumindest in der Nähe sollten wir ankommen. Und das ist in Ningxia nicht unmöglich. Durch das Wüstenklima haben wir im Sommer nur maximal 20 Prozent Luftfeuchtigkeit. Es wachsen sehr kleine Beeren – ein Riesenvorteil, weil du mehr rausholen kannst. Die Skin to Juice Ratio fördert mehr Fleisch und weniger Saft. Das betrifft auch die Tannine, die Farbstoffe, die Inhaltsstoffe etc., und es versetzt uns in die Lage, die Eleganz und die Fruchtigkeit zu keltern, die wir haben wollen. Wenn jemand unseren Wein probiert, soll er Ningxia und das Château sofort erkennen.

Und dafür hat man alle Ressourcen lockergemacht?
Nein, die Ressourcen waren ja schon da. Das Château ist 2013 nach dem Vorbild eines französischen Château fertiggestellt worden. Alles war drin: die Traubenübernahme, die Weingärten drumherum, eine eigene Abfüllanlage, sogar eine Beerensortiermaschine wurde nachgeordert. Etwas Luxus, wenn man mich fragt, aber dagegen gewehrt habe ich mich nicht. Es ging letztlich darum, wie ich den Ferrari, den ich da habe, am besten fahre. Das war meine Aufgabe mit diesem tollen Winemaker-Team. Ich muss dazusagen, dass meine chinesischen Kollegen technisch viel besser ausgebildet sind als ich. Sie kommen alle von der Northwest University in Xian. Das ist das Wädenswil, das Klosterneuburg, das Geisenheim Chinas.
Und welche Rolle haben Sie?
Ich übersetze das, was der Markt möchte, das bringe ich ein, und das artikuliere ich. Ich schaue dem Publikum aufs Maul, ganz klar. Ich produziere für den Markt das, was man von uns erwartet. Und ich möchte, dass man die Weine aus Ningxia mit etwas ganz Speziellem verbindet.
Welche Herausforderung hat man als Westeuropäer gegenüber einem hundertprozentig chinesischen Team?
Ich wusste sofort: Das ist nicht die Lenz-Show, sondern die Changyu-Show. Man muss versuchen, die Arbeit mit dem Team so zu gestalten, dass es einfach mitgeht. Ich bin ja nur viermal im Jahr vor Ort. Ich muss die Ideen so ausarbeiten, dass sie auch dann weiterwirken, wenn ich nicht da bin. Die Chinesen sind ein sehr stolzes Volk. Wenn man da was bewegen will, dann muss man sie an Bord nehmen. In diesem Sinne haben wir das sehr gut hingekriegt. Gleichzeitig ist die Erwartungshaltung in China, was Wein betrifft, gleich null. Wir waren die Ersten, die in den Export gegangen sind – mit unseren Château-Weinen. Es war ein Vorteil, der Erste zu sein.

Mr. Sun Jian kommt dazu. Der CEO trägt eine Brille, ist etwas stämmig und hat einen ruhigen Blick.
War das tatsächlich so einfach?
Wir mussten zunächst einmal sicherstellen, dass die einheimischen Konsumenten uns kennenlernten. Der Markt in China ist noch klein. Und doch haben wir ein spezielles Terroir. Nur wenige einheimische Produzenten haben das Zeug, sich auf der internationalen Bühne zu präsentieren. Changyu zählt dazu.
Wie hat Lenz Moser dabei geholfen?
Wir haben gelernt, wie man einen Wein entwirft, auf das Design zu achten und auch darauf zu schauen, welcher Zielgruppe wir den Wein verkaufen wollen. Das hat Moser schon beim Weinmachen im Kopf und ist dabei rigoros und strikt. Das hat uns inspiriert. Wir haben etwa einen Blanc de Noirs aus Cabernet Sauvignon gekeltert, die Idee, einen trockenen Weisswein zu machen, ging auf Moser zurück. Mit Blick auf den Erfolg des Weins war das eine brillante Idee.
«Wir kommen aus unterschiedlichen Kulturen, was Verständnis und Umgang mit Konflikten betrifft.»
Suan Jian
Die Gruppe Changyu ist in Spanien, Australien und Chile aktiv. Haben Sie einen Liebling im Portfolio?
Mit Australien nehmen wir das High-End-Segment in den Fokus, die spanischen und chilenischen Weingüter machen gute Weine im Mittelpreisbereich, das ist eine gute Ergänzung zu unserem Portfolio. Wir möchten und müssen wachsen. Auch in Frankreich sind wir tätig, allerdings sind die Weingüter dort noch etwas zu klein, um unseren Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir stehen dort vor der Herausforderung, einen Wein für ein globales Publikum zu machen, im Sinne von New Style mit Old World Wine.
Ist das notwendig? In China sind ja die Weinkonsumgewohnheiten auf überschaubare Anlässe beschränkt. Was machen Sie, um dort die Nachfrage anzukurbeln?
China hat eine lange Geschichte des Alkoholkonsums. Doch aus rein traditioneller Sicht wird Wein bei eher formellen und festlichen Anlässen serviert. Etwa bei einem grossen Bankett. Um das zu ändern, richten wir unseren Blick auf die junge Zielgruppe. Sie ist offen und flexibel genug, um neue Szenarien für Weinkonsum auszuprobieren. Wir versuchen, in dieser Hinsicht auf deren Bedürfnisse einzugehen.